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Horrorszenario für BVB und Co.: Bundesliga-Saison abbrechen?
Pro und Contra
Für Borussia Dortmund und Co. wäre der Saisonabbruch in der Bundesliga ein Horrorszenario. Auf dem Weg zum Neustart müssen zahlreiche Hindernisse überwunden werden. Unser Pro und Contra.
Die Wogen bei den niederländischen Profifußball-Klubs der Eredivisie schlagen nach dem Corona-bedingten Abbruch der Spielzeit hoch. Kein Meister 19/20, keine Auf- und keine Absteiger, Champions-League-Teilnahme für Ajax Amsterdam durch die bessere Tordifferenz bei Punktgleichheit an der Tabellenspitze.
Wir diskutieren: Sollte die Bundesliga dem niederländischen Beispiel folgen und die Saison abbrechen?
Pro: Ball der einsamen Herzen (Von Petra Nachtigäller)
Mal ehrlich und mit dem gehörigen Abstand: Wollen Sie einen Geister-Meister? Einen Titelträger, der seinen Triumph beim Ball der einsamen Herzen feiert? In dieser angsterfüllten Zeit, in der nur sicher ist, dass nichts sicher ist, in der sich Experten beinahe täglich widerrufen, in einer Zeit, in der es laut NRW-Ministerpräsident Laschet „um Leben und Tod“ geht, in dieser Zeit brät sich der Bundesliga-Fußball ein Extra-Würstchen? Die Frage muss erlaubt sein: Ist der Profifußball, der ja nun nachweislich ein Kontaktsport ist, systemrelevant?
Warum sollte es den Bundesliga-Klubs anders gehen?
Natürlich spielen die Bundesliga-Kicker eine so gewichtige wie teure Rolle im Unterhaltungsgeschäft Sport. Und er nährt viele Menschen, die einen sehr viel besser, weil millionenschwer, die anderen schlechter. Corona aber ist der große Gleichmacher, erwischen kann das Virus jeden. Übrigens sind Profikicker gegen eine Erkrankung nicht gefeit, auch wenn sie sich noch so häufig testen lassen. Eine Wiederaufnahme des Bundesliga-Spielbetriebs ist, um es auf den Punkt zu bringen, ebenfalls ein Spiel auf Leben und Tod - ärztliches Konzept hin oder her.
Weltweit werden in Folge der Pandemie viele Firmen auf der Strecke bleiben, Menschen arbeitslos werden. Warum sollte es den Bundesliga-Klubs mit ihren - auch das eine Corona-Erkenntnis - auf Kante oder gar Kredit genähten Etats anders gehen? Natürlich ist es legitim, nach sämtlichen geisterhaften Strohhalmen zu greifen, aber wäre der Profi-Fußball nicht auch ohne Corona auf den Abgrund zugetaumelt? Ablösesummen von 130 Millionen Euro für 19-Jährige? Das war dem Normalo längst nicht mehr vermittelbar. Die Branche kreiste längst im eigenen Sternensystem. Wer 2019/20 Deutscher Meister wird? Ist mir gerade wirklich egal!
Contra: Kontrollierbares Risiko (Von Dirk Krampe)
Während wir Normalbürger den deutschen Profifußball ja immer noch gerne aus der emotionalen Perspektive betrachten, weil es sich ja so schön mitfiebern lässt mit seinem Lieblingsklub, weil wir darüber so gern diskutieren und streiten mit Arbeitskollegen und Freunden, hat die deutsche Fußball-Liga (DFL) in dieser Woche endlich klar gemacht, welche Sicht auf den Profifußball nüchtern betrachtet die einzig richtige ist: Es handelt sich um einen Industriezweig mit Milliarden-Umsätzen und einer hohen fünfstelligen Zahl an Arbeitsplätzen, die bei einem Saisonabbruch auf dem Spiel stehen. Das ist das Droh-Szenario.
Basis für eine Durchführung von Geisterspielen ist gegeben
Obwohl die DFL da keine wirklichen Neuigkeiten verkündete, dürfte diese Aussage dem ein oder anderen Romantiker einen Stich versetzen. Am Ende aber hat die DFL vor allem das entscheidende Argument für ein „Ja“ zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs geliefert: Wenn bei Audi und VW die Bänder wieder anrollen, damit der wirtschaftliche Schaden in Grenzen gehalten und das Überleben der Branche gesichert werden kann, dann darf der Profifußball das auch für sich beanspruchen.
Mit der gebotenen Demut (endlich!) und einer, das muss man zugeben, sehr gründlichen Vorarbeit der medizinischen „Task Force“ scheint die Basis gegeben für eine Durchführung von Geisterspielen und damit einem unter den besonderen Umständen regulären Ende der Saison. Das Infektionsrisiko scheint kontrollierbar, der Fußball nimmt dem Gesundheitssystem keine Tests weg, die es nicht entbehren kann. Und, auch wenn dies nachrangig ist: Kein anderer Sport interessiert so viele Menschen. Würden sie nicht auch gern mal wieder über andere Dinge diskutieren als Corona?
Das Bundesliga-Konstrukt steht auf wackeligen Beinen
Klar ist aber auch: Das Damoklesschwert einer Infektion in diesem inneren Zirkel schwebt permanent über dem Rest der Saison. Ein positiver Infektionsbefund, und das ganze Konstrukt würde wohl sofort einstürzen.
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.

Die Liebe zum Sport im Großen wie im Kleinen und die Liebe zum Schreiben führten 1988 direkt in die Sportredaktion des Medienhauses Lensing. Persönliche journalistische Highlights: die Berichterstattung von den Olympischen Spielen 2000 in Sydney und 2008 in Peking. Immer noch mit Begeisterung am Ball.
