Ist das Glas nun halb voll oder halb leer? Auch am Tag nach dem 0:1 gegen den SV Wehen Wiesbaden ist guter Rat teuer bei der BVB-U23. Die sechste Niederlage in Serie hat einerseits die Zweifel genährt, ob der gegenwärtige Kurs ausreicht, um den Klassenerhalt in der 3. Liga zu schaffen. Zugleich hat die Mannschaft mit ihrer Leistung nach der Pause gezeigt, dass es berechtigte Hoffnung auf eine bessere Zukunft gibt, weil sie dazu in der Lage ist, gegen ein Topteam mitzuhalten.
Trainer, Spieler, Verantwortliche – es ist zu spüren, wie sehr alle mit der augenblicklichen Situation ringen. Verkennt man die Lage, wenn man vor allem das Positive betont? Oder verkennt man das Potenzial, wenn man sich vorwiegend auf das Negative fokussiert? Es ist ein schwarzgelbes Mäandern. Eine Zustandsbeschreibung:
Christian Preußer lässt zumindest öffentlich keine (Selbst-)Zweifel am bisherigen Vorgehen erkennen. Intern muss der Trainer aber sehr wohl die Defizite benennen. Preußer sagte schon vor dem 0:1 gegen Wiesbaden: „Ich persönlich spüre überhaupt keinen Druck. Die Fakten stehen da und ich möchte auch gar nicht dagegen argumentieren, dass die Punkte-Ausbeute nicht gut genug ist. Aber ich glaube, es liegt wirklich an Kleinigkeiten.“
Es sei für ihn nicht das erste Mal, dass er mit seinem Team einige Spiele hintereinander verliere – wie beim SC Freiburg II in der Saison 19/20. Damals habe er an seiner Linie festgehalten und sieht sich bestätigt: In der Saison darauf gelang ihm mit den Breisgauern der Aufstieg in die 3. Liga. Die Erlebnisse von damals bestärken ihn nun in seinem Handeln beim BVB. Sie sollen als Blaupause dienen. Wenn sein Team jetzt durchhält, weiter an sich glaubt, kommt der Erfolg irgendwann, so sieht es Preußer. Die Frage ist nur: Wann kommt der Erfolg? Und kommt er noch rechtzeitig, um in der Tabelle die Kurve zu bekommen?
BVB-Kapitän Pfanne: „Druck ist noch auszuhalten“
18 Partien bleiben der BVB-U23 noch, um Ende Mai über dem Strich zu stehen. Das ist in der Theorie eine lange Strecke, relativiert sich aber, wenn man das Tempo der bisherigen Fortschritte zugrunde legt. „Wir können uns jetzt noch zehn Wochen darauf berufen, dass noch genug Zeit ist. Aber darauf dürfen wir uns nicht verlassen, denn irgendwann punkten die anderen Mannschaften auch, das hat man ja an Bayreuths Sieg gegen Ingolstadt gesehen“, sagt Franz Pfanne.

Dem BVB-Kapitän ist sein Hadern mit dem Status Quo deutlich anzumerken. „Wir stehen jetzt auf dem 18. Tabellenplatz. Der Druck ist noch auszuhalten, aber natürlich haben wir einen ganz anderen Anspruch. Wir können mehr. Wir dürfen jetzt nicht alles schlecht machen, aber auf gar keinen Fall auch alles schönreden“, betont Pfanne. Da ist es wieder, das Glas – wahlweise halb voll oder halb leer.
Ingo Preuß: „Das ist keine tote Mannschaft“
Das Vertrackte ist, dass das Glas auch innerhalb der 90 Minuten mal halb leer und dann plötzlich wieder halb voll ist. „Die erste Hälfte war nicht gut, unser Spiel mit Ball war gar nicht gut. In der zweiten Hälfte haben wir dann aber bis aufs Gegentor ein gutes Spiel gemacht. Wir hatten drei hundertprozentige Torchancen, von denen eine rein muss. Und aus diesem Grund stehen wir momentan da, wo wir stehen. Weil wir uns für den Aufwand, den wir betreiben, nicht belohnen“, sagt Pfanne.
