
BVB-Geschäftsführer Carsten Cramer sieht den deutschen Fußball vor großen Herausforderungen. © imago / Beautiful Sports
BVB-Geschäftsführer Cramer: „Mehr als nur ein Verein im Windschatten des FC Bayern“
Borussia Dorzmund
BVB-Geschäftsführer Carsten Cramer findet die Reform der Champions League „durchaus positiv“. Die Bundesliga müsse sich aber Gedanken machen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben.
International abgehängt? An der Spitze langweilig? Für Borussia Dortmunds Geschäftsführer Carsten Cramer steht die Fußball-Bundesliga besser da, als es ihr manchmal nachgesagt werde. „Wenn ich die vollen Stadien nach dem Ende der Corona-Einschränkungen sehe, dann ist es um die Bundesliga offensichtlich nicht so schlecht bestellt.“
BVB-Geschäftsführer Cramer: „Digitaler und nachhaltiger werden“
Dass alle großen deutschen Fußballklubs bislang ohne Pleiten durch die Coronakrise gekommen sind, „wenn auch manche mit brennendem Arsch“, das hätte Cramer vor zwei Jahren so nicht prognostiziert, bekannte er auf der Branchenmesse „Fußballkongress“ im Signal Iduna Park. Gut so, meint er, denn: „Die Bundesliga ist und bleibt unser Brot- und Buttergeschäft. Wir haben einen integren und attraktiven Wettbewerb, den wir weiter stärken müssen, indem wir digitaler und nachhaltiger werden.“ Dann sei ihm auch nicht Angst und Bange um die Bundesliga.
Gleichwohl lägen große Herausforderungen vor dem deutschen Fußball. Strategisch müssten sich die Klubs an neue Zeiten, neue Gewohnheiten und neue Mitbewerber gewöhnen. Und im internationalen Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Sponsoren reicht der Status quo nicht aus, um beim Rennen ums große Geld mitzuhalten.
Borussia Dortmund will „so ambitioniert wie möglich“ sein
Die Meister-Monotonie mit zehn Titeln des FC Bayern München in Serie gefährde das internationale Interesse, meint Cramer. „Im Ausland fehlt für die Attraktivität der Wettbewerb an der Spitze. Da streuen wir uns keinen Sand in die Augen, gerade im Vergleich mit der Premier League, der Champions League oder Netflix und anderen Freizeitaktivitäten, mit denen wir konkurrieren.“ Da, so Cramer, „müssen wir uns Gedanken machen, wie wir das geändert bekommen“.
Das Wohl und Wehe des BVB hänge aber nicht allein an Titeln, sagte der Geschäftsführer für Marketing und Vertrieb und betonte: „Borussia Dortmund ist mehr als nur ein Verein im Windschatten des FC Bayern München.“ Der Klub habe eine hohe Relevanz, wecke Begeisterung und nehme gesellschaftliche Aufgaben wahr wie zuletzt mit Hilfs- und Impfangeboten während der Coronakrise, dem Benefizspiel gegen Dynamo Kiew kürzlich oder der geplanten, dann aber aus Sicherheitsgründen abgesagten Reise nach Israel mit einem Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. „Von einem Fußballverein wird mehr erwartet als Tore und Punkte, da hat sich das Anspruchsverhalten der Fans geändert. Zurecht, wie ich finde.“ Das Hauptgeschäft bleibe aber der Fußball, und zwar „so ambitioniert wie möglich“.
Der BVB darf sich auf rund 40 Millionen Euro mehr freuen
Im großen Maßstab gesehen steht Borussia Dortmund als Stammgast in den europäischen Wettbewerben wohl auch künftig auf der Gewinnerseite, wenn die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinandergeht. Die vergangene Woche verabschiedete Reform der Champions League ab 2024 wird eher dazu führen, dass die reichen Vereine, die zum großen Teil fremdfinanziert werden, noch übermächtiger werden. Mit 40 Millionen Euro zusätzlich pro Europapokalsaison wird der BVB gleichzeitig den Abstand zu den Verfolgern im Inland ausbauen. Zerstört die Champions League also die nationalen Ligen?
Mario Hamm, Mitglied der DFL-Kommission Finanzen und der „Taskforce Profifußball und Sports Governance“, übt leise Kritik. „2020 hatten wir Corona, und es hieß, der Fußball wolle sich wieder um mehr Nachhaltigkeit bemühen, mehr Nähe zu den Zuschauern suchen, demütiger werden.“ Nun habe die UEFA entschieden, ab 2024 nicht mehr 96, sondern 108 Klubs in den drei europäischen Wettbewerben starten zu lassen. „In der Champions League macht das 64 Spiele mehr. Und der Kalender war schon pickepackevoll, die Ligen hatten Probleme, ihre Spieltage durchzubekommen. Die Reaktion der UEFA: noch mehr Spiele auf europäischer Basis, die wiederum die nationalen Ligen entwerten.“ Sein Appell: „Wir müssen darauf achten, dass die Fans nicht davonlaufen, dass sie den Fußball für glaubwürdig und ihm die Treue halten.“
BVB-Geschäftsführer Cramer: Den nationalen Wettbewerb stärken
Grundsätzlich verdammen wollte Cramer die neuen Strukturen, die vor allem die erfolgreichen Klubs und Ligen absichert und partizipieren lässt, nicht. Er sehe die reformierte Königsklasse mit 24 Vereinen in eine Liga und mehr Spielen pro Klub „durchaus positiv“. Es sei legitim gewesen, den Wettbewerbsmodus nach vielen Jahren mal wieder zu hinterfragen. „Wir dürfen die Entscheidungen auf internationaler Ebene nicht per se schlechtreden. Es ist am Ende immer ein Kompromiss, der aus unserer Sicht auch anders hätte ausfallen können. Aber da kommen zum Beispiel Klubs aus Südeuropa aus ganz anderen Flughöhen.“
Die Folgerung für den BVB: den nationalen Wettbewerb stärken und die eigene Identität herausstellen. Wenn das Lagerfeuer Bundesliga nicht mehr brenne, könne auch kein europäischer Wettbewerb hier zünden, meint Cramer. Und eine Fremdfinanzierung, der vermeintlich große Heilsbringer andernorts, werde im Land der 50+1-Regel nicht gewünscht. „Mein Eindruck ist, dass die Leute hier keine Konstellation wie bei Newcastle United oder Manchester City wollen. Wenn man dann nicht regelmäßig im Halbfinale der Champions League steht, muss man diese Kröte schlucken, steht aber zumindest integer da.“
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
