Für Marco Rose ist das BVB-Spiel gegen den FC Bayern die bislang größte Herausforderung

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Für Marco Rose ist das BVB-Spiel gegen den FC Bayern die bislang größte Herausforderung

rnBorussia Dortmund

Marco Rose ist seit fünf Monaten BVB-Trainer. Als Typ kommt er gut an, für den bisweilen zähen Fußball gibt es Gründe. Gegen die Bayern steht der 45-Jährige vor seiner bislang größten Herausforderung.

Dortmund

, 02.12.2021, 06:00 Uhr / Lesedauer: 4 min

Die Stimmung ist gelöst im Grand Resort in Bad Ragaz. Auch Marco Rose hat an diesem Sommertag in der Schweiz beste Laune, auch wenn die Vorbereitung seines neuen Klubs Borussia Dortmund nun gar nicht nach Wunsch verläuft. Rose muss auf etliche Nationalspieler und Rückkehrer aus Verletzungen noch verzichten und arbeitet mit vielen Nachwuchskräften. Bisweilen, sagt er im großen Exklusiv-Interview mit den Ruhr Nachrichten mit einem Schmunzeln, fühle er sich zurückversetzt in die Zeit, in der seine Karriere so richtig durchstartete. Als U19-Trainer von RB Salzburg gewann er die Youth League, das galt seinerzeit als Sensation und ist es heute noch.

Beim BVB tritt Marco Rose in eine neue Fußballwelt

In Dortmund aber ist der Jugendstil Ausdruck eines Zwangs zur Improvisation. Rose könnte hadern mit den Personalsorgen, das aber mag er nicht tun. Lamentieren bringe nichts, sagt er. „Die Dinge sind, wie sie sind.“ Natürlich weiß er da noch nicht, dass Verletzungen und Fehlzeiten wichtiger Spieler immer ein Thema bleiben und die ersten Monate seiner BVB-Zeit prägen werden.

Es ist ein sehr netter erster direkter Kontakt mit dem neuen Trainer der Borussia, der durchblicken lässt, dass er der Aufgabe, die auf ihn zukommen wird, nicht nur mit großer Vorfreude, sondern ebenso großem Respekt begegnet. Dortmund sei, macht Rose klar, ja noch einmal eine andere Hausnummer als Gladbach. Geschweige denn Salzburg. Ein Klub mit Kultpotenzial, einer großen Fan-Basis und hohen sportlichen Zielen. Aber dadurch eben auch einer, bei dem der Druck deutlich höher sein werde.

Stimmungsumschwung beim BVB kommt genau zur rechten Zeit

Auch wenn ein medialer Tsunami bislang ausgeblieben ist, weil Rose mit den nie geringer werdenden Widrigkeiten sehr gelassen umgegangen ist und weitgehend gute Ergebnisse erzielt hat, hat der 45-Jährige doch auch schon ein Gespür dafür entwickeln können, wie schnell sich bei einem Großklub wie dem BVB die Großwetterlage ändern kann. Nach der Niederlage in Lissabon kürte ihn die „Welt am Sonntag“ zum Verlierer der Woche, schließlich habe er nicht nur das Ausscheiden aus der Champions League zu verantworten, sondern obendrein in der Pressekonferenz vor dem Spiel noch den Namen des Lissaboner Trainers Ruben Amorim nicht gewusst. Was für ein Fauxpas! (es war eher ein Tonproblem bei der Übersetzung)

Nur vier Tage später aber, nach einem beeindruckenden 3:1 in Wolfsburg um drei Bundesliga-Punkte reicher, avancieren Rose und die Borussia zu alleinigen Hoffnungsträgern in einer Liga voller Hoffnungsloser. Der Stimmungsumschwung kommt genau zur rechten Zeit. Am Samstag gastieren die Bayern im Signal Iduna Park, mal wieder ist es das Duell Zweiter gegen Erster. Da braucht es breite Schultern – und Köpfe, die selbstbewusst in die Höhe gereckt werden. Das Spiel ist, darüber gibt es keine zwei Meinungen, die bislang größte Herausforderung für den BVB-Chefcoach Marco Rose.

