Elf von elf Borussen im EM-Achtelfinale - Fluch und Segen für den BVB

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Elf von elf Borussen im EM-Achtelfinale - Fluch und Segen für den BVB

rnBorussia Dortmund

Eine ganze Elf hat Borussia Dortmund zur Europameisterschaft geschickt. Alle elf Profis haben den Sprung ins Achtelfinale geschafft. Für den BVB ist das Fluch und Segen zugleich.

Dortmund

, 25.06.2021, 06:30 Uhr / Lesedauer: 4 min

Axel Witsels Comeback, Jude Bellinghams Sechs-Tage-Rekord, das Drama um Thomas Delaneys Teamkollegen Christian Eriksen, die Reservistenrolle Jadon Sanchos und das Auf und Ab der deutschen Mannschaft um Abwehrchef Mats Hummels – in der gerade beendeten Gruppenphase der Fußball-Europameisterschaft standen nicht selten Profis von Borussia Dortmund im Blickpunkt.

Das ist die EM-Zwischenbilanz der elf BVB-Profis

Als die Schweiz Torhüter Gregor Kobel nachnominierte, war die gesamte BVB-Elf bei der EM perfekt. Und alle elf Borussen-Profis, der bisherige Stuttgarter Keeper Kobel wird offiziell am 1. Juli zum Dortmunder Spieler, buchten mit ihren Nationalteams das Achtelfinal-Ticket. Aber die Zwischenbilanz der einzelnen Schwarzgelben fällt sehr unterschiedlich aus:

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Die EM-Gruppenphase der BVB-Spieler in Bildern

Elf BVB-Spieler wurden für die EM 2020 nominiert, nach der Gruppenphase sind alle noch dabei. Das sind die ersten drei Spieltage der BVB-Nationalspieler in Bildern.
24.06.2021
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Im ersten Gruppenspiel gegen Russland (3:0) wurde der Belgier Thomas Meunier früh eingewechselt. Der Verteidiger traf prompt zum 2:0 und legte das 3:0 für Romelu Lukaku (r.) auf.© dpa
Auch in den anderen beiden Gruppenspielen stand Meunier auf dem Platz: Gegen Dänemark (im Bild) 90 Minuten, gegen Finnland eine Viertelstunde.© dpa
Beim 2:1-Sieg gegen Dänemark traf Thorgan Hazard für Belgien zum Ausgleich.© dpa
Gegen Russland (im Bild) spielte Hazard, wie gegen Dänemark, über 90 Minuten, gegen Finnland saß er das ganze Spiel auf der Bank.© dpa
Im zweiten Gruppenspiel gegen Dänemark feierte Axel Witsel sein Comeback. Der Belgier wurde nach seinem Achillesssehnenriss im Januar für eine halbe Stunde eingewechselt.© dpa
Gegen Finnland stand Witsel im dritten Spiel gleich über 90 Minuten auf dem Platz.© picture alliance/dpa
In allen drei Gruppenspielen der Schweiz stand (oder saß) Manuel Akanji auf dem Platz. © dpa
Neben dem Fußballfeld sorgte Akanji mit zwei Mitspielern (unter anderem Granit Xhaka, links) für Diskussionen, weil sie sich von einem extra eingeflogenen Friseur blondieren ließen.© dpa
Dänemarks Thomas Delaney war beim bisher größten Schockmoment der EM 2020 mittendrin. Delaney (Nummer acht) bildet mit seinen Mitspielern einen Sichtschütz für den während des Spiels zusammengebrochenen Christian Eriksen.© dpa
Delaney jagte in allen drei Gruppenspielen dem Ball hinterher. Gegen Russland (im Bild) wurde er aber erst eingewechselt.© dpa
Der Engländer Jude Bellingham wurde durch seine Einwechslung gegen Kroatien (im Bild) mit 17 Jahren und 349 Tagen (kurzzeitig) der jüngste EM-Spieler der Geschichte.© dpa
Auch, wenn sein Alters-Rekord nur sechs Tage später vom Polen Kacper Kozlowski gebrochen wurde, hat Bellingham gutlachen. Auch im letzten Gruppenspiel gegen Tschechien wurde der 17-Jährige eingewechselt, gegen Schottland saß er nur auf der Bank.© dpa
Lange musste sich Jadon Sancho nur mit dem Training begnügen. Im ersten England-Spiel war er nicht einmal im Kader, im zweiten zumindest auf der Bank, aber wurde nicht eingewechselt.© dpa
Im letzten Gruppenspiel gegen Tschechien durfte Sancho dann endlich ran. Sechs Minuten vor Schluss wurde er eingewechselt.© imago images/Paul Marriott
Raphael Guerreiro hatte in der Gruppenphase gleich mehrere Gründe zur Freude. In allen Spielen spielte der Portugiese über die volle Distanz und gegen Ungarn erzielte er das 1:0.© dpa
Allerdings war das Spiel gegen Deutschland ein kleiner Stimmungskiller für Guerreiro. Er traf unglücklich zum 1:2 ins eigene Tor.© dpa
Emre Can durfte für Deutschland im ersten Gruppenspiel gegen Frankreich zwei Minuten spielen, gegen Portugal waren es dann immerhin schon 28.© picture alliance/dpa
Gegen Ungarn durfte Can dann aber gar nicht spielen. Seine EM-Bilanz ist bisher eher ernüchternd.© doa
Mats Hummels' EM-Gruppenphase hatte Licht und Schatten. Gleich im ersten Spiel mit Deutschland gegen Frankreich passierte ihm ein Eigentor zum 0:1-Endstand.© dpa
Dafür stand Hummels in allen drei Gruppenspielen von Anfang an auf dem Rasen und spielte zweimal durch.© dpa

