BVB-Boss Watzke im exklusiven Interview „Ich glaube nicht, dass ich Ratschläge von ihm brauche“

BVB-Boss Watzke im exklusiven Interview: Wintertransfers? „Will ich nicht ausschließen“
Lesezeit

Er ist ein Mann der klaren Worte: Hans-Joachim Watzke, Vorsitzender der Geschäftsführung von Borussia Dortmund. Im exklusiven Ruhr-Nachrichten-Interview spricht der BVB-Boss über mögliche Wintertransfers, Meisterträume und das Verhältnis von Trainer Edin Terzic und Sportdirektor Sebastian Kehl.

Glückwunsch zum Einzug ins Achtelfinale der Champions League. Haben Sie schon einen Wunschgegner ausgesucht?

Nein. Um sich einen Wunschgegner auszugucken, müsste man ja erstmal wissen, ob man Gruppenerster oder Zweiter wird. Das ist noch nicht geklärt, auch wegen dieses kuriosen Elfmeters in Paris. Fakt ist: Wir haben eine Gruppe überstanden mit einem Niveau, das es in dieser Form selten gab. Das lag daran, dass Newcastle United bei der Auslosung nur im vierten Lostopf zu finden war. Uns hat nach der Auslosung kaum jemand das Weiterkommen zugetraut. Jetzt haben wir zehn Punkte, haben wenige Gegentore kassiert und können mit einem Punkt gegen Paris sogar die Gruppe gewinnnen.

In der schwersten aller Champions-League-Gruppen hat Dortmund vorzeitig das Achtelfinale erreicht. In der Liga müssen Sie am Sonntag Bayer Leverkusen antreten, das nach zwölf Spieltagen zehn Punkte enteilt ist. Wie passt das zusammen? Werden Sie aus dem Team schlau?

Die Leverkusener sind enteilt, weil sie es in dieser Saison wirklich außergewöhnlich gut machen. Das muss man dann sportlich auch mal wertschätzen und akzeptieren. Sie haben eine außergewöhnlich gute Mannschaft. Und vielleicht hilft es auch ein wenig, dass sie diese permanenten Champions-League-Belastungen nicht haben und international mal rotieren können. Wir als Borussia Dortmund müssen analytisch bei uns selbst bleiben. Wir holen in der Bundesliga aktuell zwei Punkte im Schnitt. Das liegt knapp über dem Mittelwert der vergangenen Jahre. Wir sind in der Champions League Erster einer extrem starken Gruppe. Und wir sind im DFB-Pokal nach wie vor dabei. Es gibt keinen Grund, in Sack und Asche zu gehen.

Warum bekommt das Team in der Bundesliga nicht so konstant die nötigen PS auf die Straße?

Wir wussten ja, dass es nach diesen Eindrücken vom 34. Spieltag der vergangenen Saison ein bisschen schwierig werden würde, dass wir uns erst wieder finden müssen. Das haben wir insgesamt gut hinbekommen. Die Mannschaft ist nicht mal im Ansatz an diesem einschneidenden Erlebnis zerbrochen. Wir haben lediglich zwei durchgehend richtig schlechte Spiele gemacht, gegen die Bayern und in Stuttgart. In Summe haben wir zwei oder drei Punkte weniger auf dem Konto, als wir uns erhofft hatten. Wir sind in der Bundesliga gewissermaßen auf Normaltemperatur. Die enormen Champions-League-Herausforderungen haben uns sicher Körner und auch ein paar Punkte gekostet.

Hans-Joachim Watzke schaut zur Seite.
Setzt auf BVB-Trainer Edin Terzic: Dortmunds Chef Hans-Joachim Watzke. © Stephan Schütze

Im Sommer haben Sie gesagt, dass Edin Terzic ein Trainer mit außergewöhnlichen Fähigkeiten ist und der Klub die nächsten Jahre den Weg mit ihm gehen wird. Bestätigt seine aktuelle Arbeit Ihre Aussage?

