Aus Frankreich kommen guter Wein, guter Käse und eine Reihe exzellenter Fußballer. Bei den leiblichen Genüssen kann man auf seinen Geschmack vertrauen. Bei der Wahl geeigneter Fußballer fällt das ungleich schwerer. Die Kunst ist es, die Talente früh genug zu erkennen. Insofern sind die von Borussia Dortmund getätigten Frankreich-Importe immer auch ein Stück weit eine Wette auf die Zukunft.
Im Falle von Pierre-Emerick Aubameyang und Ousmane Dembélé gelangen dem BVB zwei echte Coups. Die verletzungsanfälligen Dan-Axel Zagadou und Kamal Bafounta hingegen konnten die großen Versprechen nicht einlösen. Zu welcher Kategorie Abdoulaye Kamara eines Tages zählen wird, werden die nächsten Monate in Dortmund zeigen. Gemeinsam mit dem ebenfalls von Paris Saint-Germain verpflichteten Soumaila Coulibaly soll der 18-jährige Kamara über die U23 an die Profis herangeführt werden.
„Das sind zwei unserer Jungstars, die wir dabei begleiten, erwachsen zu werden, um sie auf den Seniorenfußball vorzubereiten. Diese beiden sind auf einem richtig guten Weg“, urteilt Edin Terzic. Vor ein paar Monaten wäre das Zwischenfazit des BVB-Cheftrainers womöglich noch etwas anders ausgefallen. Denn Kamara erlebte schwierige erste Wochen in der U23. Bei der 0:4-Heimpleite gegen den FC Ingolstadt stand er gleich mal 90 Minuten auf dem Rasen, ohne zuvor mit dem Team trainiert zu haben. Kamara agierte auf der Doppelsechs neben Kapitän Franz Pfanne. In Puncto Intensität, Aggressivität und Handlungsschnelligkeit bekam der junge Franzose deutlich die Grenzen aufgezeigt. Dennoch schenkte ihm U23-Coach Christian Preußer in den folgenden Wochen das Vertrauen, brachte ihn gleich siebenmal von Beginn an.
Seine Leistungen siedelte Kamara dabei nicht immer auf dem für ihn vorgesehenen Niveau an. „Die Erwartungen an ihn waren riesengroß. Wenn einer mit 16 Jahren nach Dortmund wechselt und mal im Champions-League-Halbfinale im Kader von Paris war, dann erwartet man, dass so einer in der U23 des BVB auch durchstartet. Das ist dann zunächst nicht so gekommen und das war unbefriedigend“, konstatiert der Sportliche Leiter der U23, Ingo Preuß, im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten.
Gespräche-Flatrate führt zum Erfolg
Zu häufig spielte Kamara den Ball noch in die Breite statt in die Tiefe, zu oft vernachlässigte er auf der Sechs die Arbeit gegen den Ball. Das kam auch teamintern nicht gut an. „Die Akzeptanz in der Mannschaft war unbefriedigend“, räumt Preuß ein. Beharrlich gingen sie beim BVB in den Dialog mit ihrer hochveranlagten Nachwuchskraft und dessen Berater. „Bei ihm hatten wir eine Flatrate auf Gespräche, Gespräche, Gespräche. Immer wieder haben wir miteinander geredet und dann offensichtlich ein paar Knöpfe gedrückt, die bei ihm gewirkt haben“, sagt Ingo Preuß.

Zusätzlich erhielt Kamara Spielpraxis in der U19, war dreimal in der Youth League für den BVB im Einsatz, wo er sich rassistischen Beleidigungen in beiden Spielen gegen den FC Sevilla ausgesetzt sah. Im Herbst setzte beim Franzosen ein Wandel ein. „Auf einmal hattest du es mit einem anderen Typen zu tun. Abdou hat viel gelacht und hat in wichtigen Räumen Bälle erobert und Umschaltmomente kreiert, das hat uns weitergeholfen“, lobt der Sportliche Leiter.
Zwangspause für Abdoulaye Kamara
Beim 2:0-Heimsieg gegen den MSV Duisburg zeigte Kamara sein bislang bestes Spiel für die U23, imponierte durch seine Zweikampfstärke und seinen feinen Steilpass auf Justin Njinmah. „Abdou hat in der U23 Fuß gefasst und war dort ein wichtiger Faktor in den letzten Wochen“, registriert Edin Terzic zufrieden. Auch U23-Coach Christian Preußer ist von der Entwicklung angetan, sieht aber gleichzeitig noch Verbesserungspotenzial: „Abdou ist unheimlich gut mit dem Ball, er spielt tolle Pässe. Er ist ein guter Umschaltspieler. Er möchte immer den Ball haben, manchmal ist das schon fast zu viel. Defensiv muss er noch aktiver werden. Ich wünsche mir, dass er noch mehr Balleroberungen hat oder vorbereitet.“
Ausgerechnet in seiner bislang besten Phase beim BVB zog sich der 18-Jährige einen Innenbandriss im Knie zu. Prognostizierte Ausfallzeit: zwei bis drei Monate. Seine Reha absolviert Kamara momentan in seiner Heimat in Frankreich. „Es ist total schade, dass sich Abdou verletzt hat. Ich hoffe, dass er Mitte, Ende Januar wieder dabei sein kann. Für das Trainingslager wird es voraussichtlich noch nicht reichen“, sagt U23-Trainer Christian Preußer im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten.
BVB-Talent Kamara verpasst Trainingslager

Sowohl das Trainingslager der U23 im türkischen Belek (2. bis 10. Januar) als auch das der Profis im spanischen Marbella (6. bis 14. Januar) dürfte Kamara demnach verpassen. Dennoch hat der Franzose angedeutet, welche Fähigkeiten in ihm schlummern. Sein Reifeprozess jedenfalls ist noch lange nicht abgeschlossen. In Dortmund hoffen sie, dass es sich mit ihren französischen Fußballern genauso verhält wie mit französischem Wein und Käse. Die werden mit der Zeit immer besser.
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