Mats Hummels: Sein Comeback im Nationalteam startete fast schon tragisch, als sein unglückliches Eigentor das Duell mit Frankreich entschied. Der Abwehrchef schüttelte zwar den Frust aus dem Trikot, doch er kämpfte auch gegen Ungarn mit seiner Form. Womöglich auch, weil ihn anhaltende Kniebeschwerden behinderten, die ihn schon nach bis dahin sehr solider Leistung gegen Portugal nach einer Stunde zur Auswechslung gezwungen hatten. Aber: Hummels lieferte den Assist zum zwischenzeitlichen 1:1 gegen Ungarn. Gegen die englische Offensivpower im Achtelfinale dürfte ein fitter Mats Hummels für die deutsche Abwehr vonnöten sein.

Emre Can: Der zweikampfstarke Dortmunder kommt bislang über die Reservistenrolle im DFB-Team nicht hinaus. Nur 32 Einsatzminuten stehen bislang auf seinem EM-Konto. Gibt es keinen verletzungsbedingten Ausfall, wird Löw weiterhin nur dosiert rotieren und Can somit weiter mit der Ersatzbank Vorlieb nehmen müssen.

Manuel Akanji: Die vollen 270 Minuten spielte der Innenverteidiger für die Schweiz in der Gruppenphase, Akanji zählt zu den 88 Dauerbrennern des EM-Turniers, die bislang keine Sekunde auf dem Rasen verpasst haben. Gegen Wales zum Auftakt glänzte er, beim 0:3 gegen Italien erwischte er einen schwachen Abend, gegen die Türkei agierte er ordentlich. Die Feuerprobe für Akanji kommt jetzt im Achtelfinale: Weltmeister Frankreich rollt mit den Herren Mbappe, Griezmann und Benzema auf die Schweizer Defensive zu. Abseits des Platzes sorgte er mit einer neuen Frisur für Aufregung.

Gregor Kobel: Die neue Nummer eins des BVB ist als Nummer drei der Schweizer nachgerückt und als Reservist nur für den Notfall eingeplant. An Stammkraft Yann Sommer (Mönchengladbach) ist für den 23-Jährigen noch kein Vorbeikommen.

Raphael Guerreiro: Der Portugiese absolvierte alle drei Spiele über die volle Distanz – und vor allem sein Start verlief verheißungsvoll: Gegen Ungarn war er als Linksverteidiger eine der spielbestimmenden Figuren und erzielte ein Tor. Gegen Deutschland traf er auch – allerdings ins eigene Netz. Beim 2:2 gegen Frankreich konnte er keine prägende Rolle einnehmen.

Axel Witsel: „Ich habe fünf Monate lang sehr gekämpft, auch mental. Aber ich hatte ein gutes Umfeld und am Ende haben wir es gemeinsam geschafft“, erklärte der Belgier nach seinem Comeback. 159 Tage nach seinem Achillessehnenriss im Januar, im Spiel des BVB gegen Leipzig, kehrte Witsel auf die Fußballbühne zurück. 122 EM-Spielminuten stehen für den Mittelfeldstrategen zu Buche. Da er bewiesen hat, dass er fit und voll belastbar ist, dürfte er für das Achtelfinale in der Startelf gesetzt sein.

Thorgan Hazard: Ein Tor, ein Assist, 179 Minuten gespielt, der dribbelstarke Borusse hatte maßgeblich Anteil an der erfolgreichen Gruppenphase der belgischen Mannschaft. Hazard musste zwar im letzten Gruppenspiel gegen Finnland aussetzen, ein Schlag aufs Knie verhinderte seinen Einsatz. Der 28-Jährige kehrte aber am Donnerstag ins Training zurück, er dürfte also im Achtelfinale gegen Portugal mitwirken können.

