Zimmermann nimmt BVB-U23 nach Punkte-Rekord in die Pflicht „Jeder ist in der Verantwortung“

BVB-U23-Trainer Jan Zimmermann kündigt an:: „Wir ändern Strukturen für die Talent-Entwicklung“
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Es gießt in Strömen, als Jan Zimmermann sich auf dem BVB-Trainingsgelände in Brackel vom Funktionsgebäude auf den Weg in die Geschäftsstelle macht. Der Trainer der BVB-U23 blickt kurz gen Himmel und flitzt dann Richtung Eingangstür. Auch mit seiner Mannschaft hat er in der 3. Liga einen starken Hinrunden-Endspurt hingelegt, einen neuen Punkte-Rekord (28 Zähler in 19 Spielen) aufgestellt. Auf Platz zehn und mit zehn Punkten Abstand zur Abstiegszone überwintert Borussia Dortmunds U23 sorgenfrei. Im Gespräch mit RN-Redakteur Cedric Gebhardt lässt Jan Zimmermann die Hinrunde Revue passieren.

Ursprünglich wollten sie nach dem Spiel gegen Münster in die Winterpause gehen. Das aber wurde wegen eines verdächtigen Gegenstands im Stadion Rote Erde abgesagt. Das hatten Sie sich sicher anders vorgestellt.

Ja, natürlich. Wir wollten auf jeden Fall spielen und mit einem guten Gefühl in die Pause gehen. Unverrichteter Dinge nach Hause zu fahren, war im ersten Moment komisch. Aber ich glaube, es war am Ende die sinnvollste Entscheidung. Dann holen wir das Spiel eben im neuen Jahr nach. Wir haben als Mannschaft dann in der Kabine noch mal miteinander gesprochen und sind nach sieben Punkten aus den letzten drei Spielen dennoch mit einem positiven Gefühl auseinandergegangen.

Welches Fazit ziehen Sie nach der Hinrunde?

Dass wir zufrieden sind, aber dennoch einiges besser machen wollen in der Rückrunde. Vieles war gut, aber noch nicht so konstant. Wir werden daran arbeiten, dass wir in der Rückserie weiter punkten, um den Abstand nach unten zu halten, aber auch darauf achten, dass wir als Mannschaft und jeder einzelne Spieler sich weiterentwickeln.

Wie soll diese Weiterentwicklung aussehen?

Viele Spieler sind im letzten halben Jahr ballsicherer, zielstrebiger und erwachsener in der Entscheidungsfindung geworden. Das ist ein Prozess, der bei den Spielern unterschiedlich schnell verläuft. Wir wollen die Schnittmenge noch mal vergrößern und es schaffen, so viele Jungs wie möglich auf das nächste Level zu bekommen. Dabei geht es nicht um sportliche Dinge, sondern auch charakterliche Aspekte, darum Verantwortung zu übernehmen.

Mario Suver, Franz Pfanne und Franz Roggow bejubeln ein Tor.
Mario Suver, Franz Pfanne und Franz Roggow (von links) haben mit der BVB-U23 eine starke Hinrunde in der 3. Liga hingelegt. © IMAGO/Eibner

Sportliche Verbesserungen können Sie dank technischer Mittel vielfach messen. An welchen Indikatoren machen Sie charakterliche Fortschritte bei Ihren Spielern fest?

Da geht es um den täglichen Umgang, um Körpersprache, um das Verhalten in der Gruppe, in der Kabine und auf dem Platz. Für uns gilt das Credo: Jeder muss erst einmal die Verantwortung für sich selbst übernehmen, um seine bestmöglichen Fähigkeiten in die Gruppe zu integrieren. Dann ist die Gruppe erfolgreich und jeder Einzelne profitiert wieder davon. Das ist ein Kreislauf. Jeder ist in der Verantwortung, sich professionell zu verhalten, für diesen Beruf zu leben und sich weiterentwickeln zu wollen. Dann erhält er von uns einen Rahmen und die Möglichkeiten, sich weiterzuentwickeln. Auch die Gruppendynamik hilft natürlich dabei. Unser Job im Trainerteam und Staff ist es, dieses Verständnis für Eigenverantwortung bei den Spielern zu wecken.

28 Zähler nach 19 Spielen in der Hinrunde. Sie haben mit der BVB-U23 einen Punkterekord aufgestellt. Was bedeutet Ihnen das?

Das zeigt mir erst mal, dass wir nicht so falsch gemacht haben. Und es bedeutet, dass wir ein Polster auf die Abstiegsplätze haben, was uns eine gewisse Ruhe in der Vorbereitung auf die Rückrunde gibt und eine gewisse Flexibilität in den Spielen. Trotzdem wissen wir, dass es eine sehr enge Liga ist, in der man immer wach sein und regelmäßig punkten muss. Es gibt immer diesen Zwiespalt zwischen Einsatzzeit und Ergebnisdruck. Die Punkte-Ausbeute zeigt aus meiner Sicht auch, dass wir im Sommer richtige Entscheidungen bei der Zusammenstellung des Kaders getroffen haben. Denn für eine U23 gibt es (durch die Altersregel, d. Red) ja nur beschränkte Möglichkeiten, Spieler zu verpflichten. Und es ist nicht so leicht, sich in dieser 3. Liga gegen Teams, die meistens einen sehr viel höheren Altersdurchschnitt haben, zu behaupten.

