Es nagt an Jörg Ernesti, das ist zu spüren. Bei jedem Satz. Es ist ein Einschnitt in sein Leben, der aus dem Nichts kam. Nach 33 Jahren muss er seinen Stammplatz im Signal Iduna Park hergeben, auf die vertrauten Gesichter auf den Sitzen neben ihm verzichten. „Das ist ernüchternd. Wir hatten uns noch im Mai mit den Worten ‚bis August‘ verabschiedet – so wie immer. Jetzt ist das vorbei“, beschreibt Ernesti seinen Frust.
BVB mit „Umbaumaßnahmen“
Doch von vorn: An dem Montag nach dem dramatischen Meister-Knockout folgt der nächste Tiefschlag. Ernesti bekommt einen Brief von Borussia Dortmund mit einer Dauerkarten-Reservierung. Doch nicht für seinen angestammten Platz auf der Westtribüne Höhe der Strafraumlinie zur Südtribüne, Reihe 21. Er muss weichen. „Umbaumaßnahmen im Zuge der Heim-EM im kommenden Jahr sind die Gründe“, erklärt der Mitt-Sechziger.
Konkret heißt es im BVB-Anschreiben: „Nicht zuletzt, um die Heimspielstätte unseres BVB auch für die EURO 2024 auf höchsten Standard zu bringen, haben wir uns zu baulichen Veränderungen im Bereich der Westtribüne entschieden, die zu unserem großen Bedauern auch Auswirkungen auf Ihren bislang angestammten Sitzplatz haben.“
Für den gebürtigen Dortmunder, am Borsigplatz geboren und aufgewachsen, ist die Kommunikation ein ausgesprochenes Ärgernis. „Man wurde vorab nicht informiert, hat nichts gehört, sondern einfach nur das Schreiben bekommen. Eine Aktion nach dem Motto: ‚Friss oder stirb‘.“ In Ernestis Fall heißt das: er frisst. „Ich war hin- und hergerissen, ob ich das Angebot annehme. Doch mir bleibt keine andere Wahl, dafür ist mir der Stadionbesuch zu wichtig.“ Ab der Saison 2023/24 fiebert Ernesti, der dem BVB auch in schweren Zweitligazeiten die Treue gehalten hatte, dann ohne seine „kleine Familie“ mit, aber weiter auf der Westtribüne.
Mehr als 100 Personen betroffen
Klar ist: Ernesti ist kein Einzelfall. Auch seine Sitznachbarn müssen umsiedeln. Laut Informationen der Ruhr Nachrichten ist eine Zahl im niedrigen dreistelligen Bereich betroffen. Ein Leidensgenosse von Ernesti ist Bernd Madest. Der jahrzehntelange Besitzer von gleich zwei Saisontickets empfindet die Art und Weise des BVB unangemessen. „Die Nachricht war unhöflich und kalt.“ Auf eine Beschwerde-E-Mail folgte laut Madest eine Antwort, die ihn etwas beschwichtigt hat.
Doch zwei Negativpunkte bleiben: „Mein Alternativangebot kostet 300 Euro mehr – pro Karte, wohlgemerkt. Und mir wurden die Plätze 30 und 32 angeboten.“ Jetzt hofft der Rentner, dass die Person in der Mitte ein Einsehen hat und während der Spiele einen Sitz nach rechts oder links rutscht.

Laut Vereinsangaben seien die Gespräche mit den betroffenen BVB-Fans „lösungsorientiert“ verlaufen. Im „Normalfall“ würden die Fans weniger bezahlen. So ist es zum Beispiel bei Hendrik Neebe. Der Hammer muss sogar die Tribüne wechseln, sitzt künftig statt im Westtribünen-Block 21 im Block 40 auf der Osttribüne. Damit einher geht ein Wechsel der Preiskategorie von 2 auf 3, was sich zumindest trotz der gestiegenen Dauerkartenpreise positiv im Portemonnaie bemerkbar macht. Dennoch meint Neebe: „Bisher war es ein vertrautes Miteinander auf den alten Plätzen. Wir haben uns aufeinander gefreut, das fällt jetzt weg.“
Was allen Fans auf den Magen schlagen würde, ist, wenn die offiziell vom BVB für die Umsetzungen in Feld geführte Begründung der Umbaumaßnahmen zur Heim-EM 2024 in „Ledersitzen“ münden würde, also in deutlich teurere Business-Plätze. Was auch immer entsteht: Die Saison 2023/24 geht für einige Fans aus einem anderem Blickwinkel als gewohnt im Signal Iduna Park über die Bühne.
Homophobie: BVB-Fans protestieren gegen Nmecha-Transfer: „Dortmund würde seine Werte verraten“
Der BVB erhöht die Dauerkarten-Preise: Mehrkosten werden zum Teil auf Tickets umgelegt
BVB-Fans feiern resolutes Comeback: Proteste gegen Polizei, DFL und den eigenen Verein