Mindestens eine halbe Stunde vor der Mannschaft macht sich Jan Zimmermann vom Hotel „Sonne“ aus mit seinem Trainerteam im Trainingslager in Kirchberg auf den Weg zum Rasenplatz des SV Brixen im Thale. Dort absolviert die U23 von Borussia Dortmund ihre Einheiten und die wollen gut vorbereitet sein. Der 43-Jährige möchte nichts dem Zufall überlassen und baut die Übungen selbst mit auf. Anschließend bleibt meist noch Zeit für einen Kaffee, ehe das Team eintrifft. Auch zum Gespräch mit Redakteur Cedric Gebhardt bestellt sich der Trainer der BVB-U23 einen Kaffee. Zunächst sprechen sie draußen auf der Terrasse. Als sich ein Gewitter durch erste Regentropfen ankündigt, verlegen sie das Gespräch kurzerhand in den Speisesaal des Hotels. Flexibilität steht bei Jan Zimmermann hoch im Kurs - das gilt vor allem auch für die neue Saison in der 3. Liga.
Zu Wochenbeginn haben Sie mit Ihrer Mannschaft eine Rafting-Tour unternommen. Haben Sie dabei mit Ihren Jungs schon mal geübt, wie man schnell das rettende Ufer erreicht?
Sagen wir es mal so: Wir haben ein gutes Bild dabei abgegeben, dass wir alle zusammen in einem Boot sitzen.
Ingo Preuß wünscht sich nach der turbulenten letzten diesmal eine sorgenfreie Saison. Können Sie ihn diesbezüglich beruhigen?
Ich habe am Saisonende gemerkt, dass es für alle Beteiligten doch sehr kräftezehrend war. Ich hätte gerne die Saison noch ein bisschen verlängert, weil wir auf einem guten Weg waren und wir dann weiter in einen Flow reingekommen wären. Jetzt geht es darum, genau da weiterzumachen. Wenn wir das hinbekommen, bin ich absolut davon überzeugt, dass wir eine gute und erfolgreiche Saison spielen können. Wir haben im Sommer jedenfalls aus meiner Sicht wichtige und gute Entscheidungen getroffen und Veränderungen herbeigeführt, so dass die Voraussetzungen für die neue Saison richtig gut sind.

Sie haben gesagt, dass es Ihnen in der neuen Saison darum geht, die eigene Spielidee aufzugreifen und weiter zu verbessern. Wie soll der Fußball der BVB-U23 ab August aussehen?
Gar nicht so viel anders als in den letzten Spielen der vergangenen Saison. Wir wollen weiterhin sehr dynamisch, druckvoll und sehr aktiv unsere Spiele bestreiten, damit wir die Stärken, die wir in der Mannschaft haben, nutzen. Das werden wieder viel Tempo, viel Dynamik und hoffentlich auch sehr viel Durchschlagskraft in der Offensive sein.
In der letzten Saison war Ihre Mannschaft sehr stark abhängig von Justin Njimmah. Jetzt haben Sie eine komplett neu formierte Offensive. Wie sehen Sie Ihr Team in diesem Bereich aufgestellt?
Wir haben ein paar andere Spielertypen gerade auf Schlüsselpositionen dazugewonnen, die wir vorher in unserem Kader so nicht hatten. In Justin Njinmah haben wir einen sehr schnellen Spieler abgegeben, haben dafür aber eine andere Wucht und Dynamik vorne und eine gewisse Flexibilität. Ich glaube schon, dass unser Spiel in der vergangenen Saison ein Stück weit ausrechenbar war. Ich hoffe, dass wir diesmal variabler sind. In Julian Hettwer haben wir jemanden, der über sehr viel Tiefe, Tempo und Geradlinigkeit Richtung Tor verfügt. In Paul Besong haben wir jemanden, der im Sturmzentrum eine starke Präsenz hat, aber auch auf dem Flügel hilfreich sein kann. Justin Butler hat am Ende der Saison einen großen Anteil daran gehabt, dass der FC Ingolstadt den Klassenerhalt geschafft hat. Auch er ist physisch sehr präsent, dazu ein toller Fußballer und er kann vorne alle drei Positionen bekleiden. Hinzu kommt, dass wir in Moses Otuali auch noch einen sehr schnellen Spieler haben, von dem wir die Erwartung haben, dass er sich deutlich steigert, weil wir dieses Potenzial in ihm sehen. Ted Tattermusch bleibt eine Allzweckwaffe. Er kann vorne immer helfen. Rodney Elongo-Yombo hat einen großen Schritt nach vorne gemacht. Dazu kommt noch und Falko Michel gibt es ja auch noch, aber ihn den wir aber eher im Mittelfeldzentrum sehen.

