BVB-U19-Trainer Mike Tullberg gewährt tiefe Einblicke „Ich hatte Todesangst“

BVB-U19-Trainer Mike Tullberg gewährt tiefe Einblicke: „Ich hatte Todesangst“
Lesezeit

Mike Tullberg ist 45 Minuten vor der vereinbarten Zeit an Ort und Stelle. Der U19-Trainer des BVB lebt mit seiner Familie in Essen. Um nach Dortmund zu gelangen, muss er über die A40 fahren. Da gibt es schon mal einen Stau. Deshalb ist er lieber früher da. Etwas zu trinken lehnt er mehrfach ab. Braucht er nicht. Und das, obwohl er in den kommenden rund drei Stunden, die er im Pressehaus der Ruhr Nachrichten verbringt, sehr viel reden wird. Als Gast im BVB-Podcast spricht der 37-Jährige über die Ausbildung der schwarzgelben Talente, die Zusammenarbeit mit Cheftrainer Edin Terzic, die Wechsel-Gerüchte zu Eintracht Frankfurt und vor allem auch über sich selbst.

BVB-Trainer Tullberg spricht sehr persönlich

Tullberg wird im Gespräch sehr persönlich und spricht offen über eine schwere Krise in jungen Jahren. Im oft oberflächlichen und ausschließlich glitzern erscheinenden Profifußball schildert der Däne ehrlich die Schattenseiten, die er zu Beginn seiner eigenen Karriere erlebt hat. Aber auch, was er daraus für seine Tätigkeit als Trainer ableitet und warum ihn das als Mensch hat reifen lassen.

„Ich habe in meinem eigenen Leben recht schnell festgestellt: Ich bin nicht der beste oder talentierteste Fußballer. Aber ich hatte sehr viel Herz, Mentalität und Wille“, sagt Tullberg. Und er hatte sich als Jugendlicher vorgenommen, es zum Fußballprofi zu bringen. Mit 18 Jahren reißt er sich das vordere und das hintere Kreuzband. Seine Reha absolviert er in Dänemark auf einer Fußballschule, die auf einem Bauernhof liegt. Fünf Stunden entfernt von seinem Elternhaus. Tagsüber geht er zur Schule und lernt für den Abschluss, nachts quält er sich in der Reha für das Comeback.

Psychische Probleme als Jugendlicher

Monatelang geht das so. „Dafür habe ich später die Rechnung bezahlt, weil ich in ein Loch gefallen bin. Ich habe es übertrieben. Es ist nicht gesund, wenn man vier, fünf Monate Reha macht und tagsüber zur Schule geht, um alles bestmöglich abschließen zu wollen. Meine Eltern waren nicht da. Ich hatte wenig Unterstützung“, sagt Tullberg.

„Die Betreuung damals war sehr begrenzt. Wir hatten Flemming Povlsen als Trainer, der kam zwei Stunden am Tag vorbei, um uns zu trainieren. Und wir hatten einen Betreuer auf dem Bauernhof für 55 Jungs. Im Alltag hatte ich keine Physios. Ich habe mich damals in den Bus gesetzt und bin fünf Stunden nach Kopenhagen gefahren, damit ich mir dort von einem Physiotherapeuten ein Programm für eine Woche geben lasse. Dann bin ich wieder fünf Stunden mit dem Bus zurückgefahren. Ich habe mich selbst drum gekümmert und war komplett auf mich allein gestellt. Vergleich das mal mit heute: Wenn sich heute ein Spieler verletzt, dann stehen zwei Physios und zwei Reha-Trainer um ihn herum“, erzählt Mike Tullberg.

„Fußball ist das Allerwichtigste, das nicht wichtig ist“

Er aber muss und will es damals alleine schaffen. Doch der Ehrgeiz fordert seinen Tribut. „Damals war es zu viel für einen 17, 18-jährigen Jungen. Irgendwann war ich wieder fit und dann kam sehr viel Angst dazu. Ich hatte damals auch Todesangst und verschiedene andere Sachen, daraus mache ich kein Geheiminis. Ich bin ein riesiges Loch gefallen. Das ist auch klar, wenn man vier bis sechs Monate so lebt, wie ich das damals gemacht habe. Das war nicht gesund. Im Endeffekt habe ich versucht, da mit professioneller Hilfe rauszukommen“, betont der BVB-Trainer.

Mike Tullberg führt ein Laufduell um den Ball.
2009: Mike Tullberg spielt als Zweitliga-Profi von RW Oberhausen gegen 1860 München. © imago sportfotodienst

Für ihn sei dieses Erlebnis eine Warnung gewesen. Heute weiß er: „Fußball ist das Allerwichtigste, das nicht wichtig ist.“ Tullberg schafft es, die richtigen Lehren aus dieser schweren Episode zu ziehen. Und er schafft, was er sich vorgenommen hat: Er wird Fußballprofi. Zunächst in seiner Heimat Dänemark bei Aarhus GF, später in Italien, in Schottland und in der 2. Bundesliga bei RW Oberhausen. Seine Karriere aber ist geprägt von verletzungsbedingten Rückschlägen und dem Umgang mit ihnen. So wie zu Beginn seiner Laufbahn.

Erlebnisse lassen Tullberg als Mensch reifen

„Das, was ich damals erlebt habe, macht mich als Mensch reifer und stärker. Deswegen habe ich keine Probleme über so etwas zu sprechen“, unterstreicht Mike Tullberg. Im Gegenteil: Seine Erlebnisse als Jungprofi und sein eigener Werdegang fließen in die tägliche Arbeit als U19-Trainer mit den Talenten beim BVB ein. „Ich sage meinen Jungs: Versteck dich nicht als Mensch, sei so wie du bist. Und man soll sich trauen, das zu sagen, was man erlebt hat.“

Im dem rund 90-minütigen Podcast zeigt sich Tullberg verwundbar und stark zugleich. Er antwortet reflektiert, authentisch und empathisch. Als er über seinen Spieler Hendry Blank spricht, zu dem er eine besondere Verbindung hat, schießen ihm kurzzeitig Tränen in die Augen. Da ist er nicht mehr der Trainer Tullberg, da ist er der Mensch Mike.

BVB-Wertschätzung imponiert Tullberg

Seit vier Jahren ist der Däne nun für den BVB tätig und leistet sehr erfolgreiche Arbeit. „Wenn ich in Brackel aufs Gelände fahre und ich sehe dieses Logo, dann ist es für mich jeden Tag etwas Besonderes. Es ist etwas Besonderes aufzustehen und für diesen Verein arbeiten zu dürfen.“ Er erlebe eine Menge Wertschätzung. Bei Borussia Dortmund ist er gleichermaßen als Trainer wie als Mensch gefragt. Und er ist ganz bei sich.

„Ich bin auf jeden Fall jetzt glücklich. Ich würde nichts anderes behaupten.“

Am Mittwoch (18.30 Uhr) tritt die U19 des BVB im Westfalenpokal-Halbfinale beim FC Schalke 04 an. Die Ruhr Nachrichten zeigen die Partie der beiden Revier-Rivalen in einem Livestream.

Mike Tullberg persönlich wie selten - Trainer liebt Arbeit mit Talenten: BVB-Podcast 374

Spekulationen um BVB-U19-Trainer Mike Tullberg: Entscheidung über sportliche Zukunft gefallen

Der stille Held: Hendry Blank sorgt bei BVB-U19 für Furore