Noch 90 Minuten bis zur 09. Deutschen Meisterschaft: Borussia Dortmund steht nur noch einen Schritt davon entfernt, eine absolut verrückte Saison mit dem Titel zu beenden. Verdient wäre dieser Triumph nüchtern betrachtet, weil die Mannschaft von Trainer Edin Terzic dann die meisten Punkte gesammelt hat. Und emotional, im schwarzgelben Land immer eine wichtige Komponente, wäre Platz eins in der Bundesliga die Belohnung für eine Spielzeit, in der der BVB eine Fülle an (teils selbst eingebrockten) Widerständen überwunden und passende Antworten gefunden hat. Der BVB spielt sicher nicht die beste Saison seit dem bis dato letzten Titel vor elf Jahren. Aber er zeigt ungeahnte Comeback-Qualitäten - und wird ein nerviges Dauerthema los.
Ein BVB-Team mit Tücken und Schwächen
Es gab ja empfindliche Tiefschläge, an denen eine Mannschaft auch hätte zerbrechen können. In der Rückrunde etwa die Auswärtsspiele in Bochum, Stuttgart oder Gelsenkirchen mit ihren speziellen Pointen. Es gab sportliche Tiefpunkte wie die beiden Niederlagen in Wolfsburg und Mönchengladbach im grauen November 2022. Da herrschte Trauerstimmung. Es gab eine menschliche Tragödie wie die Krebserkrankung von Rekordeinkauf Sebastien Haller, bevor der Neuzugang auch nur eine Minute für Borussia Dortmund gespielt hatte. Und das wären nur die offenkundigsten Situationen, die der BVB tatsächlich gemeistert hat.
Ist das Thema „Mentalität“ rund um den BVB seit Jahren ein Rotes Tuch, muss man Terzic und seinem Team sehr hoch anrechnen, wie diese Gruppe sich immer wieder zurückgekämpft und von Neuem motiviert hat. „Wir sind Borussen, wir stehen immer wieder auf“ – das hätte in den vergangenen Jahren nicht oft als Beschreibung für den schwarzgelben Kader gepasst. Doch Terzic und Sportdirektor Sebastian Kehl haben entscheidende Schritte eingeleitet auf dem Weg zu einer neuen Leistungskultur. Ja, ihre Truppe ist eine Mannschaft, die ihre Tücken und Schwächen hat, die Fans wie Funktionäre mehrfach der Verzweiflung nahebrachte. Und die doch ein ums andere Mal mit Charakter und Ehrgeiz die passende Reaktion gezeigt und auf, teilweise eigenverschuldete, Rückschläge reagiert hat.
BVB kämpft gegen Widerstände an
Ernsthafte Zweifel am Titelpotenzial, an der grundsätzlichen Befähigung der Belegschaft, sind selten aufgekommen. Berechtigte Skepsis an der nötigen Gier, am x-Faktor Willenskraft, hingegen schon, seit Jahren und immer wieder. Diese Vorwürfe hat der BVB zum Ende der Spielzeit nun nachdrücklich (und nachhaltig?) entkräftet. Wer die innig jubelnden Borussen auf dem Rasen oder im Kabinentrakt in Augsburg erlebt hat, kann nur zu dem Schluss kommen: Im Kampf gegen alle Widerstände und Anfechtungen hat sich eine Mannschaft gebildet, die allein für ihre Stehauf-Qualitäten einen Titel verdient hätte. Dass sie sportlich weit davon entfernt war, eine rundum perfekte Saison gespielt zu haben, gerät dabei zur Nebensache.
Der BVB hat keine grandiose Saison gespielt, das wissen auch die Borussen. Aber sie haben viele Pluspunkte gesammelt. Wenn das für die Deutsche Meisterschaft reicht, dann ist sie auch gerechtfertigt. Und nach dem „Wie“ fragt im Fall der Fälle spätestens am Samstag um 17.20 Uhr niemand mehr.
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