Diese schrillen Töne, laut und dröhnend, passten nicht zur sonstigen Atmosphäre. Fußball-Deutschland feierte die Kurzgeschichte von einem Sommermärchen, die DFB-Elf hatte den späteren Europameister Spanien am Haken. Doch für Verteidiger Waldemar Anton gab es bei jedem Ballkontakt Pfiffe. Zahlreiche. Weil die Partie in Stuttgart ausgetragen wurde. Und die VfB-Fans im Publikum, also Anhänger jenes Klubs, dem er wenige Wochen zuvor noch jahrelange Treue geschworen hatte, wollten partout nicht akzeptieren, dass ihr „Waldi“ soeben seinen Transfer zum BVB durchgezogen hatte.
Anton kehrt mit dem BVB nach Stuttgart zurück
„Nicht schön“, sei das gewesen, meinte Anton Anfang Juli, es sei „schade“ gewesen für ihn, so an der alten Wirkungsstätte empfangen zu werden. Das Problem: Am Sonntagabend (17.30 Uhr, live auf DAZN) wird es noch viel lauter werden. Der 28-Jährige weiß das. Sagt er. „Ich bin da realistisch und habe selbstverständlich die ganze Wut und Enttäuschung vieler Fans mitbekommen“, erklärte er jetzt gegenüber den „Stuttgarter Nachrichten“. „Aber ich denke, wenn man darauf eingestellt ist, kann man auch damit umgehen. Und jeder, der mich kennt, weiß: Auch das wird mich auf dem Platz nicht aus der Ruhe bringen.“
Was im Schwabenland viele Menschen umtreibt: Bei seiner Vertragsverlängerung im Januar freute sich Anton auf „weitere Jahre im Trikot mit dem Brustring“. Der Kontrakt des Kapitäns und Wortführers enthielt allerdings eine Ausstiegsklausel. Der BVB griff im Sommer zu und wendete das (Un-)Recht des (finanziell) Stärkeren an. Wobei Anton Wert darauf legt, nicht wegen des höheren Gehalts zur Borussia gewechselt zu sein, sondern wegen der Ambitionen.
Anton beim BVB direkt Stammspieler
„Die Dortmunder haben fast immer um Titel gespielt, sie standen zweimal im Finale der Champions League, wurden Pokalsieger, einige Male Vizemeister. Der VfB hat in dieser Zeit phasenweise in der zweiten Liga gespielt.“ Und nach vier Jahren in Stuttgart und mit 28 Jahren habe er nach dem Saisonende – trotz der Vize-Meisterschaft mit dem VfB – den Zeitpunkt als richtig angesehen, noch einen Stationswechsel in seiner Profikarriere vorzunehmen. Antons Ex-Trainer Sebastian Hoeneß erklärte am Freitag: „Waldi hat sich als Kapitän bei uns wirklich tadellos verhalte. Es gibt kein böses Blut, keine Kampfansage“. Auch wenn er wisse, „dass es in der Kommunikation hätte anders laufen können“.
In Dortmund hat sich Anton problemlos angepasst, er übernimmt auf dem Platz Verantwortung, dirigiert wie selbstverständlich seine Nebenleute, wenn ihm Fehler in der Positionierung auffallen. Erst zwei Gegentore in der Liga, drei von fünf Pflichtspielen ohne Gegentor – das gesamte Defensivkonzept scheint zu greifen. Von Mats Hummels, dem Anton nachfolgte, ist nur noch auf anderen Spielfeldern die Rede.
BVB-Spieler Anton vor emotionaler Herausforderung
Nun wartet am Sonntag neben der sportlichen Herausforderung bei den starken Stuttgartern auch eine emotionale Herausforderung auf Anton. „Ich denke, die meisten VfB-Fans wissen trotz aller Enttäuschung und Wut über den Wechsel, dass ich für den Klub in den vergangenen vier Jahren alles gegeben habe – auch mal Blut und Tränen“, meint er. „Es wäre schön, wenn sich das Thema beruhigt, vor allem meiner Familie wegen. Denn es gab in den sozialen Medien eben auch viel, was unter die Gürtellinie ging.“