Marcel Schmelzer ergatterte am Samstag eine kleine weißen Trophäe. Auf dem Rückweg in die Kabine hatte er sich das Trikot von Münchens Julian Guttau unter den Arm geklemmt. „Ich hatte früher ja nicht die Gelegenheit, gegen 1860 zu spielen“, erklärte der Co-Trainer der BVB-U23 mit einem verschmitzten Grinsen. Nun ja, wenigstens etwas. Denn damit war er vermutlich der einzige Dortmunder, der an diesem Nachmittag nach einer ebenso bitteren wie verdienten 1:2 (1:0)-Niederlage gegen die Löwen nicht mit leeren Händen dastand.
BVB-U23 gibt Spiel aus der Hand
Nach dem 3:0-Erfolg gegen Alemannia Aachen hatte BVB-Trainer Jan Zimmerman auf eine „punktereiche Woche“ gehofft. Dies aber erwies sich als utopisches Ansinnen. Am vergangenen Mittwoch genügten 15 Minuten, in denen seine Mannschaft erst vollständig die Ordnung verlor und dann das Derby bei Rot-Weiss Essen (1:3). Und auch gegen 1860 München kam Schwarzgelb nach ordentlichem ersten Durchgang und einer 1:0-Halbzeitführung nach dem Treffer von Ayman Azhil (34.) ebenso unerwartet wie unerklärlich vom Kurs ab.
Der abrupte Einbruch gab den Borussen nach Abpfiff Rätsel auf. „Ich weiß nicht, wieso wir das Spiel nach der Pause so hergeben. Wir haben in der zweiten Hälfte die Kontrolle verloren, einen Sonntagsschuss kassiert und es ist alles gegen uns gelaufen“, sagte Michael Eberwein im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten. Der mit 28 Jahren auf dem Feld älteste und erfahrenste Dortmunder suchte in der Mixed Zone fieberhaft nach Ansätzen für die Misere. Eine vollständige Erklärung für die wellenförmigen Leistungen auch innerhalb der 90 Minuten schien an diesem Nachmittag kein Borusse zu haben. Ihre Beobachtungen ermöglichen bei der Beantwortung der offenen Fragen aber zumindest eine Annäherung.
BVB-Zweikampfverhalten wirft Fragen auf
„Wir haben uns nicht mehr gewehrt. Wir haben keine Zweikämpfe und keine zweiten Bälle mehr gewonnen – und nur darüber geht’s“, erklärte Eberwein, der die nötige Entschlossenheit und Galligkeit vermisste. Sich hinten wie vorne vorbehaltlos in die Duelle zu stürzen, ist nicht bei allen Dortmundern gleichermaßen und selbst bei denen mit einer erhöhten Bereitschaft nicht gleichermaßen konstant gegeben.

Das betrifft sowohl die Spieler mit defensivem wie offensivem Auftrag. Vorm 1:1 durch Maximilian Wolfram (55.) ließ Danylo Krevsun den Münchner viel zu leicht gewähren. Der 19-Jährige war kurz zuvor eingewechselt worden und musste auf der für ihn ungewohnten Rechtsverteidiger-Position aushelfen. Daher: „Keinen Vorwurf an Danylo, aber den Zweikampf muss er richtig aufnehmen, dann passiert nichts, dann blockt er den Schuss“, haderte der Sportliche Leiter Ingo Preuß.
BVB-Fehler werden eiskalt bestraft
Auch Zimmermann stimmte zu: „In dieser Liga und im Herrenbereich werden Fehler eiskalt bestraft, was im Jugendfußball vielleicht so noch nicht passiert. Da müssen wir jetzt auch mal den Finger in die Wunde legen, sonst wird es eine schwere Saison für uns.“ Der BVB-Trainer nimmt seine junge Mannschaft klar in die Pflicht: „Wie wir so ein Spiel aus der Hand geben können, zeigt, dass Potenzial noch nicht Qualität ist.“
Um Potenzial in Qualität zu verwandeln, bedürfe es harter Arbeit. Ganz oben auf der Agenda steht dabei bedingungslose Einsatzbereitschaft, die bei der BVB-U23 bislang nicht immer gleichermaßen ausgeprägt scheint. „Es zieht sich bis jetzt durch die Saison, dass wir in den entscheidenden Situationen einfach nicht konsequent genug sind, um entweder ein Tor zu schießen oder aber auch ein Tor zu verteidigen. Da sind wir noch nicht präsent genug. Ich habe oft das Gefühl, wir sind gut drin, könnten viel mehr draus machen, aber kriegen es nicht hin“, analysierte Eberwein.
BVB-Angriffe zu schlampig ausgespielt
Umschaltmomente oder Überzahlsituationen spielte der BVB gegen 1860 nicht mit der nötigen Geradlinigkeit aus, wodurch potenzielle Gefahr rasch verpuffte. „Wir hatten zwar im Ansatz gute Chancen, aber wir bringen es einfach nicht zu Ende“, so Eberwein. „Wir müssen diese Fehler schnellstmöglich abstellen, mehr Zweikämpfe gewinnen und in den entscheidenden Situationen präsenter sein. Wir müssen im Strafraum unsere Situationen besser abschließen“, findet Jan Zimmermann ein gut gefülltes Aufgabenheft vor.

„Gerade von der Mittelfeldachse, die auf dem Platz stand, erwarte ich mir mehr Präsenz, mehr gewonnene Zweikämpfe und dass sie in diesen Phasen unser Spiel mehr lenkt“, erteilte der BVB-Trainer einen klaren Auftrag an Eberwein, Azhil und Franz Roggow. Das 1:2 (60.) nach einem Traumtor von Tunay Deniz aus mehr als 40 Metern über den verdutzten Marcel Lotka hinweg hakte Zimmermann hingegen rasch ab.
BVB-U23 fehlt ein Vollstrecker
Dafür wird immer deutlicher, dass der BVB-U23 bisher ein Vollstrecker im Angriff fehlt. „Paul Besong ist verletzt, das ist natürlich ein Faktor. Rodney Elongo-Yombo ist nicht in der Verfassung, in der ich es mir in dieser Saison erhofft hatte. Das muss man nach acht Spielen so klar sagen. Der einzig konstante Spieler ist aktuell Julian Hettwer. Da wird es jetzt schleunigst Zeit, dass der eine oder andere etwas Zählbares stehen hat“, sagte Zimmermann deutlich.
Die Hälfte ihrer acht Saisonspiele hat die BVB-U23 bislang verloren. Gerade mal ein Zähler trennt sie von der Abstiegszone. Die bisherigen Resultate und Eindrücke haben Ingo Preuß in seiner Einschätzung bestätigt, dass es in der 3. Liga vorrangig um den Klassenerhalt geht. „Es gibt in dieser Liga kein Hühnerfutter. Wir haben ordentliche Spiele abgeliefert, aber in Summe haben wir bei allen guten Ansätzen schlicht und einfach zu wenig Punkte.“
Am kommenden Freitag (19 Uhr) ist Topteam Dynamo Dresden in der Roten Erde zu Gast. Es droht die dritte Niederlage in Serie – und damit im Herbst vorerst der Abstiegskampf. „Wir sind noch früh in der Saison. Von Druck würde ich daher überhaupt nicht sprechen. Ich bin einfach nur genervt, dass wir die Spiele nicht gewinnen. Ich bin sehr davon überzeugt, dass wir noch genügend Punkte holen werden, weil wir gut sind. Aber natürlich müssen wir aufpassen, dass wir die richtigen Schlüsse ziehen und nicht in einen Strudel geraten“, mahnte Eberwein.
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