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Das sind die Gewinner und Verlierer nach einer turbulenten Hinrunde beim BVB
Borussia Dortmund
Der BVB rangiert zu Weihnachten sieben Punkte hinter Platz eins, die Hinrunde glich einer Achterbahnfahrt. Verlierer sind schnell gefunden, die Suche nach Gewinnern ist schwieriger.
Das sind die Verlierer beim BVB:
Jacob Bruun Larsen: Der 21 Jahre alte Däne hat eine Hinrunde zum Vergessen hinter sich. Das Eigengewächs, auf das sie bei Borussia Dortmund in der vergangenen Saison ziemlich stolz waren, weil mal wieder ein Spieler aus der eigenen Talentschmiede den Sprung zu den Profis gepackt hatte, ist in der Rangordnung deutlich zurückgefallen.
Aus einem der Lieblingsschüler des Lucien Favre ist einer der Bankdrücker unter Favre geworden. In Hoffenheim durfte der Offensiv-Allrounder zwar mal wieder 45 Minuten ran, aber unter dem Strich bleibt die Erkenntnis, dass Bruun Larsen den erhofften nächsten Schritt in dieser Saison nicht gegangen ist, sondern mindestens einen Schritt zurück verkraften muss.

Jacob Bruun Larsen kam in der Hinrunde auf nur wenige Spielminuten. © Kirchner-Media
Allein die nackten Zahlen beschreiben, wie schlecht es sportlich um den Dänen bestellt ist. 158 Pflichtspielminuten stehen für Bruun Larsen zum Weihnachtsfest auf der Uhr, darunter ein einziger Startelfeinsatz und nur eine Torbeteiligung.
Der Außenbahnspieler war bislang kein wesentlicher Faktor in der BVB-Offensive. Das sah in der vergangenen Saison noch anders aus: Damals kam Bruun Larsen zur Winterpause auf 949 Pflichtspielminuten, drei Tore und zwei Vorlagen. Trennung in diesem Winter? Nicht unwahrscheinlich!
Mahmoud Dahoud: Auch Dahoud zählte mal zu Lucien Favres Lieblingsschülern. Damals in Gladbach, als ihn der Schweizer zum Bundesliga-Spieler werden ließ. Doch in Dortmund zählen andere Maßstäbe - und in Dahouds dritter Saison im BVB-Trikot verfestigt sich der Eindruck, dass diese Ehe keine glückliche mehr wird.
Achtmal stand der Mittelfeldspieler, der mit dem Ball so viel kann und gegen den Ball immer wieder große Probleme aufblitzen lässt, in dieser Saison auf dem Platz. Immerhin dreimal durfte er sich von Beginn an beweisen, nachhaltig für sich werben konnte er nie.

Mahmoud Dahoud stand in dieser Saison acht Mal auf dem Platz. © Kirchner-Media
Dabei war die Hoffnung bei den Verantwortlichen vor der Saison groß, dass Dahoud endlich den nächsten Entwicklungsschritt gehen würde. Er hatte eine gute U21-Europameisterschaft gespielt - und er war auf dem Papier der einzige „Achter“ im Dortmunder Edelkader.
Ein halbes Jahr später ist in Julian Brandt ein neuer Achter gefunden - und Dahouds Aussichten auf Spielzeit sind nach zweieinhalb Jahren beim BVB vielleicht so schlecht wie noch nie. Es deutet vieles darauf hin, dass Dahouds Vertrag, der noch bis 2022 läuft, ein vorzeitiges Ende findet. Vielleicht schon in diesem Winter, wahrscheinlich aber spätestens im kommenden Sommer.
Mario Götze: Natürlich könnte hier auch der Name Paco Alcacer, der im Laufe der Hinrunde deutlich an Wert verloren hat, auftauchen. Oder der von Marcel Schmelzer, der mittlerweile fast keinen sportlichen Wert für den BVB mehr besitzt. Aber am Ende wird man das Gefühl trotzdem nicht wirklich los, dass vor allem Mario Götze einer der großen Verlierer bei Borussia Dortmund in der Hinrunde war.
Nach einer guten Rückrunde in der Vorsaison, als die Hoffnung groß war, dass Götze wieder ein ganz entscheidendes Puzzlestück beim BVB sein würde, steht nach dieser Hinrunde vermutlich die Erkenntnis, dass es aktuell lediglich zum Lückenfüller reicht. Nur sechsmal stand Götze in der Hinrunde in der Startelf - und dass, obwohl Alcacer, mit dem er sich in der Vorsaison noch regelmäßig auf dem Platz abgewechselt hatte, lange verletzt war.
Thorgan Hazard spielte seit der Favres Systemumstellung auf 3-5-2 immer neben Jadon Sancho in der Spitze, für Götze blieb nur der Platz auf der Bank. Das Verhältnis zwischen Trainer und Spieler ist angespannt, auch wenn Favre davon öffentlich nichts wissen möchte und zuletzt in Hoffenheim auf Götze setzte, als Marco Reus verletzt ausfiel.
Zur sportlich frustrierenden Hinrunde gesellt sich für Götze das leidige Thema Vertragsverlängerung. Was einst von BVB-Boss Hans-Joachim Watzke als unkomplizierte Geschichte angepriesen worden war, ist längst zur Never-Ending-Story geworden.
Die Chance auf ein Happy End wird von Tag zu Tag geringer. Es geht um zu viel Geld, es geht um zu wenig sportlichen Wert - und mittlerweile ist eine Vertragsverlängerung Götzes nur noch sehr schwer vorstellbar. Die Gespräche laufen noch - und Götzes Vertrag läuft - Stand jetzt - noch ziemlich genau ein halbes Jahr.
Das sind die Gewinner der Hinrunde beim BVB:
Mats Hummels: Der Rückkehrer vom FC Bayern München blieb nicht fehlerfrei in dieser Hinrunde, aber er war nichtsdestotrotz der mit Abstand stabilste Spieler in einer häufig zu anfälligen Dortmunder Defensive. Und Hummels zeigte durchaus, wofür er geholt wurde.
Natürlich als Verteidiger, aber eben auch als Abwehrchef und als Anführer. Beim Debakel in München stemmte er sich als Einziger gegen die Niederlage – und analysierte danach messerscharf die Probleme des BVB. Es ist kein Zufall, dass Hummels als dritter Kapitän und als Mannschaftsrat-Mitglied nach Dortmund zurückgekehrt ist. Sein Wort hat Gewicht in der Kabine, auch wenn es nicht immer jedem passt.