Marco Rose startet beim BVB im Schatten von Edin Terzic

Dass die Bewertung der Arbeit eines Trainers fast ausschließlich an Ergebnissen hängt, ist natürlich nichts Neues für den gebürtigen Leipziger Rose. Das habe er in Salzburg erlebt, als er nach dem Triumph mit der U19 die Profimannschaft übernahm. Ein Team, das so weit über allen anderen Mannschaften stand, dass nach jeder Niederlage direkt Diskussionen eingesetzt hätten. In Mönchengladbach durchlebte Rose schwierige Monate bis zu seinem selbstgewählten Abschied, in denen er auch „viele Dinge lesen musste, die einfach nicht stimmten.“ Reputation und Anerkennung litten unter den ausbleibenden Resultaten, parallel dazu schossen in Dortmund die Beliebtheitswerte des Edin Terzic in die Höhe. Ihn hätten viele Fans gern auch weiter auf der Brücke gesehen. Das alles machte Roses Start in Dortmund nicht leichter.

Setzt BVB-Trainer Marco Rose (r.) gegen den FC Bayern von Beginn an auf Erling Haaland?

Setzt BVB-Trainer Marco Rose (r.) gegen den FC Bayern von Beginn an auf Erling Haaland? © imago / Christian Schroedter

Die Skeptiker hat Rose schnell überzeugen können. Sachlichkeit, Ehrlichkeit und Offenheit sind Faktoren, mit denen Rose punktet. Als Typ kommt er an, schnell werden auch Vergleiche zu Jürgen Klopp herangezogen. Das ist in Dortmund immer noch die Benchmark für die Beliebtheit und Klasse eines Trainers. Rose weiß, dass er nicht nur nach Siegen am Zaun vor den Fans auftauchen sollte, er stellt sich auch nach Niederlagen. Wenn die Mannschaft gefeiert wird, bleibt er gern im Hintergrund. Das ist ein weiteres Credo des 45-Jährigen: „Was wir erreichen, ist das Produkt der Leistung eines großen Teams, nicht nur des Trainers.“

Die Zahl der BVB-Gegentore ist weiterhin deutlich zu hoch

Eine Folge der besonderen Umstände der ersten Rose-Monate in Dortmund: Noch fällt eine Bewertung über die sportliche Weiterentwicklung unter seiner Ägide schwer. Die Ergebnisse stimmen zumeist, der Fußball an sich bleibt aufgrund der vielen Verletzten in etlichen Spielen noch auf der Strecke. Der Rose-Fußball solle geprägt sein von „einem hohen Aktivitätslevel mit und gegen den Ball“, wie er im RN-Interview beschreibt. Die extreme Form des von Rose bevorzugten Gegenpressings muss seine neue Mannschaft noch verinnerlichen. Es ist ein Prozess, den Terzic angestoßen hat nach dem zuletzt lähmenden Ballbesitz-Fußball unter Lucien Favre. Rose hat ihn weitergeführt, abgeschlossen ist er bis heute noch nicht.

Anfänglich fehlt vor allem die Balance. Vorne geht es wild und spektakulär zu, hinten nicht minder. Die Zahl der Gegentore nerven Rose, sie ist deutlich zu hoch. Erst der Königsklassen-Heimsieg gegen Sporting Lissabon (1:0) lässt das Herz des Trainers hüpfen. Weniger Spektakel, aber mehr defensive Kontrolle sieht Rose, das ist ein Fortschritt nach Wochen mit vielen Einschlägen im eigenen Kasten.

BVB-Trainer Rose ist nach dem Aus in Lissabon merklich angeschlagen

Rückschläge aber gibt es weiter. Sie haben ihre Ursache auch in einer rätselhaften Häufung muskulärer Verletzungen, von denen kaum ein Stammspieler verschont bleibt. Rose ist fortwährend zum Improvisieren gezwungen, „Bastelmeister“ wird er vom Boulevard getauft. Zu wenig Konstanz ist die unmittelbare Konsequenz der großen Personalsorgen. Mit dem vorzeitigen Ausscheiden aus der Champions League rechnet dennoch niemand. Drei Niederlagen am Stück besiegeln das Dortmunder Schicksal in diesem Wettbewerb, nach dem Spiel in Lissabon ist auch Rose erstmals merklich angeschlagen.

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Fünf Monate Dortmund liegen nun hinter ihm. Es war erwartet intensiv, es wird in den nächsten Wochen bestimmt nicht ruhiger. Auch das ist Dortmund: permanentes Arbeiten unter dem Brennglas. Kommen nun endlich wichtige Stammspieler zurück, wird sich Rose messen lassen müssen – an Ergebnissen und Entwicklungen. Der Erfolg in Wolfsburg war elementar wichtig, um mit Optimismus ins Bayern-Spiel zu gehen. Schlägt sich die Borussia am Samstag ordentlich, bleibt in Schlagdistanz oder zieht gar an den Bayern vorbei, würde das die Zweifler, die sich zuletzt wieder zu Wort gemeldet haben, vorerst ruhigstellen.