Julian Hettwer führt einen Zweikampf.
BVB-Rechtsaußen Julian Hettwer ist mit sechs Treffern und sieben Assists die prägendste Figur in der Offensive der Dortmunder U23. © IMAGO/Thomas Bielefeld

Sind die 28 Punkte aus der Hinserie der Maßstab für die zweite Saisonhälfte?

Nein, das würde ich nicht sagen. Der Maßstab sind gute Leistungen, die wir schon gezeigt haben. Diese wollen wir noch häufiger und konstanter zeigen und dann kommen Punkte automatisch. Natürlich liefert man auch mal gute Spiele ab und nimmt trotzdem keine Punkte mit. Aber ich glaube fest daran, dass sich gute Leistung am Ende durchsetzt. Und gute Leistung kommt vor Punkten. Wenn wir diese Leistungen weiter stabilisieren, werden wir besser und wir werden weiter punkten.

Im Herbst haben Sie mit Ihrem Team eine unglaubliche Verletzungsmisere erlebt, als mehr als ein halbes Dutzend Spieler binnen zwei Wochen ausgefallen sind. Wie ist diese Vielzahl an Verletzungen zu erklären?

Wir haben das natürlich in alle Richtungen analysiert, aber sie es ist nicht zu erklären. Es waren alles unterschiedliche Verletzungen und auch unterschiedliche Unfallhergänge. Mal ist es im Zweikampf, mal ohne Zweikampf passiert, mal mit Fremdeinwirkung, mal ohne, mal ist es auf dem Trainingsplatz, mal beim Auswärtsspiel und auch im eigenen Stadion passiert. Es war überhaupt kein Zusammenhang herzustellen. So ein Maß an Verletzungspech hatte ich vorher als Trainer noch nicht. Wir haben uns daher viele Gedanken gemacht. Aber es war schlichtweg großes Pech. Positiv ist: Alle Spieler liegen bei ihrer Reha voll im Zeitplan.

Justin Butler geht gestützt von zwei Physiotherapeuten vom Feld.
Einer von vielen Pechvögeln bei der BVB-U23: Linksaußen Justin Butler (Mitte) verletzte sich gegen RW Essen. © IMAGO/Thomas Bielefeld

Bjarne Pudel, Felix Irorere und Paul Besong werden noch einige Wochen oder sogar Monate brauchen, bis sie ins Team zurückkehren können. Werden Sie darauf personell im Winter reagieren?

Wir haben unsere Kader-Situation analysiert und wir müssen natürlich auch immer schauen, ob bei den Profis etwas passiert. Wir halten die Augen offen und sind vorbereitet.

Ihr Flügelstürmer Samuel Bamba ist jüngst zweimal bei den Profis in der Bundesliga zum Einsatz gekommen. In der U23 ist er dagegen bislang nicht über den Status eines Ergänzungsspielers hinausgekommen. Woran liegt das?

Sammy Bamba ist ein Spieler, der besondere Fähigkeiten hat. Es gibt bei ihm aber natürlich noch Bereiche, in denen er sich verbessern kann.

Samuel Bamba schießt den Ball.
BVB-Youngster gab zuletzt sein Debüt bei den Profis in der Bundesliga. Bei der U23 kam er in der Hinrunde auf 13 (Kurz-)Einsätze. © IMAGO/Moritz Müller

In Hendry Blank hat ein weiterer Ihrer Spieler den Sprung in den erweiterten Profi-Kader geschafft. Wie sehen Sie seine Entwicklung seit Sommer?

Hendry ist ein super Junge, aber wir müssen aufpassen, dass das nicht alles zu schnell geht. Wie bei allen anderen auch, versuchen wir ihn auf den nächsten Schritt bestmöglich vorzubereiten. Edin Terzic und ich sind in einem guten Austausch. Hendry hat es sich verdient, bei den Profis dabei zu sein. Aber auch er muss noch viel lernen, um auch wirklich dauerhaft in der Bundesliga zu spielen. Daher müssen wir behutsam mit ihm umgehen und dürfen keine Wunderdinge von ihm erwarten. Natürlich möchten wir den jungen Spielern möglichst früh Spielzeit geben, aber wir haben auch eine Verantwortung für sie, sie gut auf das vorzubereiten, was dann kommt.

Hendry Blank klatscht in die Hände.
BVB-Innenverteidiger Hendry Blank (Mitte) hat mit starken Leistungen auf sich aufmerksam gemacht und zählt mittlerweile zum erweiterten Profi-Kader. © IMAGO/Team 2

Julian Hettwer war der bislang teuerste Neuzugang der BVB-U23. Er hat noch kurzer Anlaufzeit starke Leistungen abgeliefert. Was dürfen wir von ihm noch erwarten?

Julian hat großes Potenzial. Die Scorerpunkte sprechen für sich. Er hat schnell verstanden, wie er sich bei uns verhalten muss, um gut in Szene gesetzt zu werden. Er ist fleißig, lernt stetig dazu, entwickelt sich weiter. Wir arbeiten intensiv mit ihm. Ich bin auch bei ihm von einer weiteren positiven Entwicklung absolut überzeugt.

Sie haben gesagt, dass Sie davon ausgehen, dass Ihre Mannschaft in der Rückrunde noch stärker sein wird. Warum?

Weil wir viele junge und talentierte Spieler haben, die in ihrer Entwicklung noch lange nicht am Ende sind. Sie haben im ersten Halbjahr viele Erfahrungen gemacht, von denen sie in der Rückrunde profitieren werden. Wir werden immer homogener, immer selbstbewusster. Deswegen glaube ich, dass wir als Mannschaft noch besser werden.

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