Mats Hummels zeigte Anführerqualitäten. © Kirchner-Media
Die Zahlen untermauern Hummels‘ sportlichen Wert in der Hinrunde: Er gewann 63,5 Prozent seiner Zweikämpfe, nur Dan-Axel Zagadou (69,5 Prozent), der allerdings deutlich weniger Spiele bestritt, gewann mehr im schwarzgelben Trikot.
Zudem ist Hummels der notenbeste Borusse (RN-Durchschnittsnote in der Bundesliga 2,90). Nur Zagadou (2,75) ist besser, lieferte allerdings nur sechs benotete Spiele ab, bei Hummels waren es 15. Der 31-Jährige ist auf Anhieb wieder wichtig beim BVB - und die erhoffte Verstärkung in der Abwehr. Dass der BVB vor der Winterpause trotzdem deutlich zu viele Gegentore kassiert hat, ist am wenigsten ihm anzulasten.
Jadon Sancho: Zwischen Genie und Wahnsinn - Sancho deckt die komplette Bandbreite ab. Und auch wenn in dieser Saison mit Sicherheit nicht alles glänzte, was der junge Engländer anbot, so bleibt er doch ein Gewinner der Hinrunde.
Das liegt in erster Linie daran, dass er unter Beweis gestellt hat, wie unverzichtbar er für Borussia Dortmund mittlerweile ist. Allen Querelen und Undiszipliniertheiten, die in einer Suspendierung (gegen Gladbach), einer Strafversetzung auf die Bank (gegen Barcelona) und einer Auswechslung in der ersten Hälfte (gegen München) mündeten, zum Trotz.
Die Zahlen sprechen letztendlich für sich: 24 Pflichtspiele, 25 Torbeteiligungen. 12 Treffer erzielte Sancho selbst, 13 legte er auf - und das mit 19 Jahren. Keiner beim BVB war besser.
Spätestens seit Favres Systemumstellung auf ein 3-5-2-System mit Sancho als zweiter verkappter Spitze blüht der vielleicht spektakulärste Fußballer der Bundesliga wieder auf, weil er noch mehr Freiheiten bekommt als zuvor auf dem Flügel im 4-2-3-1-System. Bislang zahlt er es mit Leistung zurück. Die Frage ist, wie lange noch. Vieles deutet darauf hin, dass es den gebürtigen Londoner im kommenden Sommer zurück auf die Insel in die Premier League zieht - und der BVB eine Rekordablöse erzielt.
Dan-Axel Zagadou: Der junge Franzose sah lange Zeit wie der große Verlierer dieser Hinrunde aus, kam fast überhaupt nicht zum Zug, sitzt aber plötzlich als einer der Gewinner beim BVB unterm Weihnachtsbaum.
Zagadou ist neben Julian Brandt der größte Profiteur von Favres Systemumstellung. Seitdem der Schweizer mit einer Dreierkette in der Abwehr spielen lässt, ist ein Platz für Zagadou frei - und der 20-Jährige liefert starke Leistungen ab, ist bester BVB-Zweikämpfer (69,5 Prozent gewonnene Duelle) und notenbester Spieler (RN-Durchschnittsnote 2,75) in der Liga. In den jüngsten sechs Pflichtspielen vor der Winterpause spielte Zagadou jeweils über die vollen 90 Minuten.
Nach dem Sieg in Mainz erhielt der Abwehrhüne ein Sonderlob von BVB-Sportdirektor Michael Zorc. Zagadou sei ein „Rohdiamant“, der nicht nur gut verteidigen, sondern auch richtig gut kicken könne, erklärte Zorc. In der Rückrunde soll der Diamant weiter geschliffen werden.
Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.
