Im Schneckenrennen um Europa hat Borussia Dortmund spätestens mit dem spektakulären Last-Minute-Sieg in Hoffenheim die Siebenmeilenstiefel ausgepackt. 13 Punkte heimste der BVB in den vergangenen fünf Bundesliga-Partien ein und kann nun noch retten, was vor einigen Wochen noch als Katastrophen-Saison für den BVB in die Geschichtsbücher einzugehen drohte. Erstmals seit dem 15. Spieltag beendet Dortmund eine Spielrunde auf einem Platz, der zur Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb berechtigt. Auf der Zielgeraden ist neben dem lösbaren Restprogramm auch noch das Momentum auf Dortmunder Seite.
BVB-Stürmer Guirassy im Fokus
Dem Sieg im Kraichgau wohnte viel Glück beim umstrittenen 3:2-Siegtreffer inne, ihm ging aber auch eine Partie voraus, die man viel klarer hätte für sich entscheiden müssen und unnötig spannend machte. Im ersten Durchgang kontrollierte der BVB das Geschehen und hätte zwingend mindestens mit einem 2:0 in die Pause gehen müssen. Dass dies misslang, lag auch an einem extrem schwach geschossenen Elfmeter von Serhou Guirassy, der gegen Barcelona vom Punkt aus noch mit Eiseskälte einen Chip-Ball in die Mitte des Tores gespielt hatte, diesmal aber den Weg flach ins Eck suchte. Für Oliver Baumann so früh zu erkennen, dass der Hoffenheimer Schlussmann quasi schon im Eck lag, als der Ball dort eintrudelte.
Dass dem verschossenen Elfmeter eine Diskussion mit seinem Kapitän vorausging, dürfte viele BVB-Fans schmerzlich an die identische Situation vor nunmehr fast zwei Jahren gegen den FSV Mainz 05 erinnert haben. Damals schnappte sich Sebastien Haller den Ball aus den Händen Emre Cans, der auch am Samstag schon zur Ausführung bereitstand. Wie damals überließ Can nach einer kurzen Diskussion dem Stürmer die Kugel. Der hieß diesmal Guirassy. Can begründete dies später damit, sein Teamkollege habe sich sicher gefühlt.
Guirassy stellt BVB-Teamgedanken hinten an
Ging Borussia Dortmunds Kapitän in dieser Szene eindeutig mit einer zu großen Portion Uneigennützigkeit zu Werke, sprach aus dem Handeln des Torjägers eindeutig zu großer Egoismus. Can ist als sicherer Schütze bekannt und eigentlich gesetzt. Er war auch diesmal bereit, Verantwortung zu übernehmen. „Manchmal“, meinte er entschuldigend, „stellt sich ein Torhüter auf den Schützen ein. Ich hatte kein Problem damit, Serhou hat ja auch schon einige verwandelt.“
Diesmal nicht. Doch da wollte jemand noch stärker im Rampenlicht stehen. Schon der Torjubel nach dem erst vom VAR bestätigten 1:0-Führungstreffer Guirassys direkt vor der TSG-Kurve war provokativ und wirkte völlig überzogen. Nach seinem 30. Pflichtspieltreffer wollte der 29-Jährige dann augenscheinlich unbedingt noch Nummer 31 folgen lassen. Letztlich blieb die gescheiterte Aktion folgenlos. Dass der unersetzbare Stürmer sich nicht zum ersten Mal so in den Vordergrund drängte, sich als Ich-AG präsentierte und damit auch den Teamgedanken hintenanstellte, gibt jedoch zu denken.
BVB holt Hoffenheim zurück ins Spiel
Der BVB wird schnell zur Tagesordnung übergehen. Das ist auch gut so, denn gewonnen ist trotz der längsten Serie ungeschlagener Spiele in dieser Saison noch nichts. Wie Dortmund nach der Pause einen eigentlich harmlosen Gegner wieder zurück ins Spiel holte, zeigte auf, dass die Mannschaft nach dieser bislang so turbulenten Bundesliga-Runde längst noch nicht so gefestigt ist, wie sich das auch Niko Kovac wünschen würde. Man müsse erwachsener spielen, meinten Can und sein Abwehr-Kollege Waldemar Anton unisono.
Diese Forderung der Spieler an sich selbst gibt es seit Monaten. Can ist 31, Anton 28, auch um die beiden herum gibt es genügend Erfahrung. Als unerfahren im Team konnten am Samstag allenfalls der junge Daniel Svensson und Jamie Gittens ins Feld geführt werden. Auch Kovac war der Verlauf der Partie daher ein Dorn im Auge, er wird womöglich auch ein klärendes Wort mit seinem treffsicheren Torjäger sprechen. Dessen provokanter Jubel sei „unnötig“ gewesen, meinte er bei „Sky“. Im Schlussspurt darf nichts mehr daneben gehen, ein Remis im Kraichgau wäre ein heftiger Dämpfer gewesen.
Psychologischer Vorteil liegt beim BVB
Schon vor dem Anstoß der Samstagspartien war klar, dass es ein bedeutender Spieltag werden könnte, Antons später Schuss ins Glück sorgt nun dafür, dass sich der große Druck nun auch auf die Konkurrenten verteilt. Am Abend verlor auch noch Leipzig, die oft unscheinbar, vor allem aber unaufgeregten Freiburger könnten im Endspurt der Konkurrent sein, den es zu überflügeln gilt. Der psychologische Vorteil aber liegt aktuell beim Jäger aus Westfalen.