Julian Rijkhoff hat bei Instagram 53.700 Follower. Tom Rothe kommt auf 45.000, Nnamdi Collins bringt es auf 27.000 und Samuel Bamba folgen immerhin auch schon 12.600 Menschen. In den sozialen Medien halten die BVB-Talente ihre Fans auf dem Laufenden. Nach Spielen müssen sie regelmäßig Selfie-Wünsche erfüllen und Autogramme schreiben. Bei all dem Hype und Trubel um die eigene Person müssen die Jung-Profis von Borussia Dortmund einen kühlen Kopf bewahren. Das wird mitunter zu einer echten Herausforderung – auch für den BVB und dessen Ausbildung im Nachwuchsleistungszentrum.
BVB-Talente mit vielen Followern
Das jedenfalls sagt Mike Tullberg im BVB-Podcast der Ruhr Nachrichten. Der Trainer der U19 hat in den vergangenen Jahren eine Entwicklung registriert, die nicht nur Begeisterung hervorruft. Die Jugend verändere sich permanent. Dieser Wandel mache sich im Dortmunder Trainingsalltag und im zwischenmenschlichen Umgang bemerkbar. „In unseren Besprechungen merke ich es immer wieder: Da sitzt diese Tik-Tok-Generation mit ihren Handys und für die gibt es nicht mehr als 160 Zeichen.“ Nach zehn, 15 Minuten lasse die Aufmerksamkeit spürbar nach, „so dass wir die Jungs mehr einbinden, mehr fragen, mehr reinholen müssen als noch vor fünf Jahren“.
Die abnehmende Aufmerksamkeitsspanne und damit die schwieriger werdende Vermittlung komplexer Inhalte ist das eine. Das andere die (zunehmende) Diskrepanz zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung, die unter all den Jubelarien der Follower im Netz bei manchen Spielern entstehe.
Korrekte Selbsteinschätzung ein großes Manko
„Bei den Jugendlichen, die wir heute bekommen, hakt es bei der Selbsteinschätzung. Das hat mehrere Gründe. Die Jungs haben heute zwei Leben, zwei Identitäten. Sie sind einerseits Fußballer und dann gibt es die sozialen Medien. Was da mittlerweile los ist, ist Wahnsinn. Die Jungs kriegen oft aus jeder Ecke zu hören, wie toll sie sind. Dann trotzdem einschätzen zu können, wo sie in ihrer Entwicklung gerade stehen, ist sehr schwierig für sie“, berichtet Tullberg.
Von großer Bedeutung sei auch das Umfeld der Spieler. Wie offen und ehrlich kommuniziert der Berater? Weist er seinen Schützling auch auf noch immer vorhandene Schwächen hin? Und wie ist es familiär bestellt? Für Tullberg steht fest: „Es ist ein riesiger Vorteil, wenn die Jungs eine gesunde Selbsteinschätzung haben. Dann ist es deutlich einfacher mit ihnen zusammenzuarbeiten, vor allem auch an ihren Defiziten.“
BVB-Trainer Tullberg setzt auf Empathie
Entscheidend ist es aus Sicht des Dänen das richtige Maß an Empathie. Tullberg ist nicht nur Trainer der BVB-U19, sondern in vielfacher Hinsicht auch Erzieher und manchmal auch zweiter Vater für die Spieler. Er ist im wahrsten Sinne ein Fußball-Lehrer. „Es ist wichtig, dass man sich in die Situation der Jungs hineinversetzen kann“, betont Tullberg, dessen Mutter 35 Jahre lang Pädagogin war.

„Wir behandeln jeden gleich damit, dass wir jeden unterschiedlich behandeln. Denn wir sind alle unterschiedlich. Aber du musst einen Rahmen schaffen, in dem wir alle die gleichen Regeln haben“, erläutert Tullberg. Verbindlichkeit ist ihm wichtig. Dennoch ist auch Fingerspitzengefühl gefragt. Muss er dem einen mehr Freiheiten zur Entfaltung geben, braucht ein anderer Spieler womöglich die kurze Leine. Es ist ein permanentes Austarieren.
Am Mittwoch (18.30 Uhr) tritt die U19 des BVB im Westfalenpokal-Halbfinale beim FC Schalke 04 an. Die Ruhr Nachrichten zeigen die Partie der beiden Revier-Rivalen in einem Livestream auf rn.de/bvb.
Kein Unterschied zwischen Putzfrau und Sportdirektor
Ob den jungen Spielern bewusst sei, dass sie zwei Identitäten hätten? „Nein, überhaupt nicht. Das verstehen sie noch nicht. Im Zweifelsfall will der eine oder andere auch erst mal nur diese eine Identität haben, weil er deshalb Tausende Follower hat und ihm das eine Bühne verschafft. Das kann ich auch verstehen, die Spieler sind jung. Im Endeffekt werden sie aber daran gemessen, ob sie gute oder schlechte Menschen sind“, betont Mike Tullberg.
Zum Glück, sagt der 37-Jährige, habe er in seiner Mannschaft ganz viele gute Jungs. „Mir ist wichtig, wie sie die Putzfrau und wie den Sportlichen Leiter Sebastian Kehl oder einen Profi begrüßen. Es ist mir wichtig, dass sie verstehen: Ein Mensch ist ein Mensch. Geld ist Geld. Es ist schön, welches zu haben. Aber im Leben gehört Respekt dazu“, sagt der BVB-Coach.
BVB-Talente brauchen das richtige Gespür
Es sei ihm ein großes Anliegen, den Talenten diese Werte mitzugeben. Zu sich selbst zu stehen, gehört für Tullberg auch dazu. „Für mich ist es sehr wichtig, dass sie sich trauen, so zu sein, wie sie sind und sich nicht verstecken. Es gibt so viele Themen, bei denen es darum geht: Kann man sein wahres Gesicht zeigen? Vielleicht macht man sich dadurch angreifbar.“ Dem halte er Ehrlichkeit und Authentizität entgegen.

Um am Ende über den Status des Hochbegabten hinauszukommen und es tatsächlich bis zu den Profis zu schaffen, dafür braucht es nach Ansicht von Mike Tullberg die richtige Mischung aus vier Eigenschaften. „Dazu gehört mehr als Talent, dazu gehören Mentalität, Fleiß und natürlich auch eine gesunde Selbsteinschätzung. Es kommt darauf an, wie du bei den Profis ankommst – entweder mit der Nase nach oben und du denkst, du bist ein Geschenk, oder mit einem gesunden Selbstvertrauen, dass du dich zeigen willst, aber dich auch anzupassen weißt. Du kommst in eine Hierarchie. Dafür musst du schon ein Gespür haben. Denn du kannst dich sehr schnell verbrennen als junger Spieler.“
Entscheidend sind eben nicht die Follower, die die Spieler selber haben, sondern die Ratschläge, denen sie selbst folgen.
Mike Tullberg persönlich wie selten - Trainer liebt Arbeit mit Talenten: BVB-Podcast 374
BVB-U19-Trainer Mike Tullberg gewährt tiefe Einblicke: „Ich hatte Todesangst“
Zukunft von BVB-Juwel Julian Rijkhoff offen: Toptalent noch weit weg vom Profi-Kader