Ich muss nicht jede Woche das gleiche über Edin Terzic erzählen, ich bin kein Papagei. Das habe ich damals ja nicht aus einer Laune heraus gesagt, sondern weil es so ist.

Welche Weiterentwicklung sehen Sie?

Während seines ersten Engagements hat Edin Terzic den DFB-Pokal gewonnen, wir standen im Viertelfinale der Champions League, sind dort trotz des Fehlens von Leistungsträgern nur knapp ausgeschieden und haben noch die Königsklassen-Qualifikation für die nächste Saison geschafft. In seiner zweiten Amtszeit hat er uns um ein Haar zur Deutschen Meisterschaft geführt. Worüber reden wir also? Ich habe das Gefühl, dass wir uns weiterentwickeln. Mats Hummels hat in Mailand gesagt, dass wir stabiler geworden sind, dass sich die Mentalität verbessert hat, auch wenn es ab und an nochmal einen Rückschlag gibt. Dem stimme ich zu. Es gibt natürlich ein paar Punkte, die wir deutlich verbessern können. Zum Beispiel die defensive Stabilität in der Bundesliga. In der Champions League ist sie allerdings absolut gegeben. Wir haben in fünf Königsklassen-Partien erst drei Gegentore kassiert. Und das gegen diese Top-Kontrahenten …

In Mats Hummels und Marco Reus prägen aktuell zwei Routiniers die Mannschaft. Wie lange können Sie die beiden noch vom Karriereende abhalten? Und wer soll in naher Zukunft ihre Rollen übernehmen?

Die Leistungen von Mats und Marco zeigen, dass es die richtige Entscheidung war, mit ihnen zu verlängern. Was die Führungsspieler betrifft, haben wir neu durchgemischt. Die Mannschaft wird auch jetzt schon von mehreren Profis geführt.

Auf dem Platz sieht es aber ein bisschen anders aus …

Das ist ihr visueller Eindruck, aber er trifft aus der Innensicht nicht zu. Da ist zum Beispiel Emre Can. Er hat natürlich eine etwas andere Art zu führen als Marco und Mats, macht sich aber meinungsstark bemerkbar. Gregor Kobel übernimmt Führungsaufgaben. Auch Julian Brandt und Nico Schlotterbeck sind bereit, jede Menge Verantwortung zu tragen. Es gibt kein Führungsvakuum.

Werden Sie das Team im Winter verstärken?

Das will ich nicht ausschließen. Es ist aber auch nicht zwingend notwendig. Die Frage ist, ob es in einer Wintertransferperiode sinnvolle Optionen gibt, die wirtschaftlich darstellbar sind. Wir haben im vergangenen Winter Julian Ryerson geholt, weil wir das Gefühl hatten, dass er mit seiner Mentalität zu uns passt. Die Notwendigkeit von Transfers zu bewerten, ist die Aufgabe von Sebastian Kehl. Er wird sicher den einen oder anderen Vorschlag erarbeiten, wenn er denn überzeugt von jemandem ist. Sollte das so sein, würden wir darüber sprechen.

Benötigt das Team nicht dringend Verstärkung auf den Außenverteidiger-Positionen?

Wir haben mindestens vier Außenverteidiger. Wir hatten bisher noch nicht das Problem, dass wir einen Offensivspieler umfunktionieren mussten. Neben Ryerson, Ramy Bensebaini und Marius Wolf haben wir auch noch Niklas Süle, der dort spielen kann. Und Thomas Meunier hat seine Verletzung auskuriert. Eine personelle Vakanz sehe ich nicht.

In den vergangenen Jahren hat der BVB immer wieder außergewöhnliche Spieler weiterentwickelt und viel Geld mit Ihnen verdient. Fehlt dieser Spieler aktuell im Kader?

Diese Spieler sehe ich, aber ich werde einen Teufel tun, ihre Namen zu nennen. Damit tut man ihnen keinen Gefallen.

Hans-Joachim Watzke grinst.
Will nicht verraten, wer der nächste BVB-Großverkauf werden könnte: Hans-Joachim Watzke. © Stephan Schütze

Können Sie auf die Einnahmen mit solchen Transfers verzichten?