Dem Frust hält er aber auch etwas Positives entgegen: „Wir haben uns als Mannschaft nach dem Gegentor nicht hängen lassen. Das spricht dafür, dass Leben in der Mannschaft ist.“ Das sieht auch Ingo Preuß so. „Wir alle sind total enttäuscht, dass wir wieder eine Niederlage einstecken mussten, obwohl jeder 100 Prozent Einsatzwillen gezeigt hat. Denn eines konnte man sehen: Das ist keine tote Mannschaft, sondern eine, die fightet“, sagt der Sportliche Leiter. Nach Niederlagen leide er bisweilen körperlich, hat Preuß einmal verraten.
Preußer will „positiv authentisch bleiben“
Wie sehr ihn die augenblickliche Lage mitnimmt, konnte man nach dem 1:2 gegen Osnabrück erahnen, als Preuß sichtlich angeschlagen in den Katakomben des Stadions stand. Auch er schwankt in der Beurteilung der letzten Wochen. Für eine U23 gelte aus seiner Sicht nicht derselbe Maßstab wie für andere Drittligisten. Die (noch nicht abgeschlossene) Entwicklung der Spieler gelte es zu berücksichtigen.

Ähnlich argumentiert auch Christian Preußer. Sein Lösungsansatz lautet: „Die Tabellensituation macht natürlich keinen Spaß, aber der Weg geht nur darüber, dass wir cool und positiv zu bleiben. Und ich meine damit, authentisch positiv zu bleiben. Es geht nicht darum, Dinge zu überspielen oder schönzureden. Es geht um Glaubwürdigkeit und nicht darum, Phrasen zu dreschen.“
BVB-Trainer Preußer beschwört den eigenen Glauben
Und weiter: „Es ist nicht so, dass wir die ganze Saison über gleich in der Ansprache oder den Abläufen sind. Da sind wir dran. Ich habe das Gefühl, dass es sehr authentisch ist, was wir mit der Mannschaft machen. Wir tauschen uns mit dem Team aus.“ Es gehe darum, den Spielern zu helfen, sie zu unterstützen und gleichzeitig kritisch zu sein. Wie schwierig aber wird es, positive Authentizität glaubhaft zu vermitteln, wenn die Ergebnisse seit Wochen ausbleiben?
Ihm persönlich falle es „überhaupt nicht schwer, positiv zu bleiben“, sagt Preußer. „Ich nehme es so wahr, dass auch die Mannschaft gut mit der augenblicklichen Situation umgeht. Wie es in jedem Einzelnen genau aussieht, ist aber natürlich eine sehr individuelle Sache. Es geht darum, weiter an uns zu glauben und jetzt nicht von der eigenen Linie abzuweichen. Das kriegen wir hin. Diesen Vibe möchte ich vermitteln.“
„Wandeln auf einem schmalen Grat“
Am Samstag gastiert die BVB-U23 beim FC Ingolstadt. Dessen Sinne dürften nach der überraschenden Pleite gegen Bayreuth geschärft sein. Dort nimmt Borussia Dortmund den nächsten Anlauf. „Wir wandeln auf einem schmalen Grat. Wir möchten zwar Fehler vermeiden, aber das heißt nicht, dass wir ängstlich sein und uns die Bälle nicht mehr holen dürfen. Unsere beste Phase hatten wir, als wir mutig hinten raus gespielt haben. Es geht immer darum, abzuwägen, wann wir das Risiko eingehen dürfen und wann wir Situationen kompromisslos klären müssen. Unser Spiel muss trotzdem flüssig und mit Freude nach vorne getragen werden. Sonst wird es verkrampft. Und genau das darf nicht passieren“, sagt Preußer.
Zuversicht spendet dem BVB-Trainer derweil ausgerechnet ein Konkurrent: „Man sieht an Erzgebirge Aue, wie schnell es gehen und wie schnell man sich von unten entfernen kann.“ Die Sachsen haben zu Saisonbeginn neun Spiele lang auf ihren ersten Sieg warten müssen. Jüngst sammelten sie zehn Punkte aus den letzten vier Partien. Die Serie nahm ihren Lauf mit einem 1:0 im Signal Iduna Park gegen den BVB. Künftig möchte Schwarzgelb zuallererst sich selbst auf die Beine helfen.
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