Der BVB kann drei Spieltage vor Saisonschluss noch Deutscher Meister werden. Doch spätestens nach der Derby-Pleite ersticken viele Fragen rund um die Schwarzgelben jede Euphorie. Wie lauten die Antworten von Trainer Favre?

Dortmund

, 01.05.2019, 18:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Keine Frage: Lucien Favre steht vor kniffligen Entscheidungen. Das Derby steckt allen Borussen in den Knochen, sein Kapitän ist rotgesperrt - und mit dem Spiel bei Werder Bremen wartet die nächste Hürde. Wir beleuchten vier Bereiche, in denen der Trainer Lösungen liefern muss.

1.) Motivation: Dass die Borussia in Lucien Favre keinen Motivationskünstler vom Schlag Jürgen Klopps verpflichtet hat, war schon bei seiner Vorstellung im Juni 2018 klar. Favres Qualitäten liegen in anderen Bereichen. Er überzeugt durch sachliche Analysen, er denkt und arbeitet Fußball. 24 Stunden am Tag. Gegnervorbereitungen sollen selten zuvor so intensiv, so detailliert gewesen sein. Das ist seine Stärke.

Angeknackste Psyche

Ein Einpeitscher wird Favre nie werden, dazu müsste er sein Naturell verleugnen. Auch rhetorisch fehlen ihm die Grundvoraussetzungen, um allein mit einer beschwörenden Ansprache seine Spieler zu kitzeln. Genau das könnte aber nun gefordert sein. Doch Favre ist eher der Typ „nüchterner Pragmatiker“. Und so bereitet er seine Spieler auch auf den nächsten Gegner vor.

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Die Gefahr ist groß, dass das Derby für einen Knacks gesorgt hat, die Sorge nicht gering, dass die Spieler jetzt auf eine andere Art gekitzelt werden müssen. Ihm bleiben wenige Tage und als Basis das 1:1 der Bayern in Nürnberg, um die angeknackste Psyche zu stabilisieren und eine „Jetzt-erst-Recht-Mentalität“ aufzubauen.


  • Diese Frage muss Favre beantworten: Welche Spieler besitzen nach der 2:4-Pleite die mentale Stärke, um auch beim schweren Gang im Weserstadion zu bestehen?



2.) Frische: Die Zahlen widerlegten Axel Witsel, auch die Verantwortlichen wollten die Einschätzung des Mittelfeld-Strategen gerne schnell wieder einkassieren. Doch vermutlich lag der Belgier mit seinem Befund einer gewissen „Müdigkeit“ nach dem Spiel gegen den FSV Mainz 05 vor zwei Wochen nicht falsch. Witsel suchte nach Erklärungen, überlegte laut, ob hartes Training der Grund für den Einbruch bei dem Spiel damals gewesen sei.

Muss beim BVB als Leader vorangehen: Axel Witsel.

Muss beim BVB als Leader vorangehen: Axel Witsel. © Rehbein/Kirchner

Tatsächlich wirken beim BVB die Beine schwer. Ob das am steigenden Druck im Liga-Endspurt liegt, an einer langen Saison nach der WM in Russland und bereits 42 Saisonspielen allein mit dem Klub oder schlicht an fehlender Frische: Die Dortmunder Profis erwecken nicht den Eindruck, als könnten sie noch zulegen. „Es sind noch viele Spiele“, sagte Thomas Delaney vor zehn Tagen in Freiburg. Auf den Einwand, es seien doch nur noch vier Partie zu bestreiten, antwortete er bezeichnend: „Zu diesem Zeitpunkt der Saison sind vier Spiele viele Spiele.“ Den Ritt durch drei Wettbewerbe waren nur wenige Borussen gewöhnt. Das macht sich jetzt bemerkbar.


  • Diese Frage muss Favre beantworten: Welcher seiner Spieler kann noch an oder über seine Grenzen gehen?



3.) Tempo: Im Verlauf der Rückrunde ist Dortmund die Geschwindigkeit im eigenen Spiel bisweilen abhandengekommen. Das liegt auch daran, dass sich die Gegner auf die BVB-Spielweise eingestellt haben. Sie stehen tief, überlassen dem BVB dort, wo es wenig wehtut, den Ball. Dortmunds offensive Außen werden zudem oft gedoppelt, Überzahl auf der Seite ist selten geworden.

Diese Fragen muss BVB-Trainer Lucien Favre im Titel-Endspurt beantworten

In Jadon Sancho bleibt ein einziger Spieler, der mit seinen Dribblings außen Eins-gegen-Eins-Situationen gewinnen kann. Raphael Guerreiro, dem Favre auf der anderen Seite vertraut, zieht gerne früh in die Mitte. Gegner überspielt er zumeist durch Kombinationen.


  • Diese Frage muss Favre beantworten: Soll er die frei gewordene Position durch die Reus-Sperre eher mit Götze/Alcacer besetzen? Oder wählt er eine unerwartete Variante mit Pulisic oder Dahoud?



4.) Standards: 18 Gegentore nach ruhenden Bällen sind ein katastrophaler Wert. Die Fehler wiederholen sich seit Monaten. Torhüter Roman Bürki, der die Bälle immer wieder aus dem Netz holen muss, wirkte nach der Derby-Niederlage beinahe resignierend. „Darüber rege ich mich nicht mehr auf. Das ist mir die Energie nicht wert“, sagte der Schweizer. „Wir als Spieler haben immer wieder Argumente gebracht, dass wir vielleicht etwas ändern müssen und haben auch den Trainer einbezogen. Aber irgendwann gehen uns die Argumente aus.“ Was nutzt Strategie, wenn immer wieder individuelle Fehler (Diallo, Witsel, Akanji, Zagadou) alle bisherigen Bemühungen konterkarieren.

Im Derby kassierte der BVB gleich drei Treffer nach Standardsituationen.

Im Derby kassierte der BVB gleich drei Treffer nach Standardsituationen. © Rehbein/Kirchner

Favre hatte seine Vorgehensweise mit einer Mischung aus Raum- und Manndeckung giftig gerechtfertigt („Wir verteidigen wie 99 Prozent aller Mannschaften.“), doch er und sein Co-Trainer Manfred Stefes bekommen keine Sicherheit bei Standardsituationen hergestellt. Länger machen kann der Trainer die Spieler nicht.


  • Diese Frage muss Favre beantworten: Was kann er noch tun, um die Standard-Schwäche in der Defensive abzustellen?