Wir sehen einen ganz neuen Mahmoud Dahoud vor uns. Wo ist Ihr Schnäuzer?
Der war cool, oder? (lacht) Aber für das neue Jahr wollte ich einfach mal wieder etwas Neues.
Auf den Fotos aus Ihrem Urlaub in Dubai ist uns neben Ihrem Bart auch der Klamotten-Style aufgefallen. Legen Sie viel Wert auf Ihr Äußeres?
Schon. Ich bin mehr oder weniger das ganze Jahr nicht draußen gewesen. Wenn ich vom Training nach Hause fahre, bin ich danach meistens nur in meiner Wohnung. Wenn ich dann im Urlaub bin, mache ich morgens Sport, gehe schwimmen – und abends mache ich mich dann zum Essen auch gerne richtig fertig.
Jetzt aber die aller wichtigste Frage: Wie geht es Ihnen?
Ich fühle mich sehr gut.
Die rechte Schulter, an der Sie operiert wurden, fühlt sich also wieder gut an?
Ja. Ich spüre keine Einschränkungen mehr und bin wieder zurück im Mannschaftstraining. Am Anfang ist es sicherlich normal, dass man sich noch nicht direkt wieder so in die Zweikämpfe traut. Aber auch das wird immer besser. In gewissen Spielsituationen denke ich gar nicht mehr drüber nach und gehe einfach rein.
Sie haben in den vergangenen beiden Spielzeiten zusammengerechnet 24 Spiele wegen ihrer Schulter verpasst. Schon im Sommer, nach der ersten Verletzung, wurde über eine Operation diskutiert. Damals haben Sie sich zusammen mit dem Verein dagegen entschieden. Eine falsche Entscheidung?
Im Nachhinein wäre eine Operation sicherlich die bessere Entscheidung gewesen. Aber das konnte man damals nicht wissen. Ich habe nach der ersten Verletzung fast zweieinhalb Monate nur im Kraftraum gearbeitet – jeden Tag Krafttraining und Stabilisationsübungen für die Schulter. Ich habe extrem Muskulatur aufgebaut. Deshalb hätte ich auch nicht gedacht, dass die Schulter so leicht wieder rausfliegt.
Vor allem, weil der Zweikampf mit Bremens Leonardo Bittencourt eher harmlos aussah.
Das geht so schnell. Du spürst einfach, wie da etwas rausrutscht und dann hängst du da wie ein Hähnchen.
Haben Sie sofort gewusst: Da ist etwas kaputt!?
Ja. Das spürst du sofort.

Nach den ersten Diagnosen hieß es zunächst, Sie würden recht schnell zurückkommen können. Dann mussten Sie aber doch unters Messer.
Es war einfach ordentlich etwas kaputt in der Schulter. Unser Mannschaftsarzt hat mir dann zur Operation geraten, weil es ohne einen Eingriff immer wieder hätte passieren können.
Wie waren die Tage nach der Operation?
Nach der Operation war es sehr schmerzhaft. Die ersten acht, neun, zehn Tage waren die Hölle. Ich konnte kaum schlafen.
Wann konnten Sie wieder an Sport denken?
Die ersten drei Wochen habe ich gar nichts gemacht. Danach war ich schon wieder laufen und habe mit der Physiotherapie für die Schulter begonnen. Ab der sechsten Woche ging es dann deutlich besser. Aber ich hatte zwei Monate keinen Ball am Fuß.
Zwei Monate sind für einen Fußballer eine lange Zeit. Verliert man da viel von seinen Fähigkeiten?
Nein, das kommt sehr schnell wieder. Ich musste mich aber wieder daran gewöhnen, wieder mehr mit den Armen zu arbeiten. Das hilft dir, den Ball abzuschirmen, jemanden im Zweikampf wegzuschieben. Heute im Training hat man aber auch gesehen, dass wenn ich an einem Gegenspieler vorbei bin, ich mich noch nicht so traue, den Arm auszufahren, weil ich weiß, es gibt diesen gefährlichen Winkel für die Schulter.
Aber der Arzt hat keine Bedenken mehr?
Ich bin topfit, ich darf alles machen. Das ist vor allem Kopfsache. Ich habe fünf Monate gelitten und ich habe wirklich keine Lust, nach einer Woche wieder aggressiv reinzugehen und dann ist die Schulter wieder draußen. Noch mal fünf Monate raus zu sein, das schaffe ich nicht. Das war mental sehr hart.