Wir müssen aus wirtschaftlichen Gründen sicher ab und zu mal einen größeren Transfer tätigen. Man könnte das auch anders machen, so wie die Bundesregierung mit einem Sondervermögen (schmunzelt). Aber das ist nicht unser Weg! Wir müssen solide kalkulieren, denn wir sind auch gefordert, intensiv in die Infrastruktur zu investieren. In unser Trainingsgelände und unser Stadion, das bald 50 Jahre alt wird. Auch dafür müssen wir immer wieder Geld erwirtschaften.

Ihr Freund Karl-Heinz Rummenigge hat gestichelt, der BVB müsse mehr darauf achten, Geld zu verdienen als sportlichen Erfolg zu haben. Steckt da ein Fünkchen Wahrheit drin?

Ich hatte ihn nicht um einen Rat oder eine Einschätzung gebeten. Manche Dinge kann man aus der Münchner Komfortzone heraus einfach nicht beurteilen.

Sie haben gesagt, dass der 27. Mai, als der BVB gegen Mainz die Meisterschaft verspielt hat, einer der schlimmsten Tage Ihres Lebens gewesen sei. Wird der BVB Ihnen während Ihrer Amtszeit noch einmal mit dem Gewinn der Meisterschaft einen Ihrer schönsten Tage im Leben schenken?

Ob ich bei der nächsten Meisterschaft Vorsitzender der Geschäftsführung bin oder nicht, ist mir völlig egal! Wir waren so nah dran, näher geht es nicht mehr. Jetzt müssen wir uns wieder ein Stück weit neu justieren. Du kannst nur in einem Jahr Deutscher Meister werden, in dem Bayern München nicht am Optimum spielt. Irgendwann wird es wieder so weit sein. Solange es einen anderen Klub gibt, der jedes Jahr 200 Millionen Euro mehr für das Gehalt seiner Spieler ausgeben kann, bleibt die Chance auf den Titel für uns eine Ausnahme.

Bis Ende 2025 läuft ihr Vertrag, dann stehen Sie seit 20 Jahren an der Spitze des Vereins. Während der Aktionärsversammlung haben Sie für Anfang 2024 Gespräche mit dem Präsidenten Reinhold Lunow angekündigt. Würden Sie noch einmal ein neues Vertragsangebot unterzeichnen?

Ich werde Reinhold Lunow im Januar meine persönliche Einschätzung geben. Dann werden wir ruhig und freundschaftlich die Situation analysieren. Und bis dahin wird es keine Wasserstandsmeldungen geben.

Was können Sie sich heute vorstellen?

Dass ich keine Wasserstandsmeldungen abgebe.

https://tools.pinpoll.com/embed/254508

Gehen wir Recht in der Annahme, dass Ihr Geschäftsführer-Kollege Carsten Cramer perspektivisch Ihr Nachfolger werden soll?

Ich sehe keinen Grund dazu, mich gegenwärtig an Nachfolgediskussionen zu beteiligen.

Immer wieder hören wir an verschiedenen Stellen von atmosphärischen Störungen in der sportlichen Leitung. Wie belastbar ist das Verhältnis zwischen Trainer Edin Terzic und Sportdirektor Sebastian Kehl?

Ich stehe mit beiden täglich im Austausch, mit Sebastian Kehl sogar noch häufiger als mit Edin Terzic, weil wir verschiedene gemeinsame BVB-Themen haben, die nicht nur die Profimannschaft umfassen. Falls ich feststellen würde, dass wir uns den ganzen Tag von morgens bis abends alle nur anerkennend auf die Schulter klopfen würden, hätte ich sicher das Gefühl, das wäre keine leistungsfördernde Arbeitskultur. Du musst auch unterschiedliche Meinungen zulassen, die wir auch mal in einer Diskussion ausfechten. In den meisten Punkten sind sich die beiden aber einig. Ihr Verhältnis ist völlig ok.

