BVB-Verletzungsanfälligkeit bleibt ein Problem Woher kommen die vielen Ausfallzeiten?

BVB-Verletzungsanfälligkeit bleibt ein Problem: Woher kommen die vielen Ausfallzeiten?
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Schon Marco Rose hatte massiv mit ihr zu kämpfen. Und auch für Edin Terzic war sie in der abgelaufenen Saison ein ebenso treuer wie lästiger Begleiter – die Verletzungsanfälligkeit des eigenen Personals. Denn Borussia Dortmunds Profis fallen statistisch gesehen im Vergleich aller Bundesligisten am zweitlängsten aus.

BVB mit der zweitlängsten Ausfallzeit

Insgesamt bringen es die BVB-Spieler laut Erhebungen von „fussballverletzungen.com“ auf 1.964 Ausfalltage – das macht durchschnittlich 55,32 Ausfalltage pro Akteur. Dieser Wert wird nur noch vom FC Augsburg (2.371 insgesamt, 71,85 Tage durchschnittlich) überboten. Am besten schneidet Union Berlin (535/18,45) ab. Aber auch der FC Bayern (1.512/53,05) und RB Leipzig (1.419/52,56) bekommen die hohen Verschleißerscheinungen ihrer zumeist in drei Wettbewerben vertretenen Profis zu spüren.

Immerhin: Der BVB hat die Verletzungsanfälligkeit seiner Belegschaft im Vergleich zur Vorsaison deutlich reduziert. In der Saison 21/22 musste sich der damalige Trainer Marco Rose noch mit einer Ausfallzeit von 2.935 Tagen arrangieren. Bei einer Kadergröße von 34 Spielern machte das im Schnitt 86 Ausfalltage pro BVB-Profi. Die Borussia hat sich also in diesem Bereich signifikant verbessert.

BVB reduziert Zahl der Muskelverletzungen

Die Borussia reagierte, verpflichtete deshalb in Shad Forsythe im vergangenen Sommer einen Athletiktrainer, der als Performance Manager ein besonderes Augenmerk auf Fitness und Belastungssteuerung der Dortmunder Spieler legen sollte. BVB-Sportdirektor Sebastian Kehl nahm zudem weitere inhaltliche Veränderungen in der medizinischen Abteilung vor. Das trug auch Früchte: Die Anzahl an Muskelverletzungen bei der Borussia hat sich drastisch reduziert.

Shad Forsythe blickt nach vorn.
Shad Forsythe achtet als Performance Manager beim BVB auf die Belastungssteuerung und Fitness der Dortmunder Profis. © IMAGO/Kirchner-Media

Und – anders als noch in der Vorsaison – standen die betroffenen Akteure (wie etwa Emre Can, Niklas Süle, Raphael Guerreiro) in aller Regel schon nach kurzer Zeit wieder im Kader und füllten nicht über Wochen das schwarzgelbe Lazarett.

BVB-Statistik

So weit, so positiv. Dass der BVB in der abgelaufenen Saison dennoch ein hohes Maß an Fehlzeiten aufweist, hat vor allem mit ein paar Dauerpatienten zu tun, die den Wert insofern auch relativieren. Die Hodenkrebs-Diagnose Sebastien Hallers und dessen daraus resultierender Ausfall bis zum Winter konnte niemand voraussehen. Doch auch dessen 178 Ausfalltage fließen genauso in die Statistik mit ein wie die monatelange Pause des in der Winterpause (verletzt) verpflichteten Youngsters Julien Duranville (ebenfalls 178 Ausfalltage).