Wie schwer fiel ihnen die Zuschauerrolle?
Das war schlimm. Ich bin sehr ungern ins Stadion gegangen. Die Auswärtsspiele habe ich am Fernseher geschaut. Aber auch das war schwer. Ich mag das einfach nicht, weil man weiß: Ich sollte da jetzt eigentlich stehen.
Man hat gesehen, dass dem BVB-Spiel ohne Mahmoud Dahoud auch einiges gefehlt hat. Was würden Sie Ihre größte fußballerische Stärke nennen?
Ich spreche sehr viel auf dem Platz und kommuniziere mit den Mitspielern.
Mit wem am meisten?
(lacht) Mit Mats Hummels. Wir haben uns auch oft gestritten. Auf dem Feld geht es aber immer um die Sache. Wir wollen gewinnen. In der Kabine ist später alles wieder gut. Das ist wichtig.
Es ist Ihre sechste Saison beim BVB. Gerade am Anfang hatten Sie in Dortmund keine leichte Zeit ...
Das stimmt, und ich habe es manchmal auch als unfair empfunden.
Inwiefern?
Ich bin mit 20 Jahren nach Dortmund gekommen und habe nicht die Chance bekommen, mich über mehrere Spiele zu beweisen. Obwohl ich ein gutes Spiel gemacht habe, saß ich in der folgenden Woche trotzdem wieder auf der Bank.
Sie hatten in Ihrer Zeit beim BVB ja einige Trainer …
Ich habe in Dortmund unterschrieben, als Thomas Tuchel Trainer beim BVB war. Er wollte mich haben. Aber als ich dann kam, war er nicht mehr da.

Sie spielten dann unter den Trainern Bosz, Stöger, Favre, Rose und Terzic. Ist Edin Terzic Ihr größter Förderer?
Fußballerisch auf jeden Fall und auch hier in Dortmund zu 100 Prozent. Er hat mir das Vertrauen geschenkt und eine eindeutige Chance gegeben. Wenn ich auf dem Platz bin, will ich diese Wertschätzung immer zurückzahlen. Wir hatten auch in seiner Zeit als Technischer Direktor immer wieder Kontakt. Es ist schön, wieder unter ihm zu spielen.
Woran wollen Sie in Ihrem Spiel mit Hilfe von Terzic noch arbeiten, wo gibt es Verbesserungspotenzial?
Das gibt es in allen Bereichen. Defensive, Offensive, Schüsse, Torgefährlichkeit. Da will ich mich auf jeden Fall verbessern. Es geht immer mehr, für mich ist wichtig, dass ich nach dem schwierigen Jahr 2022 mal wieder über eine längere Strecke gesund bleibe.
Empfinden Sie es auch so, dass Sie in den Jahren beim BVB vor allem defensiv viel hinzugelernt haben?
(lacht) Danke, dass Sie das so sehen. Ja, ich denke schon, Es gehört zum modernen Spiel ja auch dazu.
Sind Sie manchmal sogar zu aggressiv, zu ungestüm in den Zweikämpfen?
Wenn ich das nicht mache, bekommt der Gegenspieler zu viel Zeit. Es ist immer ein schmaler Grat, das stimmt. Aber es geht ja darum, ihm nicht die Zeit zu lassen, die richtige Entscheidung zu treffen.
Als Ihre absolute Stärke würden Sie bezeichnen, dass …
… ich sehr flexibel bin. Und meinen fußballerischen Instinkt.
Sie sind also ein echter Straßenfußballer!?
Schon ja, das manchmal Wilde, Unberechenbare mit dem Ball gehört schon zu meinen Stärken. Aber du musst in der Bundesliga auf höchstem Niveau auch andere Elemente einbringen. Nur gut mit dem Ball umzugehen, reicht alleine nicht.
Terzic lässt gern mit Doppel-Sechs spielen, sehen Sie sich in diesem System eher auf der defensiveren Sechs, oder doch eher in der etwas offensiveren Rolle?
Ich denke, ich kann beide Rollen spielen, ich bin ja auch jemand, der sich gerne etwas tiefer fallen lässt. Wir haben hier im Training auch das 4-1-4-1 mit einem Sechser probiert. Auch das traue ich mir zu. Es wird vom Gegner abhängen, welches System das richtige ist.
Zu welchem Mitspieler passen Sie im defensiven Mittelfeld besser?
Da gibt es kaum Unterschiede. Salih Özcan, Jude Bellingham, Emre Can – ich harmoniere eigentlich mit allen gut.