Wie viel Dissens steckt denn in diesem Verhältnis?

Ich sehe zwischen den beiden keinen Dissens. Das Einzige, was mich gestört hat, ist, dass in den vergangenen Wochen ein paar interne Dinge an die Öffentlichkeit gelangt sind. Das gab es hier früher nicht. Der Sache gehen wir auf den Grund.

Wie läuft es denn beispielsweise bei Transfers, wenn es eine Pattsituation gibt?

Sebastian und Edin liefern eine sportliche Einschätzung. Zu einem Transfer gehört aber mehr, nämlich auch die persönliche Einschätzung und der finanzielle Rahmen. Von daher ist es immer ein Zusammenspiel.

Der Koordinator Sport, Slaven Stanic, soll Terzic mehrfach öffentlich scharf kritisiert und gelästert haben. Wie passt das ins Bild der BVB-Familie?

Ich habe zu wenig Berührungspunkte mit ihm und möchte mich zu der Thematik gegenwärtig nicht äußern.

Hans-Joachim Watzke schaut grimmig.
BVB-Boss Hans-Joachim Watzke bewertet das Verhältnis zwischen Edin Terzic und Sebastian Kehl als „völlig ok“. © Stephan Schütze

Sie möchten als Aufsichtsrat-Vorsitzender der Deutschen Fußball Liga einen strategischen Partner mit ins Boot holen, der bis zu eine Milliarde Euro in die DFL investiert. Warum ist der Einstieg des Partners für Sie wichtig?

Wir müssen in die Auslandsvermarktung investieren. Wir sehen, dass die Engländer und die Spanier sich massiv engagieren. Für eine flächendeckende Präsenz im Ausland musst du Geld in die Hand nehmen. Und dieses Geld haben wir nicht frei verfügbar. Deshalb ist es der Ansatz, einen strategischen Partner zu finden, der uns diese Expansion finanziert und Expertise einbringt. Für 20 Jahre, nicht länger. Und dafür bekommt der Partner einen gewissen Prozentsatz an den Vermarktungserlösen. Das ist im Prinzip nichts anderes als das, was wir beim BVB mit Vermarkter Sportfive seit Jahren machen. Aber ich habe hohen Respekt davor, wenn es Menschen gibt, die es anders sehen. Am Ende des Tages ist das eine unternehmerische Entscheidung.

Wofür soll das Geld des strategischen Partners genutzt werden?

In erster Linie, um unsere Präsenz im Ausland zu erhöhen. Wir müssen in die USA, wir müssen nach Asien, und zwar mit einem gezielten, abgestimmten Plan. Die DFL muss in der Lage sein, diesen Plan mit den Vereinen zu koordinieren. Das kostet auf Dauer viel Geld.

Gibt es auch eine rote Linie?

Ja! Die entscheidende rote Linie ist, dass wir immer eine klare Mehrheit behalten. Es gibt keinen Eingriff in das sportliche Geschehen. Kein Partner wird Einfluss auf die Spieltagsgestaltung, den Austragungsort des Supercups oder ähnliche Termine haben. Das werden niemals zulassen. Mit uns zusammen kann jeder gerne Geld verdienen. Aber wo ich steinhart bin, und das sieht man ja bei Borussia Dortmund seit 19 Jahren, ist, dass niemand von außen Einfluss auf die sportlichen Belange nimmt.

Im Mai haben Sie keine Mehrheit für den Einstieg eines Investors erhalten. Sind Sie trotzdem optimistisch?

Das ist falsch. Wir hatten eine Mehrheit, 20 zu 11 Stimmen. Wir brauchten aber eine Zweidrittel-Mehrheit. In der Nachbearbeitung haben viele Klubs gesagt, ihnen sei der Kuchen zu groß gewesen (Die Rede war von zwei Milliarden Euro, Anm. d. Red.). Jetzt haben wir auf vielfachen Wunsch an einigen Stellschrauben gedreht. Das Paket wird darüber hinaus deutlich kleiner. Bei einer Reihe von Klubs, die damals dagegen gestimmt haben, hat sich die Stimmung gedreht. Wir haben allerdings auch ein, zwei Klubs verloren, die beim ersten Prozess noch dafür waren. Das kann ich zwar nicht verstehen, aber auch das ist Demokratie.

