BVB-Youngster Duranville steht kurz vor Rückkehr „So einen Spieler sieht man nicht jedes Jahr“

BVB-Youngster Duranville steht kurz vor Rückkehr: Sein Entdecker verrät, was ihn so stark macht
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Ex-Trainer Vincent Kompany sieht in ihm einen potentiellen Ballon-d'Or-Gewinner. Und auch in Dortmund sind sie von den großen Fähigkeiten von Julien Duranville überzeugt. Mit 16 Jahren lotste BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl den Belgier von Anderlecht nach Dortmund. Nach seiner vom RSC mitgebrachten Knieverletzung legte er einen verheißungsvollen Start bei der Borussia hin. Doch mitten in der Vorbereitung dann die nächste Verletzung: Muskelfaserriss. Jetzt, gut vier Wochen später, steht der Flügelstürmer kurz vor der Rückkehr ins Teamtraining. Vorab haben wir exklusiv mit seinem Entdecker Roel Clement über den Werdegang des heimlichen Hoffnungsträgers gesprochen.

Seit wann kennen Sie Julien Duranville?

Er hat von 2012 bis 2023 bei RSC Anderlecht gespielt. Ich kenne ihn persönlich, seit er neun Jahre alt ist. In der U14 und in der U16 habe ich ihn direkt trainiert und auch begleitet, als er seine ersten Spiele im Profibereich in unserer ersten Mannschaft absolviert hat.

War Ihnen früh klar, dass er Profi werden könnte?

So einen Spieler wie Julien sieht man nicht jedes Jahr. Wir haben viele Jungs, die sehr gut mit dem Ball umgehen können. Aber er ist ein unfassbar talentierter Spieler, der über außergewöhnliche Qualitäten verfügt. Hervor sticht seine Fähigkeit, seine Dribbling-Aktionen auch bei höchstem Tempo noch sehr sauber und kontrolliert auszuführen. Das können auf diesem Niveau nur wenige. Aber ich sage auch, dass er noch viel Entwicklungspotenzial in sich hat.

Wie haben Sie seine Entwicklung als Fußballer erlebt?

Vorab muss ich sagen: Er ist gerade 17 geworden, wir reden über einen Teenager. Bis vor Kurzem war er noch ein Kind. Aber er war frühreif, hat immer seine Jahrgänge übersprungen und hatte aufgrund seiner guten Physis keine Probleme, sich auch gegen ältere, kräftigere Gegenspieler durchzusetzen. Er hat seine Aktionen, Dribblings und Tricks einfach immer durchgezogen. So hat er als U14-Spieler bereits in der U16 gespielt, als er U16 war bei der U18 und dann in der U23 und dann bei den Profis. Das ging rasant.

Julien Duranville mit dem Ball am Fuß.
In Anderlecht hat Julien Duranville als U14-Spieler bereits in der U16 gespielt. © imago images/Panoramic International

Ging es für Duranville immer nur bergauf?

Nein! Die Entwicklung von Talenten wie ihm verläuft häufig in Wellen. Es gibt Höhen und Tiefen, es ist ein Auf und Ab. Er hatte es auch nicht immer leicht. Dazu gehörte auch der mentale Aspekt: Wenn es bei Julien gut läuft, dann ist er bester Stimmung. Aber er hatte auch Zeiten mit vielen Zweifeln. Wenn er weniger Tore erzielt, weniger Assists geliefert hat oder beim Dribbling häufiger hängengeblieben ist, dann hat er mit sich gehadert und alles hinterfragt. Er brauchte Geduld mit sich selbst.

Was hat ihm in diesen Phasen geholfen?

Er braucht Selbstvertrauen und Zuspruch. Das hat er immer bekommen bei uns. Auch wenn er mehrere schwächere Spieler hintereinander gezeigt hat, braucht er das Zutrauen seines Trainers und die Freiheit, seine Spielweise weiter durchzuziehen. Dann zahlt er den Kredit schnell zurück.

Was für eine Persönlichkeit ist er?

Julien gehört zu diesem Typen von Jungs, die es lieben, einfach immer und überall Fußball zu spielen. Er hatte immer den Ball am Fuß. In der Schule, beim Training, einfach immer. Und die Talentförderung sieht bei uns so aus, dass neben Schule und zwei Trainingseinheiten am Tag fast nur noch Zeit für Erholung bleibt. Ihm hat das gereicht. Diesen Weg ist er konsequent gegangen.

Was sind seine besonderen fußballerischen Fähigkeiten?

Seine Beweglichkeit, diese immense Beschleunigung und die Qualität, auch bei höchstem Tempo mit sehr sauberen Ballkontakten zu spielen. Hinzu kommt sein tiefer Schwerpunkt. Wenn er beschleunigen kann, kommen alle Verteidiger in Schwierigkeiten.

Warum?

Wir haben immer gesagt, er spielt in „overdrive“, also im Schnelldurchlauf. Steht der Verteidiger auf beiden Füßen, wenn Julien antritt, dann kommt er zu spät. Er hat diesen Vorteil in der Geschwindigkeitserhöhung. Lässt der Abwehrspieler ihm etwas zu viel Raum, kann Julien blitzschnell die Richtung ändern. Ein Verteidiger darf ihm nach dem ersten Kontakt keine Zeit lassen, sonst rauscht er davon. Und bei seinem Tempo bekommt ein Abwehrspieler auch keine zweite Chance mehr.