Was sagen Sie zur Leistungsexplosion von Jude Bellingham?
Er ist unfassbar reif, man merkt nicht, dass er erst 19 Jahre alt ist. Ihn hat das Jahr in der englischen zweiten Liga extrem geprägt und weitergebracht. Er hat mit 16 dort gespielt. Es hilft dir immer in deiner Entwicklung, wenn du mit deutlich älteren Mitspielern spielst. Und sein Stil tut unserem Spiel jetzt sehr gut.
Kann er dennoch auch noch von einem Mahmoud Dahoud lernen?
(lacht) Er ist schon richtig gut. Und jeder hat doch seinen eigenen Spielstil.
Sie haben Ihre Positionskonkurrenten gerade angesprochen. Mindestens vier Spieler für zwei Positionen. Wie bewerten Sie das?
Das kann uns nur guttun. Wir brauchen Konkurrenzkampf. Und wir haben sehr viele Spiele, es wäre schön, wenn der Trainer viel rotieren könnte. Die Gelegenheit hatte er in der Hinrunde ja nur selten.
Wir müssen natürlich noch fragen: Wann kommt der nächste BVB-Podcast mit Ihnen?
(lacht) Ich weiß es nicht. Der letzte ist ja glaube ich ganz gut gelaufen.
Wir fragen natürlich, weil Sie vor einem Jahr dort Ihre Vertragsverlängerung verkündet haben. Jetzt läuft Ihr Vertrag aus, wie ist der Stand?
Wir sind in guten Gesprächen. Ich lasse das auf mich zukommen.
Empfinden Sie es als Drucksituation, noch nicht zu wissen, wie es in fünf Monaten weitergeht?
Überhaupt nicht. Vom aktuellen Gefühl her könnte es auch sein, dass mein Vertrag noch fünf Jahre läuft. Ich konzentriere mich voll darauf, wieder fit zu werden und auf dem Platz zu stehen. Der Rest kommt dann von allein.

Wie war das während Ihrer Verletzungszeit? Hatten Sie da das Gefühl, die Chance zu verpassen, mit guten Spielen für einen neuen Vertrag zu werben?
Nicht wegen meiner Vertragssituation. Aber im Hinblick auf die WM war das keine schöne Geschichte. Ich gehörte zum erweiterten Kreis, ich hätte gern um meine Chance auf einen Platz im Kader gekämpft. Wenn ich gut gespielt hätte, wäre ich vielleicht dabei gewesen.
Wir hören heraus, dass Sie sich in Dortmund sehr wohl fühlen und auch gern bleiben würden?
Ich fühle mich wohl, klar. Ich bin ja schon im sechsten Jahr hier. Das gibt es auch nicht so oft. Ich bin da offen und lasse alles auf mich zukommen.
Würde Sie auch ein Angebot aus Saudi-Arabien reizen? Einmal mit Cristiano Ronaldo zusammenspielen …
(lacht) Arabisch könnte ich ja sogar sprechen. Zumindest ein bisschen.
Der BVB startet von Platz sechs aus. Was muss besser werden in der Restsaison?
Wir dürfen Chancen nicht so einfach liegen lassen. Wir brauchen Siege. Und wir müssen gemeinsam unser Tor verteidigen. Das Potenzial ist bei uns auf jeden Fall da. Der BVB hat es drauf – wir sind mächtig. Aber das müssen wir auch auf dem Platz zeigen.
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