Thomas Schulzke, Hans-Joachim Watzke und Jürgen Koers schauen in die Kamera.
Thomas Schulzke, Hans-Joachim Watzke und Jürgen Koers (v.l.n.r.) beim Interview-Termin in der BVB-Geschäftsstelle. © Stephan Schütze

Und wenn die Abstimmung scheitert?

Dann ist das so, und dann geht es wie bisher weiter. Aber dann müssen wir uns darüber im Klaren sein, dass wir als Liga in der Auslandsvermarktung auf kleiner Flamme weiterfahren. Ich halte sehr viel von Solidargemeinschaften und von der Zentralvermarktung. Aber eins ist Fakt: Bayern München oder Borussia Dortmund bekommen ihr Auslandsgeschäft gestemmt.

Wenn wieder die Zweitligisten ausschlaggebend sind für die Ablehnung des Antrags, könnte es da zum Bruch zwischen den Erst- und Zweitligisten kommen?

Ich will keine Sollbruchstellen markieren. Mein persönliches Ziel ist es, die Ligen zusammenzuhalten. Gleichzeitig muss man sehen: Je krasser die Unterschiede der ersten und zweiten Liga im Abstimmungsverhalten auseinanderlaufen, desto schwieriger wird es, den Zusammenhalt zu stärken.

Sie haben am Wochenende massive Kritik am VAR geübt. Wie können Sie sich Veränderungen am Videobeweis vorstellen?

Ich habe gar nicht so viel Kritik am VAR geübt. Ich habe die Feststellung geäußert, dass der Videobeweis uns einer Menge spontaner Emotionen beraubt. Das Problem müssen wir diskutieren. Wenn der VAR im Gegensatz zur Torlinientechnologie nicht in der Lage ist, innerhalb kurzer Zeit Entscheidungen zu fällen, sondern die Leute drei, vier Minuten warten müssen, dann killt der VAR diese spontanen Emotionen. Wir müssen es ernst nehmen, wenn Menschen sagen: Das ist an dem Punkt nicht mehr unser Fußball. Es sind ja auch viele Entscheidungen besser geworden. Das gehört auch zur Wahrheit. Manche dauern nur zu lange. Sich nach vier Minuten noch einmal zu freuen oder zu ärgern, ist kein gewinnbringender Ansatz. Vor allem müssen wir aber auch mal das Durcheinander mit der Handspiel-Regel lösen.

Wie genau?

National bekommen wir es nicht hin, international bekommen wir es nicht hin. Das Regelwerk wird mittlerweile in jedem Stadion ganz unterschiedlich gehandhabt. Da ist überhaupt keine Linie mehr drin. Früher war es so einfach: Es ging immer darum, ob es Absicht war oder nicht. Das war eigentlich die richtige Intention.

Hans-Joachim Watzke fasst sich an die Stirn.
Hans-Joachim Watzke ist von der aktuellen Handspiel-Regelung genervt. © Stephan Schütze

Blicken Sie noch durch, wann ein Handspiel im Strafraum strafbar ist?

Vor einem Monat hat man mir noch erklärt, wenn der Ball von einem erlaubten Körperteil an die Hand prallt, ist das keine strafbare Aktion. Wie das umgesetzt wird, haben wir am Dienstag in der Champions League gesehen.

Wie lautet Ihr Vorschlag?

Wir müssen etwas ändern. Wir werden mit der DFL, idealerweise in Zusammenarbeit mit dem DFB, eine Runde einberufen und nach Lösungen suchen.

Die Auftritte des DFB-Teams waren zuletzt ernüchternd. Machen Sie sich Sorgen um die EM 2024?