Hat er ein großes Repertoire an Tricks?

Er verfügt über eine gut gefüllte Trickkiste, aber es sind nicht exorbitant viele. Entscheidend ist die Geschwindigkeit in seinen Aktionen und die Fähigkeit, dass er auf den Verteidiger reagieren kann und dann entscheidet, ob er passt, vorbeizieht oder das Foul zieht. Viele Offensivspieler verlieren dann in den engen Situationen den feinen Touch und den Überblick, er selbst im Topspeed nicht.

Was ist seine ideale Position?

In der Jugend hat er viel auf der linken Seite gespielt und ist dann in die Mitte gezogen, um mit seinem stärkeren rechten Fuß zum Abschluss zu kommen. Ich will ihn nicht mit Arjen Robben vergleichen, aber gewisse Bewegungsmuster ähneln sich. Im Abschluss ist er natürlich noch bei Weitem nicht so effektiv.

Julien Duranville jubelt.
Im Vorbereitungsspiel gegen San Diego erzielte Julien Duranville sein erstes Tor für den BVB. © IMAGO/USA TODAY Network

Effektivität ist ein guter Punkt: In welchen Bereichen kann er sich noch verbessern?

Die Arbeit in der Defensive wird wichtiger werden. Das war selten gefordert in den belgischen Juniorenligen, weil das Leistungsgefälle sehr hoch ist. Aber im Spiel mit den Erwachsenen hat er das verstanden und bereits dazugelernt. Auch taktisch kluges Verhalten muss er sich noch aneignen. In der Jugend konnte er dribbeln, wie ihm der Schnabel gewachsen war. Jetzt muss er lernen, wann er mal einen Ballverlust riskieren kann – und wann auf keinen Fall. Er kann zwar hoch springen, aber seine Kopfballtechnik muss noch besser werden. Entscheidend wird aber etwas anderes.

Nämlich?

Spieler wie er werden natürlich auch an ihrer Produktivität gemessen, an entscheidenden Pässen, Flanken, Vorlagen und Toren. Da geht es viel um die richtige Entscheidungsfindung. Gerade wenn das Niveau so hoch ist wie jetzt hoffentlich in der Bundesliga, müssen die Bälle perfekt ankommen. In der Jugend hat er es geschafft, sich stetig auf das nächsthöhere Niveau zu bringen. Jetzt spielt er gegen Erwachsene auf einem Top-Level. Er braucht Geduld mit sich selbst und das Vertrauen des Trainers, aber er muss auch eine ansteigende Lernkurve zeigen und produktiv agieren.

Julien Duranville im Zweikampf mit Aaron vom FSV Mainz.
Am letzten Spieltag der Vorsaison gab Julien Duranville sein BVB-Debüt © IMAGO/ActionPictures

Sein Debüt in Dortmund ist viel beachtet worden. Trauen Sie ihm schon in dieser Saison den endgültigen Durchbruch zu?

Das müssten sie die Trainer bei Borussia Dortmund fragen, die ihn jetzt täglich im Training sehen. Ich traue ihm grundsätzlich alles zu. Aber in seinem Alter ist erst einmal jede Minute in der Bundesliga ein Bonus, noch dazu in einer so starken Mannschaft. Er muss nicht jede Woche 60 oder 90 Minuten spielen, sondern seine Chancen in den Kurzeinsätzen nutzen, effizient sein und sich weiterentwickeln. Er bringt ohne Zweifel die Qualität mit, eines Tages Stammspieler werden zu können. Ich gebe meinen Spielern immer ein prominentes Beispiel mit.

Welches?

Romelu Lukaku. Der hat hier in Anderlecht auch Jahrgänge übersprungen und bei den Senioren zunächst auf der Bank gesessen, was sich heute keiner mehr vorstellen kann. Und dann hat er sich noch mehr angestrengt, durchgesetzt, getroffen - und plötzlich war er Stammspieler. Wie es mit ihm weiterging, ist allen bekannt. Julien Duranville hat ein anderes Spielerprofil, aber sein Werdegang ist ähnlich. Hoch veranlagt, jetzt kommt es auf den letzten Schritt an, ob er ein Unterschiedspieler werden kann.

Wenn er denn gesund bleibt. Leider ist er verletzt in Dortmund angekommen und musste lange auf Spielpraxis warten.

Das kannte er gar nicht, in der Jugend war er immer fit. Aber das Level und die Anforderungen steigern sich, die Physis hinkt da oft noch etwas hinterher. Er sollt diese schwierige Zeit überstanden haben. Typen wie er sind mit ihrer Explosivität eher verletzungsgefährdet. Ein grundlegendes Problem sehe ich da aber nicht.

Roel Clement (49) hat als Fußballtrainer 13 Jahre bei KAA Gent gearbeitet und coacht nun seit 13 Jahren beim RSC Anderlecht vornehmlich im Nachwuchsbereich. Einen Kevin de Bruyne hat er mit neun Jahren erstmals betreut, es folgten Spieler wie Romelu Lukaku, Youri Tielemans, Dennis Praet, Leander Dendoncker oder Sebastiaan Bornauw. Nach dem Abgang von Julien Duranville gilt der 19-jährige Innenverteidiger Zeno Debast als nächstes Toptalent in Anderlecht. Clement arbeitet dort aktuell als Co-Trainer der Profimannschaft des RSC.

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