Thomas Meunier: Im ersten EM-Spiel der Belgier gegen Russland rieben sich BVB-Fans verwundert die Augen: War das wirklich Meunier, der da so stark auftrumpfte? Im Dortmunder Trikot hatte er schließlich eine schwache Saison hinter sich, hatte die Erwartungen nicht einmal im Ansatz erfüllen können. Gegen Russland aber brannte der Rechtsverteidiger, als er plötzlich aufgrund einer Verletzung Castagnes seine Chance erhielt – traf selbst und legte einen Treffer auf. In allen drei Partien der Belgier wirkte Meunier mit. Nicht ohne Fehl und Tadel, aber insgesamt ordentlich.

Thomas Delaney: Das Drama um seinen Teamkollegen Christian Eriksen erlebte Delaney hautnah mit, er schirmte mit seinen Mitspielern die Rettungskräfte ab, die Eriksen auf dem Rasen wiederbelebten. Im dänischen Team zählt der Mittelfeldkämpfer längst zu den Führungsfiguren, in allen drei EM-Gruppenspielen ordnete er in der Zentrale die Ballverteilung. Und er zählte zu den treibenden Kräften, die Dänemark dank einer Energieleistung mit einem 4:1 gegen Russland noch ins Achtelfinale hievten. Dort wartet nun gegen Wales sogar eine lösbare Aufgabe auf „Danish Dynamite“.

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Jude Bellingham: Sein erster EM-Einsatz für England war gleich ein historischer Moment. Denn als Jude Bellingham gegen Kroatien eingewechselt wurde, avancierte er damit zum jüngsten Spieler, der je bei einer Europameisterschaft gespielt hat. Mit 17 Jahren und 349 Tagen. Allerdings hielt diese Bestmarke nur sechs Tage: Der Pole Kacper Kozlowski (17 Jahre, 246 Tage) setzte gegen Spanien den neuen Altersrekord. Sei es drum, Bellingham durfte bei zwei Kurzeinsätzen über zusammen 33 Minuten sein Potenzial andeuten, seine Stammkraft-Zeit in der englischen Elf wird bei späteren Turnieren gewiss noch kommen.

Jadon Sancho: Sieben Minuten gegen Tschechien, das war’s. Sanchos EM-Abenteuer ist bislang eine einzige Enttäuschung. Anstatt seine beim BVB jüngst häufig genug bewiesene Glanzform auch für die „Three Lions“ einbringen zu dürfen, muss der Tempodribbler auf der Bank schmoren. Oder sogar weiter oben auf der Tribüne. Nationalcoach Gareth Southgate zieht in der (bislang lahmen) Offensive die Spieler aus den englischen Topklubs vor. Ob Sancho seine Kunst ausgerechnet im Achtelfinale gegen seinen BVB-Kollegen Mats Hummels von Anfang an zeigen darf? Eher unwahrscheinlich.

Acht BVB-Profis könnten es ins Viertelfinale schaffen

Auf die elf Borussen warten nun die Duelle in der K.o.-Runde. Klar ist schon jetzt: Aufgrund der Spielpaarungen können es maximal acht BVB-Profis ins Viertelfinale schaffen – und mindestens drei werden es sicher packen. Für die Borussia bedeutet das Fluch und Segen zugleich. Denn erfolgreiche EM-Auftritte der Profis steigern Marktwert und Selbstvertrauen. Aber jedes Spiel mehr erhöht die Belastung – und torpediert vor allem die Vorbereitung auf die neue Saison des BVB.

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Schon jetzt ist sicher, dass keiner der elf Nationalspieler zum Trainingsauftakt am 1. Juli in Dortmund erwartet werden kann. Die Achtelfinals sind erst am 29. Juni beendet, und für die Profis beginnt frühestens dann der Sommerurlaub. Legt man zwei bis drei Wochen Urlaub und Regeneration zugrunde, dürfte das Gros der Internationalen erst zum Trainingslager in Bad Ragaz (23. bis 31. Juli) zum Kader des neuen Cheftrainers Marco Rose stoßen.

Im August beginnt für den BVB schon die Saison

Eine Woche nach der Rückkehr aus der Schweiz wartet schon die erste Runde im DFB-Pokal auf Titelverteidiger Borussia Dortmund, der über drei Wochen seinen Vorbereitungskader aufgrund der EM-Erfolge seiner Profis mit Aushilfen aus dem eigenen Talenteschuppen, der U23 und der U19, auffüllen muss.