BVB-Star muss die nächste Enttäuschung verarbeiten

Marco Reus

BVB-Star Marco Reus spielt endlich seine erste Weltmeisterschaft. Mit 29 Jahren. Doch der erfüllte Kindheitstraum wird zum sportlichen Albtraum.

DORTMUND

, 01.07.2018, 09:45 Uhr / Lesedauer: 3 min
Marco Reus‘ erste WM-Teilnahme endete mit einer großen Enttäuschung.

Marco Reus‘ erste WM-Teilnahme endete mit einer großen Enttäuschung. © dpa

Im Moment der größten Enttäuschung und der großen Leere irrte der Bundestrainer zu ihm. Joachim Löw zog es zu Marco Reus. Nur zu Reus, und dann runter vom Platz der mächtigen Kasan-Arena, dem Ort des sportlichen Unglücks. Ein kurzer Schulterklopfer, ein kurzes Tätscheln über den Rücken, dann verschwand Löw in den Katakomben des Stadions und ließ Reus allein auf dem Rasen zurück. Es sah nach dem Versuch eines Trainers aus, seinem Spieler Trost zu spenden, obwohl es nirgends Trost gab nach diesem 0:2 gegen Südkorea. Es sah wie die Entschuldigung eines Trainers aus, der seinen Spieler für die wichtigen Spiele spät im Turnier eingeplant hatte, obwohl die wichtigen Spiele früh im Turnier stattgefunden hatten.

Besondere Tragik

Das Turnier ist für Deutschland vorbei. Der Weltmeister ist raus. Als Gruppenletzter nach der Vorrunde, so früh wie noch nie. Das gilt für alle Nationalspieler gleichermaßen, und doch gilt es für Reus im Speziellen. Es ist eine besondere Tragik, die sich um seine WM-Geschichte rankt. Es war seine erste Weltmeisterschaft. Mit 29 Jahren. Der Kindheitstraum ist zum sportlichen Albtraum geworden.

„Da war er endlich mal bei einem großen Turnier dabei, und dann endet es so“, sagt BVB-Sportdirektor Michael Zorc. Das klingt nicht nur nach Mitleid, das ist Mitleid - und das wiederum ist nun mal so mit das Schlimmste, das ein Profisportler erfahren kann. Das weiß auch Zorc, der es bestimmt nicht böse meint mit dem größten Star und wichtigsten Spieler in seinem Kader. „Marco trifft am WM-Aus sicherlich mit am wenigsten Schuld.“

Düsteres Kapitel

Reus selbst hat nach dem WM-Aus noch nichts gesagt, zumindest nicht in der Öffentlichkeit. Nach dem 0:2 gegen Südkorea saß er lange gedankenverloren auf der Ersatzbank, mal vergrub er das Gesicht in den Händen, mal ging sein Blick ins Leere. Vielleicht hat er in diesen Minuten einfach an gar nichts gedacht. Vielleicht hat er den Fußball, dieses manchmal so schmerzhafte Spiel, verflucht. Vielleicht hat er sich gefragt, ob das alles überhaupt noch wahr sein kann. Und vielleicht hat er sich die Frage gestellt: Warum ich schon wieder?

Fassungslos nach dem 0:2 gegen Südkorea: Marco Reus (l.) und Thomas Müller.

Fassungslos nach dem 0:2 gegen Südkorea: Marco Reus (l.) und Thomas Müller. © dpa


Denn Reus und die Nationalmannschaft, das ist eigentlich seit jeher vor allem durch eines geprägt: Tragik. Eine Mitläuferrolle bei der EM 2012, die damals noch etwas zu früh kommt, ein verletzungsbedingtes WM-Aus 2014, ein verletzungsbedingtes EM-Aus 2016: Nur 34 Länderspiele zieren - trotz aller unbestrittenen Klasse - Reus‘ Vita. Und nun bekommt diese gruselige Geschichte ein weiteres düsteres Kapitel, vielleicht ist es das dunkelste.

Eine von vielen Fehleinschätzungen

Der Teil der Geschichte mit der Überschrift „WM in Russland“ ist (zu) schnell erzählt. Im ersten Spiel gegen Mexiko muss Reus 60 Minuten lang von der Seitenlinie aus mit ansehen, wie sich die deutsche Elf von Mexiko überrumpeln lässt. Reus ist nur Ersatz, Joachim Löw hat ihn eben für die „wichtigen Spiele“ vorgesehen. Es soll ja ein „langes Turnier“ werden. Zu diesem Zeitpunkt ist die Entscheidung des Bundestrainers bereits fragwürdig. Rückblickend betrachtet ist sie eine von vielen Fehleinschätzungen, die zum frühen WM-Aus geführt haben.

Reus kommt gegen Mexiko schließlich nach einer Stunde ins Spiel, belebt die deutschen Offensivbemühungen, aber am Ende bleibt es beim 0:1. Im zweiten Spiel bringen sein Tor zum 1:1 und eine spontan ausgeklügelte Freistoßvariante mit Toni Kroos die Hoffnung zurück, doch im Gruppen-Endspiel gegen Südkorea geht Reus dann wie so viele seiner Mannschaftskollegen völlig unter.

„Nicht seinen besten Tag“

„Beim ersten Spiel durfte er erst nicht mitspielen, beim zweiten hat er das Spiel mit gedreht, gegen Südkorea hatte auch er nicht seinen besten Tag.“ So fasst es Michael Zorc zusammen. Es ist eine teilbare Einordnung des Erlebten. Unter dem Strich stehen für Reus anderthalb gute und ein schlechter Auftritt in Russland in der Bilanz. Damit ist er in puncto guter Leistungen vielen deutschen Nationalspielern etwas voraus. Was ihm freilich fehlt, ist die Krönung von 2014.

Marco Reus und Freundin Scarlett Gartmann nach der Rückkehr am Frankfurter Flughafen.

Marco Reus und Freundin Scarlett Gartmann nach der Rückkehr am Frankfurter Flughafen. © dpa


Mit 28 oder 29 könne man im Fußball nicht alles neu erfinden, hat Marco Reus vor der WM im Gespräch mit dieser Zeitung gesagt. Man habe vielleicht noch fünf bis sechs Jahre auf höchstem Niveau - also solle man Spaß haben und alles aus sich rausholen.

Positive Wende

Nach Spaß sah das bei der WM alles nicht aus - und alles rausholen tun andere. Wenn das mit den fünf bis sechs bleibenden Jahren auf höchstem Niveau stimmt, besteht für Marco Reus zumindest Hoffnung auf weitere große Turniere. In zwei Jahren ist EM, in vier Jahren dann die WM in Katar. Es sind die allerletzten Chancen, seiner Gruselgeschichte im Nationalmannschaftstrikot eine positive Wendung zu geben.

Durch das vorzeitige Aus der deutschen Nationalmannschaft bei der WM wird Reus deutlich früher ins BVB-Training einsteigen als erwartet. „Marco bekommt drei Wochen Urlaub und wird dann in die USA nachreisen“, bestätigte Zorc.

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