Borussia Dortmund
Ex-BVB-Profi Sahin: „Eigentlich müsste ich mich bei jedem meiner Trainer entschuldigen“
Vom Spielfeld an die Seitenlinie: Nuri Sahin startet bei Antalyaspor seine Trainerkarriere. Nach dem BVB-Test sprach der 33-Jährige über neue Sichtweisen, alte Teamkollegen und einen Rat von Jürgen Klopp.
Vor dem Spiel, nach der Partie – es gab jede Menge innige Umarmungen für Nuri Sahin, echte Wiedersehensfreude, die zeigte, dass da einer zurückgekehrt ist, der Spuren hinterlassen hat bei Borussia Dortmund. „Selbstredend“ sei das ein besonderes Spiel, für ihn, aber auch für seine Mannschaft, meinte der 33-Jährige nach dem 1:1 im Testspiel zwischen Borussia Dortmund und Antalyaspor. „Ich wollte unbedingt, dass meine Spieler auch das Gefühl kennenlernen, gegen solche Spieler zu spielen.“
In einer kleinen Medienrunde sprach der Ex-Profi und heutige Trainer über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Sie haben den BVB vor vier Jahren verlassen. Haben Sie hier alles wiedererkannt?
Es war schön, mal wieder an unserem Trainingsgelände zu sein. Es hat sich schon einiges verändert, gefühlt ist es nochmal größer geworden. Ich habe mich gefreut, die Jungs mal wiederzusehen, mit allen zu quatschen, das Trikot und das Wappen zu sehen. Und gerade für meine jungen Spieler war es wichtig, das wollte ich unbedingt, dass sie wissen, wie es auf diesem Niveau so ist. Wir hatten vier interessante Testspiele, das waren alles keine schlechten Mannschaften.
Ihr Werdegang hat ja schon erahnen lassen, dass sie einmal auf die Trainerschiene wechseln würden. Kam es für Sie so plötzlich wie für uns?
Ja, klar. Ich wollte eigentlich das letzte Jahr in Antalya noch zu Ende spielen, dann die ersten Schritte machen. Dann kam aber das Angebot. Trainer und Sportdirektor haben mir gesagt, dass sie mich unbedingt haben wollten. Ich musste mich relativ schnell entscheiden und habe da ehrlich gesagt auch auf mein Bauchgefühl gehört. Wer mich kennt, der weiß, wenn ich etwas mache, dann gehe ich „all in“. Es war ein gewisses Risiko dabei, die Mannschaft stand damals ja nicht gut. Aber ich wollte das machen, ich wollte Einfluss darauf nehmen.
Interessanterweise war es bei Jürgen Klopp ja ähnlich. Am einen Tag noch Spieler, am nächsten Morgen Trainer. Haben Sie sich mit ihm darüber mal ausgetauscht?
Er war einer der wenigen Menschen außerhalb meiner Familie und meinem Berater, die ich um Rat gefragt habe. Er hat gesagt, mach es nicht. Nein, Quatsch (lacht). Er meinte, du bist ein guter Mensch, das wird klappen. Das war für mich der Anstoß, es zu machen.
Es war dann nicht unerwartet ja auch ein turbulentes Jahr …
Ja, ich habe in relativ kurzer Zeit einiges erlebt. Wir sind gut gestartet, dann hatten wir eine Phase, in der wir acht Mal in Serie nicht gewonnen haben. Da musste ich auch das ein oder andere Mal schlucken. Danach kam die Phase mit 16 Spielen ohne Niederlage. Wir haben gefühlt alle Rekorde gebrochen, die der Verein bis dahin hatte. Ich habe ein Finale um den Supercup verloren, jetzt habe ich gerade mein erstes Trainingslager beendet, meine erste Vorbereitung. Ich lerne jeden Tag, und es macht richtig Spaß.
Wir deutsche Medien sind ja sicher nicht immer einfach, die türkischen Kollegen können aber auch sehr bissig sein. Wie war das in der Phase, als Sie nicht gewonnen haben?
Auch in der Hinsicht versuche ich offen und ehrlich sein. Ich habe nichts zu verstecken. Aus meiner Sicht habe ich ein sehr gutes Verhältnis zu den Kollegen. Es war auch so, dass ich nicht nur in Antalya, sondern in der Türkei insgesamt mit offenen Armen empfangen worden bin. Wir leisten ehrliche Arbeit, und das tut gut, wenn man dann auswärts auch beklatscht wird. Das ist ja auch in der Türkei nicht überall üblich.
