Leidenschaft war gefragt, Unnachgiebigkeit, und volle Konzentration. Mehr als eine Stunde lang konnte Borussia Dortmund auf ein Ausrufezeichen in der BayArena hoffen. Angriff um Angriff musste die Gäste mit einer 1:0-Führung im Rücken verteidigen, doch der Abwehrwall wies am Ende einmal ein zu großes Loch auf. Am Ende eines rassigen Bundesliga-Gipfels, in dem sich die Borussia gegen ein enorm druckvolles Leverkusen in eine ungewohnte Verteidigungsrolle gedrängt sah, hatte sich Edin Terzics Mannschaft den 1:1-Endstand (1:0) vor allem durch den unbändigen Einsatz verdient. Spielerisch kam Dortmund kaum einmal zum Zug.
BVB fast nur in der Defensive gefordert
Der BVB hatte Bayer-Dominanz erwartet, der BVB bekam Bayer-Dominanz von Minute eins an. In Ballbesitz schob Leverkusen sofort weit nach vorn, zum Teil 20 Meter in die Dortmunder Spielhälfte hinein staffelte sich die letzte Reihe der Werkself. Das war extrem mutig gegen eine so konterstarke Mannschaft wie Borussia Dortmund, die freilich über 90 Minuten mit Abwehrarbeit beschäftigt war und und oft die Bälle als Befreiung nur weit nach vorne schlagen konnte.
Doch das defensive Absperrgitter aus vielen schwarzgelben Leibern, die das Zentrum extrem verdichteten, hielt zunächst – und bekam Rückenwind durch die frühe Führung. Am Ende der ersten 45 Minuten sollte es die einzige konstruktive Annäherung ans Leverkusener Tor gewesen sein, doch diese spielte die Borussia mit Cleverness, Durchsetzungsstärke und Entschlossenheit aus.
Perfekter BVB-Start dank Ryerson
Über mehrere Stationen kombinierte sich der BVB nach vorne, entscheidend dann die starke Ballbehauptung von Niclas Füllkrug, der sich mit dem Rücken zum Tor von Tapsoba nicht an der eleganten Ablage auf Julian Ryerson abhalten ließ. Xhakas Grätsche kam zu spät, das 1:0 sorgte für den perfekten BVB-Start in dieses Spiel (7.).
Im Stile einer Spitzenmannschaft schüttelte die Werkself diesen Schock ab. Unbeirrt rollte Angriff um Angriff aufs Dortmunder Tor, aus vielen Kombinationen auf engstem Raum in der Mitte aber gab es kein Durchkommen, weil Dortmund gegen den Ball perfekt verschob, Leverkusen zwar Raum anbot, aber nie genügend, um zielstrebig in den Strafraum einzudringen.
BVB-Torhüter Kobel auf dem Posten
So wurde es vor allem gefährlich für die Gäste, wenn über Dortmunds linke Abwehrseite Jeremy Frimpong sein unglaubliches Tempo entfalten konnte. Mehrere Male gelang es ihm, über die Seite durchzubrechen, dort rief Ryerson oft vergeblich nach Unterstützung. Frimpongs Hereingaben fanden in der Mitte allerdings selten einen Abnehmer. Der BVB verteidigte mit Herz und Leidenschaft, beispielhaft Ryerson, der alles auf dem Rasen ließ. So blieb es bei einem Abschluss von Xhaka (21.) und einem Freistoß von Grimaldo, den Gregor Kobel aus dem Eck fischte (38.).
Leverkusens Druck hielt unvermindert an, die Ballbesitzquote des BVB ging kontinuierlich in den Keller. Zu selten gelang es, Ruhe in die eigenen Ballaktionen zu bekommen, zu schnell war die Kugel wieder weg. In den letzten fünf Minuten der ersten Hälfte sackte Dortmunds Anteil unter 40 Prozent, die Frage, die sich stellte war die: Kann man damit dem Dauerdruck Stand halten?
Hummels als BVB-Turm in der Schlacht
Die Antwort hatte Florian Wirtz, der nach Frimpongs nächstem flachen Ball ins Zentrum auch vom Sekundenschlaf profitierte, der Marius Wolf ereilt hatte – das Tor aber zählte nicht, weil in der Entstehung Victor Boniface aus dem Abseits gekommen war (45.+3). Drei Ecken direkt nach Wiederanpfiff musste der BVB verteidigen, kam dann aber zur ersten guten Aktion seit dem 1:0. Julian Brandt schickte Jamie Bynoe-Gittens auf die Reise, im letzten Moment stoppte der nicht langsamere Kossounmou den Dortmunder Shooting-Star (51.).
Doch das war tatsächlich nur ein kurzes Strohfeuer. Mats Hummels, erneut Turm in der Schlacht, rettete in höchster Not gegen Palacios, den Nachschuss von Wirtz entschärfte Kobel (62.). Dann gab Nico Schlotterbeck das Signal zur Auswechslung, beim Blick auf die Bank erspähte Terzic nur noch den unerfahrenen Antonios Papadopoulos. Der 24-Jährige aus der U23 kam zu seinem vierten Bundesliga-Spiel.
Böser Schnitzer von BVB-Kapitän Can
Nach gut einer Stunde ließen die Kräfte beim Tabellenführer dann doch etwas nach und es schlichen sich deutlich mehr Ungenauigkeiten ins Kombinationsspiel ein. Dennoch kam sie, die Riesenchance zum 1:1 – begünstigt allerdings durch ein zu riskantes Anspiel von Kobel auf Emre Can, der im eigenen Strafraum die Kugel an Florian Wirtz verlor. Dessen Ablage drosch Xhaka weit übers Dortmunder Tor (73.).

Leverkusens Trainer Xabi Alonso brachte Patrick Schick – eine Einwechslung mit Folgen. Auf den Doppelsturm mit Boniface musste sich der BVB zunächst einstellen, da hatte das Unheil aber schon seinen Lauf genommen. Kossounou, vom eingewechselten Karim Adeyemi viel zu lasch gestört, trieb den Ball nach vorne, Schick im Zentrum stand viel zu frei, seinen Querpass musste Victor Boniface nur noch über die Linie drücken (78.).
BVB-Stürmer Füllkrug mit der großen Chance
Der Ausgleich war hochverdient, es wurden noch lange 15 Minuten für den BVB. Als die Nachspielzeit anbrach, führte Bayer seine 16. Ecke aus, Dortmund verzeichnete eine. Doch die größte Chance zum Last-Minute-Knockout hatte dennoch die Borussia. Der eingewechselte Thomas Meunier flankte perfekt in die Mitte, Füllkrug setzte den Flugkopfball übers Tor. Das wäre des Guten auch etwas zu viel gewesen.