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Der BVB holpert dem Saisonstart entgegen - Guerreiro vor Rückkehr
Borussia Dortmund
Der BVB holpert durch die Vorbereitung. Verletzte Spieler, keine Abwehr, neun EM-Nachzügler - und der Malen-Transfer wird zum Geduldsspiel. Marco Rose steht vor einem Berg von Problemen.
Auch nach der nächsten Testspielniederlage, die man durchaus erwarten konnte angesichts der schon bizarren Rahmenbedingungen der diesjährigen Sommervorbereitung, versuchte Marco Rose positive Dinge zu benennen. „Eine Menge Energie“ habe er gesehen, sagte er, „Dinge, die wichtig und gut sind für unser Spiel“ und „gute erste drei, vier Minuten“, nach denen seine Mannschaft dann aber „zu unsauber“ geworden sei in ihren Aktionen. Das war eine durchaus bemerkenswerte Formulierung, denn Rose ließ damit durchblicken, dass ihm das Verhältnis von vier guten zu 86 teils sehr schwachen Minuten natürlich nicht gefallen hatte. Auch nicht, wenn man die besonderen Bedingungen dieser ersten drei Vorbereitungswochen als mildernde Umstände gelten lassen kann.
BVB-Personalsituation nimmt dramatische Züge an
Rose ist nicht der erste Dortmunder Trainer, der in seiner ersten Sommer-Vorbereitung keine guten Ergebnisse einspielt. Das ist in einer Phase der Findung und des sich aneinander Gewöhnens auch zweitrangig. Doch die Probleme und Widrigkeiten für den neuen Dortmunder Coach türmen sich mittlerweile zu einem riesigen Berg auf. Die Hoffnung, mit dieser schmalen Basis gut in die Saison starten zu können, sie steht zweifelsohne auf tönernen Füßen.
Zwei Wochen vor dem Erstrunden-Pokalspiel beim Drittligisten SV Wehen Wiesbaden spitzt sich die ohnehin schon dramatische Personalsituation nach dem Test gegen Bilbao noch einmal deutlich zu. Giovanni Reyna verpasste dieses Spiel, weil während des Aufwärmens Oberschenkel-Probleme auftraten. Er hoffe, so Rose, „dass wir da noch rechtzeitig reagiert haben.“ Marius Wolf musste nach einem harten Einsteigen mit dick bandagiertem Sprunggelenk von zwei Physios beim Verlassen des Innenraums gestützt werden, auch Mahmoud Dahoud bekam bei einem rüden Einsteigen von Mikel Vesga die Härte der Spanier zu spüren. Und dann erwischte es auch noch Youngster Jamie Bynoe-Gittens.
Athletic Bilbao zeigt dem BVB seine Grenzen auf
Borussia Dortmund humpelte dem Spielende entgegen, auch die nicht sichtbar angeschlagenen Spieler kämpften vergeblich gegen einen sehr robusten und spielstarken Gegner, der nicht nur den auf diesem Niveau unerfahrenen U23- und U19-Spielern die Grenzen aufzeigte. Schon vor den am Sonntag stattfindenden Untersuchungen der vier angeschlagenen Spieler mutmaßte Rose, „dass uns vielleicht einige länger fehlen werden.“
Dass in der kommenden Woche für die meisten EM-Fahrer der Urlaub endet, verbessert die Lage nur auf mittelfristige Sicht. Raphael Guerreiro traf am Samstag aus seiner Heimat Lorient kommend wieder in Dortmund ein, er reist am Sonntag an. Am Dienstag werden Emre Can und Mats Hummels in Bad Ragaz erwartet, am Donnerstag folgen die drei Belgier und Manuel Akanji. Hummels ist aus dem Kreis der Verletzten und Rekonvaleszenten das prominenteste und größte Sorgenkind. Ein Saisonstart ohne den Abwehrchef ist längst mehr als nur ein Droh-Szenario.
Das Warten auf Sancho-Nachfolger Donyell Malen geht weiter
Dazu kommt die wochenlange Hängepartie um den designierten Nachfolger für Jadon Sancho, bei der es erst in den vergangenen Tagen einen Durchbruch gegeben hat. Donyell Malen wird nun am Sonntag oder Montag in Bad Ragaz erwartet. Ins Training dürfen der Neue und alle Rückkehrer erst nach zwei erfolgten (und negativen) Corona-Tests und der obligatorischen Leistungsdiagnostik einsteigen. Das dauert noch einmal zwei, drei Tage. „Wenn sie dann da sind“, so Rose, „müssen wir sie irgendwo abholen, wo die anderen nicht mehr sind.“ Die Nachzügler physisch so schnell wie möglich auf ein akzeptables Niveau zu bringen und sie mit dem Rest der Gruppe zu vereinen, ohne das Verletzungsrisiko in nicht vertretbare Höhen schnellen zu lassen, verlangt vom Trainer-Stab jede Menge Fingerspitzengefühl.
Und da ist dann noch gar nicht die Rede davon, dass ein neuer Torwart sich mit seinen Vorderleuten einspielen muss, dass der neue Trainer seine Fußball-Philosophie der großen Gruppe wohl erst in der letzten Vorbereitungswoche vermitteln kann und dass die Abwehr mit derzeit drei verletzten Innenverteidigern einem Scherbenhaufen gleicht. Rose hat gar nicht so viel Kitt in der Werkzeugkiste, um all die Einzelteile zusammenzufügen.
BVB-Trainer Marco Rose übt sich in demonstrativer Gelassenheit
Borussia Dortmunds neuer Trainer übt sich dennoch in demonstrativer Gelassenheit. Es gebe kein Jammern, sagte Rose nach dem Spiel in St. Gallen, „wir wussten um die besonderen Herausforderungen in diesem Sommer.“ Das ehrt ihn. Rose hat viel zu Grübeln in diesen Tagen im Trainingslager, die Probleme sind gewaltig. Dass die Arbeit an Lösungen sich bis in die Saison hinein erstrecken wird, hat der 44-Jährige unlängst zugegeben. Es könnte stark holpern beim BVB in den ersten Wochen, ein Stolpern kann sich Borussia Dortmund dabei nicht erlauben.
Dirk Krampe, Jahrgang 1965, war als Außenverteidiger ähnlich schnell wie Achraf Hakimi. Leider kamen seine Flanken nicht annähernd so präzise. Heute nicht mehr persönlich am Ball, dafür viel mit dem Crossbike unterwegs. Schreibt seit 1991 für Lensing Media, seit 2008 über Borussia Dortmund.