Sie haben Ihren Spielern in Ihrer Trainingsarbeit unter anderem drei wichtige Prinzipien vermittelt. Ihre Spieler sollen sich möglichst genau positionieren, immer Überzahl in Ballnähe herstellen und stets eine Linie überspielen
Die Idee von Prinzipien ist ja, dass sie übergeordnet gültig sind, egal ob du gegen zwei oder drei Stürmer, oder ob du gegen eine Dreier- oder eine Viererkette spielst. Die Idee sollte grundsätzlich die gleiche sein, damit die Spieler einen roten Faden haben. Am Ende geht es immer um zielführenden Ballbesitz. Wir müssen es immer schaffen, schnell zum Ziel zu kommen – und das muss immer das gegnerische Tor sein.
Im Trainingslager haben Sie besonders viel Wert auf eine genaue Positionierung und präzises Passspiel gelegt. Wieso ist Ihnen das so wichtig?
Am Ende ist Fußball auch ein Präzisionsspiel. Wenn wir es nicht schaffen, mit einem guten Passtempo und einer hohen Genauigkeit Fußball miteinander zu spielen, wird es dem Gegner immer wieder gelingen, unseren Spielfluss zu unterbrechen. Das ist eine Trainings- und Konzentrationssache und eine Sache der Ernsthaftigkeit. Ich erwarte von jedem, dass er während der Trainingseinheiten voll konzentriert und hundertprozentig bei der Sache ist. Denn nur dann verbessern wir uns auch. Es ist bei allen Dingen im Leben so. Wenn man einen hundertprozentigen Fokus hat, macht man die Sachen meistens auch gut. Wenn man abgelenkt ist, macht man sie nicht gut. Das bedeutet, man holt keine Punkte. Und das bedeutet, es macht nicht so viel Spaß. Am Ende ist der ganze Aufwand, den wir betreiben, Makulatur, wenn wir auf dem Platz nicht das abrufen, was wir besprochen haben.

Sie haben Ihren Spielern eingebläut, dass diese Verantwortung für sich und Ihren Nebenmann tragen. Sind Ihnen Ihre Spieler bislang zu sorglos?
Verantwortung zu übernehmen ist ganz einfach ein Entwicklungsprozess, denn ich trainiere eine junge Mannschaft. Es geht natürlich darum, dass wir als Mannschaft erfolgreich sind, aber es geht auch darum, jeden Einzelnen weiterzubringen. Wenn wir jeden Einzelnen weiterentwickeln, wird die Mannschaft besser. Und wenn die Mannschaft besser wird, profitiert jeder Einzelne davon. Das ist ein Kreislauf. Als junger Erwachsener muss man lernen, Verantwortung zu übernehmen und in diese Rolle wächst man hinein. Die Jungs haben Verantwortung fürs Team, aber natürlich auch für sich selbst – es ist ihre Karriere und ihr Job.
In der Saison-Analyse haben Sie festgestellt, dass die Verteidigung von Flanken im Strafraum eine Achillesferse war. Wie lässt sich das beheben?
Daran arbeiten wir natürlich. Wenn man sich unsere Gegentore anschaut, haben wir deren Anzahl in den letzten Spielen zwar stark reduziert. Aber den Gegentoren, die wir bekommen haben, sind viele Flanken aus dem Halbfeld vorausgegangen. Da gab es viele Situationen, in denen wir eigentlich genug Spieler in der Defensive hatten, um diese zu verteidigen. Da geht es auch um Verantwortung – dafür, das Tor und seinen Gegenspieler zu verteidigen. Das ist oft kein taktisches Problem. Bei einer jungen Mannschaft muss sich die Bereitschaft erst entwickeln, den Fokus immer hochzuhalten und mit aller Macht das Tor zu verteidigen. Da haben wir mit Sicherheit noch Entwicklungspotenzial.
