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„Gewisse Sorglosigkeit“: Sebastian Kehl legt den Finger in die BVB-Wunde
Borussia Dortmund
Borussia Dortmund ist mit neun Punkten nach vier Bundesliga-Partien im Soll. Dennoch erkennt BVB-Lizenzspielleiter Sebastian Kehl beim 4:3 eine „gewisse Sorglosigkeit“ im Defensivverhalten.
Hoch auf dem Rücken von Torschütze Erling Haaland gelang Jude Bellingham die spektakulärste Aktion des Tages: Mit einer Hand fing er artistisch einen aus der Kurve geworfenen Plastikbecher samt Bier-Inhalt, führte ihn zum Mund und feierte so das erste von mehreren Comebacks seines BVB in diesem Spiel. Abends kommentierte er die Szene bei Twitter augenzwinkernd mit einem „Cheers!“
Das 4:3 war in der Tat schmackhaft, vor allem für die, die es mit der Borussia hielten. Bellingham und der BVB hatten nach einer intensiven und bisweilen mitreißenden Partie in Leverkusen am Ende gut lachen. Dortmund biss sich durch, überwand mehrfach große Widerstände, kam gleich drei Mal nach einem Rückstand zurück und war am Ende kein unverdienter Sieger. Die knapp 95 Minuten forderten allen alles ab. Auch auf der Bank. „Ich war richtig platt, weil es so intensiv war, ich war erleichtert und glücklich“, sagte Lizenzspieler-Leiter Sebastian Kehl im Grespräch mit den Ruhr Nachrichten. „An erster Stelle steht für mich, dass wir bei einem sehr starken Gegner gewonnen haben.“ Auch Trainer Marco Rose gab diesem Umstand die meiste Gewichtung, sprach von einem „Top Bundesliga-Spiel“ und einem „Spektakel“.
BVB-Trainer Marco Rose: „Das macht mich sauer“
Treffer von Haaland (37.), Julian Brandt (49.) und Raphael Guerreiro (71.) konterten eine dreimalige Bayer-Führung (9./45.+1/55.). Haaland sorgte nach einem Schlag des Leverkuseners Kossounou gegen Marco Reus per Elfmeter (79.) für den 4:3-Siegtreffer. Nur eine von vielen kniffligen Szenen. „Es war keine Absicht, aber er trifft mich und es tat weh“, meinte Reus. Den Elfmeter nach Hinweis des VAR zu geben, war von Schiedsrichter Daniel Siebert zumindest keine falsche Auslegung der Szene.
Wie das so ist mit spektakulären Fußballspielen, haben sie für die beteiligten Trainer auch ihre Schattenseiten. Auf die Gegentore hätte Rose an seinem 45. Geburtstag gerne verzichtet. Bevor Gregor Kobel im Tor seinen ersten Ball halten konnte, musste er schon drei aus dem Netz fischen. Das, bekannte der Dortmunder Trainer, „macht mich sauer.“
BVB-Lizenzspielleiter Kehl: „Gefahren-Situationen besser antizipieren“
Auch Kehl legte am Sonntag den Finger in die Wunde: „Ich habe in einigen Momenten eine gewisse Sorglosigkeit gesehen, wir müssen gewisse Gefahren-Situationen besser antizipieren“, meinte der künftige Sportdirektor. „Es ist extrem wichtig, dass wir da besser aufeinander achtgeben.“ Roses Plan, in Axel Witsel als Sechser einen zusätzlichen Defensiv-Spieler einzubauen, schlug fehl. Witsel musste große Löcher stopfen, das gelang nicht immer.
Mit ihrem schnellen Umschaltspiel nach - zu oft leichtfertigen - Ballverlusten des BVB brachte die Werkself die Dortmunder Defensive immer wieder in Verlegenheit. Rose monierte nicht die Menge, eher die hohe Qualität der Bayer-Chancen: „Das war too much!“ Einsatz und Moral aber stimmten das Geburtstagskind gnädig. Über die Mängel wird der Trainer sprechen. „Wir können nicht immer vier Tore schießen“, meinte auch Reus.
Verbale Auseinandersetzung zwischen Zorc und Salihamidzic
In Leverkusen gelang das allerdings eindrucksvoll. Und den Kampfmodus bewahrte sich der BVB bis in den Sonntag hinein, als aus München durch Hasan Salihamidzic Kritik an Reus nach Dortmund schwappte. Bayern Münchens Sportvorstand kritisierte, dass Dortmunds Kapitän auf das WM-Qualifikationsspiel auf Island aufgrund von leichten Knieproblemen verzichtet hatte, am Samstag dann aber 90 Minuten durchhielt. „Ich finde das schon verwunderlich. Unsere Spieler bleiben und spielen dann trotzdem“, sagte der 44-Jährige bei „Sky 90“.
Der Konter aus Dortmund kam prompt. „Salihamidzic sollte sich zu Themen von Bayern München äußern und zu uns betreffenden Themen seine Klappe halten“, ätzte BVB-Sportdirektor Michael Zorc im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. „Was glaubt er eigentlich, wer er ist?“ Nicht zum ersten Mal sorgt Salihamidzic mit seinen Aussagen für Verwunderung. Er ignorierte zudem, dass Thomas Müller die komplette Länderspielmaßnahme noch vor dem ersten der drei Spiele wegen einer Verletzung abgebrochen hatte. Am Samstag in Leipzig stand Müller 75 Minuten auf dem Platz.
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.
