Erbärmlicher Umgang mit BVB-Profi Brandt Fans gehen trotz Dauer-Formtief viel zu weit

Erbärmlicher Umgang mit BVB-Profi Brandt: Fans gehen trotz Formtief viel zu weit
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Als Julian Brandt am Sonntag nach 73 gespielten Minuten mit zwei weiteren Spielern eingewechselt wird, gibt es Applaus, der allerdings auch den drei ausgewechselten Dortmunder Spielern gegolten haben könnte. Die Südtribüne ruft seinen Namen weniger inbrünstig als bei so manchem Kollegen. Das ist ein hörbares Indiz, wie schwierig die Phase ist, die Brandt gerade durchmacht.

Brandts BVB-Zeit könnte enden

Brandt ist mit Giovanni Reyna am längsten im Klub, beide stießen im Sommer 2019 zum BVB. Der Amerikaner zunächst zur U19, Brandt war seinerzeit, mit 23 Jahren, schon etablierter Bundesliga-Profi. Er hat schnell Fuß gefasst in Dortmund, trotz einiger Formdellen, vor denen wohl niemand gefeit ist. Und er ist eigentlich beliebt. Fußballerisch kann er auf dem Platz außergewöhnliche Dinge anstellen, dazu ist er redegewandt, offen, erfüllt jeden Autogramm- und Selfie-Wunsch. Vor zwei Jahren hat er seinen Vertrag verlängert, auch das honorieren die Fans. Brandt ist niemand, der heute hier, morgen dort ein Vereinswappen küsst.

Und doch wird allen Anzeichen nach in diesem Sommer eine Veränderung anstehen. Das wäre, wenn es so kommen sollte, die Konsequenz einer dramatischen sportlichen Abwärtsbewegung in dieser Saison. Das Vorhaben, ihn noch stärker in die Verantwortung zu nehmen, ist aus schwer zu identifizierenden Gründen gescheitert. Brandt ist einer der Vize-Kapitäne, er hat seit Sonntag 350 Bundesliga-Partien auf dem Buckel und einige Täler schon durchlaufen. So dramatisch und lang anhaltend wie in dieser Saison aber war die Talsohle noch nie.

Das hat zu einer bedenklichen Entwicklung geführt, die Brandts Leistungen für den BVB und seinem Können nicht gerecht wird. Als Trainer Niko Kovac in der vergangenen Woche vor dem Spiel gegen Barcelona Brandts Nicht-Berufung für die Startelf begründet, ihn ausdrücklich lobt und erklärt, dessen Stellenwert für die Borussia bleibe weiter hoch, geht es rund auf Social Media.

Julian Brandt in einem Zweikampf mit Kevin Stöger.
Gegen Gladbach wurde Julian Brandt nach 73 Minuten eingewechselt. © IMAGO/Jan Huebner

Jeder hat etwas zu sagen, dem Internet sei Dank findet heutzutage auch jeder eine Plattform und erlangt dadurch eine scheinbare Bedeutung. Jeder kann zu jedem Thema etwas beisteuern im Glauben, dass das auch jede Menge andere Menschen interessiert. Die Zahl der Experten, tatsächliche und vermeintliche, ist in die Höhe geschnellt. Früher haben sie an den Theken der Kneipen diskutiert, heute erreichen sie die ganze Welt.

Fruchtbare Diskussionen sind aber leider die Ausnahmen, auch in der um Julian Brandts anhaltende Formkrise dominieren die Hater. Beleidigungen überwiegen und finden teils weit unter der Gürtellinie statt. Da ist ein Bild von einem LKW-Kipper, der haufenweise Lach-Smileys auf die Erde schüttet als Antwort auf die stützenden Aussagen des Dortmunder Trainers, noch die harmloseste Reaktion.

BVB-Fans mit heftigen Hasskommentaren

Die anderen sind nicht nur weniger schön. Sie gehen unter die Haut. „Verkauft ihn endlich“, „Ich will den nicht mehr sehen“, das sind nur einige Posts, die man hier noch wiedergeben kann. Es gibt aber auch andere, weit jenseits des Erträglichen.

Brandt ist hoffentlich schlau genug, um die entsprechenden Plattformen zu meiden, weil er natürlich persönlich auch hautnah mitgemacht hat, was da so abgehen kann – davon verschont bleiben wird er sicher dennoch nicht. Die Kanäle, über die Hass-Nachrichten auch den entsprechenden Empfänger erreichen, sind vielfältig. Die Folgen sind Spiel für Spiel zu erkennen. Nicht nur seine Formkrise beschäftigt den Blondschopf, es ist auch die unverständliche Veränderung des Umgangs mit seiner Person.

„Echte Liebe“ war ein Slogan, der in seiner Einfachheit die enge Verbindung der „besten Fans der Liga“, wie Stadionsprecher Norbert Dickel Heimspiel für Heimspiel unermüdlich kundtut, zu ihrem Klub auf geniale Weise beschrieb. Sollte dazu nicht auch gehören, Spieler der eigenen Mannschaft bedingungslos zu unterstützen, ihnen zu helfen, wenn sie in einem so tiefen Loch stecken wie Julian Brandt?

Scheinbar ist das ein naiver Gedanke. Echte Liebe, sie scheint nur denen zuteil zu werden, die auch die in sie gesetzten Erwartungen regelmäßig erfüllen. Spieler müssen funktionieren. Gelingt das nicht, erkaltet die Liebe schnell. Und der Spieler wird zu einem austauschbaren Objekt. Doch noch spielt Julian Brandt für Borussia Dortmund. Und man kann ihm nicht vorwerfen, dass er nicht alles unternehmen würde, um sein Tief hinter sich zu lassen und diesem Klub weiter zu helfen. Mit jedem Hass-Post gegen Brandt schaden diese Fans also im Endeffekt dem Verein, den sie angeblich so lieben. Für diese Erkenntnisse müssten allerdings die, die solche Posts in die Welt setzen, mal vorher über die Konsequenzen nachdenken. Das ist wohl zu viel verlangt.

Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 22. April 2025.