Ebenfalls zu Buche schlägt die Ausfallbilanz von Mateu Morey. Der spanische Rechtsverteidiger verbrachte die gesamte Saison nach seiner erneuten Knie-Operation in der Reha, kommt auf 314 Ausfalltage. Hinzu kommen der wochenlange Verzicht auf Marius Wolf (79 Tage) nach dessen Herz-OP, sowie auf Thomas Meunier (107 Tage), der zunächst mit einem Jochbeinbruch, später mit Rückenproblem und Muskelbeschwerden zu kämpfen hatte. Auch Marco Reus war wegen eines im Derby gegen Schalke erlittenen Außenbandrisses im Sprunggelenk und anschließender hartnäckiger Sprunggelenksprobleme wochenlang außer Gefecht gesetzt, insgesamt 97 Tage.

Zwei BVB-Schulterpatienten

Wegen Schulterverletzungen musste Edin Terzic zudem monatelang ohne Mahmoud Dahoud (98 Tage) und Jamie Bynoe-Gittens (143 Tage) auskommen. In der Offensive limitierten sich die Optionen des BVB-Trainers zudem immer wieder durch die Ausfälle von Karim Adeyemi (Zeh, Fuß, Muskelfaserriss = 66 Tage), Donyell Malen (Muskelfaserriss zu Saisonbeginn = 25 Tage), Youssoufa Moukoko (Anriss der Syndesmose = 49 Tage) und Giovanni Reyna (muskuläre Probleme, Zerrung = 52 Tage).

Jamie Bynoe-Gittens hält sich die Hand vors Gesicht.
BVB-Flügelflitzer Jamie Bynoe-Gittens kämpft noch immer mit den Nachwehen seiner Schulterverletzung. © IMAGO/Team 2

Kurzum: Es waren neben den unvorhersehbaren Erkrankungen (Haller, Wolf) und Rekonvaleszenten wie Morey eine Vielzahl unterschiedlichster Ursachen, die die Dortmunder Profis zu Zwangspausen verdonnerten. Zuletzt hatte bereits der ehemalige, langjährige BVB-Physiotherapeut Thomas Zetzmann einen Erklärungsansatz bezüglich der hohen Verletzungsanfälligkeit geäußert.

Ex-Physio Zetzmann äußert Hypothese

„Ich habe eine Hypothese, die ich auch gegenüber der sportlichen Leitung geäußert habe: Im Stadion ist Hybridrasen verlegt. Das ist ein Gemisch aus Kunstrasen und normalem Rasen. im Trainingszentrum gibt es vor allem zwei große Plätze: Einer mit Hybridrasen, der damals auf Geheiß von Thomas Tuchel entstanden ist, weil er auf demselben Untergrund trainieren wollte, auf dem auch im Stadion gespielt wird. Und einer mit normalem Rasen.“ Zwischen diesen Plätzen werde aus seiner Sicht vor allem wetterbedingt zu häufig gewechselt.

„Es gab in meinen Augen keinen durchgängigen Rhythmus. Dazu müssen die Spieler jeweils ihr Schuhwerk wechseln. Auf beiden Plätzen hat man dann an bestimmten Strukturen in den Gelenken, Sehnen oder Faszien eine ganz andere Spannung drauf. So können Dysbalancen in den Gelenken und Muskelansätzen entstehen. Ich glaube, es würde den Spielern guttun, wenn man sich auf einen Belag einlassen würde“, so Zetzmann.

Weitere Veränderungen beim BVB

„Wir versuchen, Erklärungen zu finden. Aber es geht nicht nur darum Erklärungen zu finden, sondern eben auch Lösungen“, hatte BVB-Trainer Edin Terzic bereits im Spätsommer bei „19:09 – der schwarzgelbe Talk“ gesagt. Die erneut hohe Zahl an Ausfalltagen wird deshalb Bestandteil der Saison-Analyse der Dortmunder Verantwortlichen sein, um deren Wert künftig weiter zu senken.

In der Sommerpause hat die Borussia bereits weitere personelle Veränderungen vorgenommen. Athletiktrainer Johannes Wieber wechselt zum FC Basel. Dafür kommt Marcelo Martins (Antalyaspor), der zuvor fünf Jahre lang bei Bayern München gearbeitet hat.

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