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BVB-Einzelkritik: Brandt gelingt der Befreiungsschlag - Morey überzeugt
Borussia Dortmund
Julian Brandt ist seit Monaten das wohl größte Sorgenkind des BVB. Beim 2:0-Sieg gegen Hertha BSC gelingt ihm der Befreiungsschlag. Mateu Morey macht Werbung in eigener Sache. Die Einzelkritik.
Die Berliner Hertha stellte den BVB mit einem Abwehrbollwerk vor eine Herausforderung. In den ersten 45 Minuten bissen sich die Schwarzgelben daran die Zähne aus, es fehlte an Ideen, an überraschenden Aktionen. Berlin gewann die Vielzahl der Zweikämpfe und bremste den Offensivdrang der Borussia bis auf wenige Ausnahmen - wie bei Jude Bellinghams Großchance (33.) - zumeist aus. Nach der Pause blieb der BVB die bessere Mannschaft, doch es brauchte letztlich einen Glücksschuss von Julian Brandt und ganz viel Arbeit, um in die Erfolgsspur zu kommen. Die Einzelkritik:
Marwin Hitz: Der Schweizer im BVB-Tor musste in der ersten Halbzeit nicht eine einzige Hertha-Chance vereiteln. Aufmerksam bei einigen hohen Hereingaben, lautstarker Motivator. Auch im zweiten Durchgang quasi nicht geprüft. Note: 3,0
Mateu Morey: Der Spanier beackerte die rechte Abwehrseite mit viel Offensivdrang und technischer Finesse, er lieferte eine perfekt gezogene Flanke auf Reus (12.) und weitere gute Hereingaben, die Gefahr brachten. Morey war extrem häufig am Ball, satte 90 Mal schon bis zum Pausenpfiff, dafür benötigen andere Profis mindestens ein ganzes Spiel. Über seine Seite ging deutlich mehr als über links. In dieser Form ein klarer Stammplatz-Kandidat. Note: 2,0
Emre Can: Ungewohnt schwach im Zweikampf in der Innenverteidigung, ab und an offenbarte er zudem fehlerhaftes Stellungsspiel bei Flanken und Tempo-Probleme, vor allem gegen Herthas Cordoba. Steigerte sich nach der Pause und entwickelte mehr Offensivdrang. Scheiterte mit einem wuchtigen Kopfball nach einer Reyna-Ecke an Jarstein (77.). Note: 3,5
Mats Hummels: Sein Kopfball nach einem Can-Freistoß strich knapp am Tor vorbei (8.), danach kamen von ihm kaum noch Impulse nach vorn. Hummels war gegen Cordoba physisch stark gefordert, er wirkte nicht so souverän in seinen Aktionen wie sonst. In der 58. Minute musste er angeschlagen ausgewechselt werden. Note: 3,0
Nico Schulz: Er ließ sich im Defensiv-Zweikampf zu leicht aus dem Tritt bringen (9.), nach einem Fehlpass im Vorwärtsgang kassierte er für das Foul nach seinem Ballverlust Gelb (24.). Schulz wackelte nicht selten im Eins-gegen-Eins mit Herthas Zeefuik und bekam erst spät Sicherheit in sein Spiel auf der linken Abwehrseite. Zweimal lief er allerdings im Abwehrzentrum Bälle ab, die ansonsten gefährlich geworden wären. Note: 4,0
Julian Brandt: Fleißig wie immer, er war viel auf dem Platz unterwegs, mal links, mal rechts, mal zentral. Versuchte sich als Ballverteiler, aber Zwingendes gelang ihm lange Zeit nicht. Sein Kopfball geriet nicht platziert genug (22.), in aussichtsreicher Position (auf Pass von Bellingham) ließ er sich den Ball noch vom Fuß spitzeln (32.). Aus dem Nichts ließ er es dann krachen: Er fasste sich aus 25 Metern ein Herz, zog kräftig ab, und der eigentlich zu zentral angesetzte Ball flatterte an Jarsteins Armen vorbei zum 1:0 ins Netz (54.). „Ich habe mich selbst etwas erschrocken, dass er doch reingegangen ist“, sagte Brandt nach dem 2:0-Erfolg. Note: 3,0
Mahmoud Dahoud: Ein Querpass ins Niemandsland, der ins Seitenaus trudelte (25.), das spiegelte den weitgehend glücklosen Auftritt des Nationalspielers vor der Pause ganz gut wider. Dahoud zeigte sich als alleiniger Sechser um Struktur bemüht, leistete sich aber zu viele unpräzise Pässe, tat sich auf der defensiveren Mittelfeldposition merklich schwer. Nach der Pause mit mehr Tempo und Schärfe in seinen Aktionen. Seine abgefälschte Flanke landete auf dem Querbalken der Gäste (61.). Note: 4,0
Jude Bellingham: Der junge Engländer bewies bei einer starken Balleroberung (26.) sein gutes Auge. Er besaß, bedient von Thorgan Hazard, die größte Chance des BVB auf das 1:0, aber Berlins Keeper Jarstein lenkte seinen Schuss aus zehn Metern noch über die Latte (33.). Trieb den Ball häufig beherzt nach vorn und suchte per Steilpass auf Haaland nicht selten die Lücke im Hertha-Beton. Im Kombinationsspiel blitzten seine Fähigkeiten manches Mal nach der Pause auf. Note: 3,0
Marco Reus: Der Kapitän zeigte sich gegen Berlin sehr aktiv. Seine gefährliche Hereingabe (6.) setzte nahe am linken Pfosten auf, fand aber keinen Abnehmer. Mutig, wie er ein Hazard-Zuspiel volley nahm (12.). Sein gut getretener Freistoß aus 18 Metern strich nur knapp übers Hertha-Tor. Eine gute Möglichkeit ging fatalerweise dahin, als er im Hertha-Strafraum ausrutschte (42.). An der Entstehung des 1:0 war Reus maßgeblich beteiligt. Nach einem bösen Foul von Berlins Darida, der dafür Rot sah, musste er den Rasen humpelnd verlassen (84.). Note: 2,5
Thorgan Hazard: Starke Torschussvorlage von der Grundlinie zurück auf Bellingham (33.), kluger Doppelpass mit Reus im Strafraum (42.). Dem Belgier mangelte es insgesamt aber trotz allen Engagements an Durchschlagskraft und kreativen Einfällen. Nur drei Torschussvorlagen und eine Flanke - das ist zu wenig. Note: 4,0
Erling Haaland: Nur zwei Ballkontakte in den ersten 20 Minuten, ständig in Lauerstellung auf Höhe von Herthas Fünferkette, aber ohne Bindung zum Spiel, die Berliner doppelten ihn wenn möglich. Aber: Sein gewonnenes Kopfballduell an der Mittellinie ebnete den Weg zum 1:0. Nur ein Torschuss in 90 Minuten. Note: 4,0
Dan-Axel Zagadou: Der Franzose ersetzte in der 58. Minute Mats Hummels, der angeschlagen vom Feld musste. Er agierte fehlerfrei. Note: 3,0
Thomas Meunier ersetzte Mateu Morey (71.), Giovanni Reyna kam für Thorgan Hazard (71.), Youngster Youssoufa Moukoko, der dank einer beherzten Aktion im Strafraum das 2:0 erzielte (90.+1), durfte in der Schlussphase für Marco Reus auf den Rasen (84.). Alle drei Spieler bleiben ohne Note.
Sascha Klaverkamp, Jahrgang 1975, lebt im und liebt das Münsterland. Der Familienvater beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der Sportberichterstattung. Einer seiner journalistischen Schwerpunkte ist Borussia Dortmund.