Es ist normal, dass man als Spieler nicht immer mit seinem Trainer einer Meinung ist. Können Sie heute so manche Entscheidung Ihrer Trainer besser verstehen?
(lacht) Zu tausend Prozent. Ich habe irgendwann auch zu meiner Frau gesagt, eigentlich müsste ich jeden meiner Trainer anrufen, mich für gewisse Situationen entschuldigen und sagen, jetzt verstehe ich dich. Ich war immer ein Teamplayer, dem es um die Mannschaft ging. Aber ich war sicher nicht immer ein einfacher Spieler, habe viel hinterfragt und wollte viel wissen. Es ist definitiv ein komplett anderer Beruf.
Wie ist denn der Trainer Nuri Sahin? Eine Mischung aus den besten Arbeitsweisen Ihrer Trainer?
Jeder Trainer muss seinen Stil finden. Ich sage immer, ich bin adaptiv. Wir müssen uns an die Gegebenheiten anpassen. Natürlich würde jeder gern Klopp-Fußball oder Guardiola-Fußball spielen lassen. Auch ich will gern, dass wir den Ball haben. Die Wahrheit ist aber, dass das gegen Borussia Dortmund nicht immer klappen wird. Also brauchen wir auch einen Plan gegen den Ball.
Aus dem Spieler wurde von heute auf morgen der Trainer Nuri Sahin (r.). © imago / Seskim Photo
Ist es für die Spieler etwas anderes, wenn der Trainer vielleicht sogar noch jünger ist als sie selbst?
Ich bin ein junger Trainer mit einem relativ erfahrenen Kader, sagen wir es mal so. Ich war da von Beginn an sehr ehrlich. Ich versuche jedem Spieler auf Augenhöhe zu begegnen und hatte bisher keine Probleme. Klar, ich muss Entscheidungen treffen, ich war Mitspieler und am nächsten Tag ihr Trainer. Und es können nur elf Spieler spielen.
Hilft es, dass Sie eine beachtliche Vita vorweisen können?
Im ersten Schritt hilft das. Aber wenn ich als Trainer keine Kompetenz habe, reicht das nicht, dass mein Name Nuri Sahin ist. Die Jungs wollen Qualität haben, sie wollen wissen, warum sie etwas wie machen sollen. Nur damit verdienst du dir den Respekt.
Wie sehen Sie den BVB aktuell?
Sie waren in München sehr reif – über 90 Minuten, was ja auch nicht immer der Fall war. Ich habe Schlotterbeck zum ersten Mal gesehen, das war richtig gut. Viele kenne ich, sie haben eine hohe Qualität. Der Spirit ist gut. Und es war ja keine einfache Vorbereitung, auch von meiner Seite noch die besten Genesungswünsche an Sebastien Haller. Ansonsten kenne ich Edin Terzic und Sebastian Kehl ja gut, ich weiß, da wird sehr akribisch gearbeitet. Ich hoffe und wünsche, dass es am Ende der Saison wieder voll wird am Borsigplatz.
Vielen ehemaligen Weggefährten begegnen Sie mittlerweile auf der anderen Ebene …
Ja, das ist schon cool. Ich hatte wegen des Tests viel Kontakt mit Sebastian Kehl, eben habe ich Lucas Barrios getroffen, der will ja auch Trainer werden. Zu Schmelle und anderen habe ich sowieso Kontakt, er war ja auch bei mir und hat bei uns hospitiert, war in allen Sitzungen und in der Kabine mit dabei. Die Jungs hatten große Augen, als er auf einmal da war. Die können alle jederzeit gern kommen (lacht). Ich lerne ja auch von ihnen. Auf jeden Fall wird man einigen weiter begegnen, und das ist sehr schön.
Trainer unter sich: Nuri Sahin (r.) und Edin Terzic. © imago / Kirchner-Media
Und irgendwann, war zu lesen, würden Sie auch gern den BVB trainieren …
Daraus mache ich ja kein Geheimnis. Aber Borussia Dortmund stellt niemanden als Trainer ein, weil er sagt, er würde das gern machen. Das wollen ja alle. Trainer des BVB zu werden, das muss man sich erarbeiten. Ich bin selbstbewusst genug. Ich weiß, dass ich Ahnung von dieser Materie habe und diesen Weg gehen kann. Aber nochmal: Durch Reden ist noch nie jemand Trainer geworden. Ich würde mich definitiv nicht dagegen wehren, wenn es dazu kommen würde. Aber weiß auch, dass es bis dahin noch ein langer Weg ist.
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