Mit Ball wünschen Sie sich mehr Lösungen. Wie sollen die aussehen?
Es geht um eine gute Raumaufteilung, darum, dass wir den Gegner immer wieder vor Probleme stellen, dass er immer wieder weite Wege hat, um uns zu attackieren. Das sind aber im Endeffekt auch nur Mittel dafür, dass einzelne Spieler ein bisschen mehr Raum und Zeit haben. Und dann geht es am Ende um individuelle Qualität, sich offensiv auch durchzusetzen und zielstrebig zu sein. Das ist ein großer Punkt. Wir haben viele tolle Fußballer, die bislang aber nicht die Quote haben, die sie haben müssten. Da sind wir auch wieder bei Verantwortung und Entwicklung, diesen nächsten Schritt zu machen, um mehr Torabschlüsse und Torbeteiligungen zu haben. Wir können immer nur daran arbeiten, unsere Taktik darauf auszulegen, sie in diese Position zu bringen. Am Ende liegt es an den Spielern auf dem Platz, um aus diesen Situationen Kapital zu schlagen.
Zu Beginn der Vorbereitung hatten Sie zunächst eine sehr große, dann eine sehr kleine Trainingsgruppe, in Kirchberg sind es 16 Feldspieler und drei Torhüter. Wie stellt man es da als Trainer an, trotzdem alle individuell abzuholen und die Inhalte, auf die es ankommt, zu vermitteln?
Mit offener und ehrlicher Kommunikation. Ich denke, jeder in der Gruppe weiß, woran er ist. Und wenn er es nicht ist, kann er fragen. Wir haben von Anfang an offen kommuniziert, dass wir eine U23 sind und diese Form von Flexibilität dazugehört.

Im Trainingslager in Kirchberg haben wichtige Leistungsträger wie Guille Bueno und Paul Besong gefehlt, die währenddessen bei den Profis waren. Wie viel Einfluss hat das auf Ihre Arbeit?
Das müssen wir natürlich in der gesamten Vorbereitungsplanung berücksichtigen. Wir passen unsere Einheiten dementsprechend immer wieder an, damit wir unsere Inhalte vermitteln können. Mit Edin Terzic ist der Austausch super. Er macht uns alle Zugeständnisse, die möglich sind und macht es mir als U23-Trainer sehr einfach und angenehm. Gleichzeitig kann ich natürlich auch seine Situation nachvollziehen und weiß auch, dass mein Job in erster Linie im Support der Profi-Abteilung besteht. Es ist unser Ziel, die Spieler bestmöglich darauf vorzubereiten, eines Tages mal bei den Profis dabei zu sein. Und jeder, der oben dabei ist, ist im Endeffekt ein Erfolg für uns. Deswegen werde ich auch nicht jammern, wenn jemand bei uns in der U23 fehlt.
Sie haben vor einigen Monaten angekündigt, dass Ihnen eine noch bessere Verzahnung der U23 mit den Profis vorschwebt. Wo stehen Sie in diesem Prozess?
Ich schaue, was die Profis machen und versuche, unsere Spielweise so weit wie möglich anzupassen. Wir sind dazu im Austausch. Wir versuchen es bei der U23, so ähnlich wie möglich wie die Profis zu machen, müssen dabei aber natürlich auch unsere eigenen Gegebenheiten berücksichtigen. Wir versuchen, die Abläufe anzupassen, damit es für die Spieler die Übergänge möglichst einfach sind, wenn sie mal oben mit dabei sind.
Was möchten Sie von Ihrer Mannschaft in der neuen Saison immer sehen?
Immer hundertprozentige Bereitschaft. Dass die Jungs immer dazu bereit sind, an ihre Grenzen zu gehen.
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