Nein, aktuell nicht. Sachlich betrachtet, habe ich beim 2:3 gegen die Türkei durchaus auch einige positive Momente gesehen, gegen Österreich dagegen war gar nichts Gutes dabei. Da haben wir so verdient verloren, wie man nicht verdienter verlieren kann.

Und im nächsten Jahr soll dann alles anders werden?

Idealerweise ist das Team beim Turnier sechs Wochen lang zusammen. Da entsteht ein Teamgeist, oder auch nicht. Da kann der Trainer mit der Mannschaft Schwerpunkte setzen und etwas erarbeiten. Alle Spieler sind dann komplett fokussiert auf dieses Turnier - und die EM findet in Deutschland statt. Wir haben hier in Dortmund beim 2:1 gegen Frankreich gesehen, welchen Support die Mannschaft bekommen hat. Ich sehe nicht so schwarz.

Ist Julian Nagelsmann der richtige Trainer?

Julian Nagelsmann ist für mich ohne jeden Zweifel einer der besten Trainer, die wir im deutschsprachigen Raum haben.

Hans-Joachim Watzke hebt seinen Zeigefinger.
Für Hans-Joachim Watzke ist Julian Nagelsmann einer der besten deutschen Trainer. © Stephan Schütze

Nach der Niederlage gegen Österreich wurden wieder Rufe nach deutschen Tugenden laut. Auch Rudi Völler hat Sie gefordert. Aber sind die nicht die Basis eines jeden Fußballteams?

Ich finde, dass unsere U17 bei der WM diese deutschen Tugenden verinnerlicht hat. Die Mannschaft verteidigt mit aller Leidenschaft. Das Team lässt sich von Rückschlägen nicht umhauen. Und es ist faszinierend, wenn man sie beim Singen der Nationalhymne sieht. Die Jungs sind mit einer großen Empathie dabei, mit Leidenschaft und einer hohen Identifikation. All das hat in Summe zu diesem großen Erfolg geführt.

Warum haben die Profis das nicht gezeigt?

Das ist gerade nicht so einfach. Wenn du dich zwischen Bundesliga, Premier League oder La Liga und Champions League bewegst, hast du – unterbewusst – im Hinterkopf, dass es letztendlich ein Freundschaftsspiel ist. Da fehlen ein paar Prozent. Diese Leidenschaft werden wir hoffentlich sehen, wenn das EM-Turnier startet.

Wie bewerten Sie den aktuellen Zustand des DFB?

Deutlich besser als noch vor einiger Zeit. Auch, was das Verhältnis zwischen DFB und DFL angeht. Ich bin aufgrund meiner Stellung bei der Liga zwar auch 1. Vizepräsident des DFB, ich habe aber auf die Dinge dort relativ wenig Einfluss. Meine Aufgabe ist es, die Belange des Profifußballs zu vertreten.

Wie ist das Verhältnis zwischen der DFL und dem DFB?

Das Verhältnis war vor nicht allzu langer Zeit ziemlich kaputt, um es vorsichtig zu formulieren. Atmosphärisch ist die Zusammenarbeit heute sehr gut. Ich habe auch den Eindruck, dass es Präsident Bernd Neuendorf und Finanzdirektor Stephan Grunwald damit ernst ist, die Finanzen zu sanieren.

Der DFB verzeichnete im aktuellen Finanzbericht, auch wegen nötiger Steuerrückstellungen, ein sattes Minus von 33,5 Millionen Euro. Ist das alarmierend?

Es ist alles dafür getan worden, dass man wieder schwarze Zahlen schreibt. Aber wenn du tief im strukturellen Minus gefangen bist, dauert es eben auch lange, bis du dich daraus befreist. Meine erste Bilanz beim BVB war, wenn ich mich recht entsinne, ca. 75 Millionen Euro Verlust bei einem Umsatz von ca. 75 Millionen Euro. Es dauert seine Zeit, das zu korrigieren.

Allein der neue Campus verschlingt jährlich 15 bis 20 Millionen Euro.

Das sind Gegebenheiten, die die aktuelle Verbandsführung so vorgefunden hat. Damit muss man jetzt leben. Punkt.