Erst die Euphorie, dann der Kater: Leipzig zeigt BVB-Schwächen gnadenlos auf

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Erst die Euphorie, dann der Kater: Leipzig zeigt BVB-Schwächen gnadenlos auf

rnBorussia Dortmund

Es sollte eine große Party werden, es entpuppte sich als erneuter Rückschlag. Im Topspiel zeigt Leipzig die BVB-Schwachstellen in aller Deutlichkeit auf. Individuelle Fehler ziehen Dortmund den Zahn.

Dortmund

, 02.04.2022, 21:13 Uhr / Lesedauer: 3 min

Zwei Jahre hatten sie auf diesen Moment warten müssen, doch als Borussia Dortmunds Spieler nach dem Abpfiff endlich wieder in Richtung ihrer vollbesetzten „Süd“ gingen, war nach einer gemeinsamen Feier niemandem zumute. 1:4 zeigte die Anzeigetafel, ein ernüchterndes Resultat an einem Tag, den alle herbeigesehnt hatten. Pfiffe und Applaus hielten sich die Waage, allein Jude Bellingham blieb noch länger stehen, der Rest der Mannschaft eilte schnell in die Kabine. In den 95 Minuten zuvor hatte eine beeindruckend aufspielende Leipziger Mannschaft die Schwächen der Borussia gegen den Ball gnadenlos ausgenutzt, es war ein auch in der Höhe gerechtes Endergebnis.

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Die Rückkehr der Fans, sie sorgte vor dem Anpfiff für eine elektrisierende Stimmung im weiten Rund des Signal Iduna Parks – und auf dem Rasen, wo Erling Haaland und Co. beinahe glückselig in die Kurve liefen, als sie zum Warmmachen aus den Katakomben kamen. Nach zwei Jahren mit mehr, weniger oder gar keinen Fans, und dem irgendwie zum Scheitern verdammten Versuch, das Fehlen dieser Power von den Tribünen so gut es ging zu kompensieren, zeugte die aufgeladene Stimmung schon vor dem Anpfiff von einer lange unerfüllten Sehnsucht. Endlich wieder „volle Hüte“, endlich wieder Fußball, wie man ihn vor der Pandemie wohl als zu selbstverständlich erachtet hatte.

Der BVB startet gegen Leipzig sehr griffig - bleibt aber torlos

Niemanden ließ dieser besondere Moment kalt. „Wir werden besser mit unseren Fans“, meinte Sebastian Kehl vor dem Spiel im Brustton der Überzeugung, Dortmunds künftiger Sportdirektor ahnte aber auch eine mögliche Gefahr, als er sagte: „Wir müssen aufpassen, dass wir da nicht überziehen und einen klaren Kopf bewahren.“

Wie sehr auch die Mannschaft selbst die Rückendeckung und den Antrieb von den Rängen vermisst hatten, zeigten dann die ersten Minuten. Der BVB begann sehr griffig, ließ sich mitziehen und fand zunächst auch die von Kehl eingeforderte Balance. Und hätte Marco Reus, der nach dem Traumpass von Mats Hummels frei auf RB-Torhüter Peter Gulacsi zulief, die Großchance zum 1:0 genutzt und selbst den Abschluss gesucht, anstatt den Ball quer und schlussendlich in den Rücken des mitlaufenden Erling Haaland zu legen, wäre dieses Stadion wohl förmlich explodiert (7.).

Reus und Haaland vergeben die frühe BVB-Führung gegen Leipzig

Haaland stand nicht ganz unerwartet dann doch in der Dortmunder Startelf, am Freitagabend hatte er erstmals mit den Kollegen trainiert und am Samstagmorgen endgültig Grünes Licht gegeben. Mit dem Norweger im Sturmzentrum und wie im Hinspiel einer Dreierkette, die Raphael Guerreiro als zusätzlichen Kreativspieler fürs Mittelfeld frei machte, begann der BVB konzentriert und zielstrebig – und hätte nach dem vielversprechenden Angriff von Reus wenig später erneut in Führung gehen können. Leipzigs Mohamed Simakan verschätzte sich nach einem Flankenversuch von Marius Wolf böse, Haalands Drehschuss aber strich knapp am RB-Tor vorbei (13.).

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Schon die Anfangsviertelstunde offenbarte aber auch die Risiken der taktischen Dortmunder Ausrichtung. Leipzig, eins der konterstärksten Teams der Liga, stellte sich immer besser auf das Spiel der Schwarzgelben ein – und profitierte dann von einem groben Fehler der Borussia. Emre Can vertändelte auf seiner rechten Seite leichtfertig den Ball gegen Konrad Laimer, ins Gegenpressing kam der BVB dann nicht. Und Laimer zog einen 40-Meter-Sprint an, sein Laufweg in den Dortmunder Strafraum war ebenso perfekt wie der Steilpass von Christopher Nkunku. Der Lupfer über Gregor Kobel krönte Laimers Aktion in dieser Szene, es stand 0:1 (21.).

Laimer schockt den BVB - bedrückende Stille im Stadion

Das war eine kalte Dusche für die Gastgeber, die sich sortierten, ziemlich schnell aber den nächsten Nackenschlag hinnehmen mussten. Wieder war Nkunku als Vorlagengeber beteiligt, seine Flanke wehrte Bellingham vor die Füße von Laimer ab, dessen Schuss von Can auch noch unglücklich abgefälscht wurde – 0:2 (30.). Die brodelnde Atmosphäre ebbte ab und wich einer bedrückenden Stille. Zur Pause gab es sogar vereinzelte Pfiffe, die sich aber eher gegen Schiedsrichter Marco Fritz richteten, der eine großzügige Linie fuhr, in den entscheidenden Situationen dabei aber richtig lag – auch beim harten Tackling von Gvardiol gegen Haaland an der Strafraumkante (39.).

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Mal wieder sah sich Marco Rose in der Halbzeit zu einer taktischen Umstellung gezwungen, er löste die Doppel-Sechs auf, stellte auf ein 4-3-3 um, öffnete damit Leipzig aber im Zentrum Raum für den Konter, der das Spiel entschied. Axel Witsel als nun alleiniger Sechser bekam ebenso wenig Zugriff auf den davonstürmenden Laimer wie im Abwehrzentrum Hummels, Manuel Akanji und Guerreiro, die dem RB-Kombinationsfußball nur hinterherschauen konnten. Am Ende legte Laimer mit der Hacke auf Nkunku ab, der platziert ins Eck abschloss und Kobel erneut keine Chance ließ (58.). Ein mustergültiger Konter, der alle Probleme der Borussia gegen diese homogene Leipziger Elf schonungslos aufdeckte.

BVB-Joker Malen sticht - doch Olmo antwortet direkt

Die Luft war raus nach diesem Tor. Rose reagierte mit zwei Doppelwechseln, den Willen mochte man niemandem absprechen, und immerhin zahlte der BVB durch das 1:3 von Donyell Malen dem enttäuschten Anhang für die Unterstützung noch ein bisschen zurück (85.). Zu einer nachhaltigen Wende taugte das Tor nicht – auch weil Dani Olmo mit einem trockenen Schuss aus 20 Metern in den Winkel die perfekte Antwort parat hatte (86.).