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BVB-Boss Watzke: „Erfolg nicht nur über die Bundesliga definieren“
Borussia Dortmund
Der BVB sichert dank eines starken Auftritts in Leipzig Platz zwei. Die Pflicht ist erfüllt, die Kür ausgeblieben. So richtig Friede, Freude, Eierkuchen herrscht nicht in Dortmund.
Hans-Joachim Watzke konnte mit deutlich gesteigerter Laune in Richtung Heimat und 61. Geburtstag aufbrechen. Die 90 Minuten Fußball, die der BVB-Boss zuvor in Leipzig gesehen hatte, wertete der BVB-Boss im Gespräch mit den Ruhr Nachrichten am Samstagabend als „ordentliches Stück Wiedergutmachung“.
Watzkes Borussia hatte sich durch die Tore von Erling Haaland in der 30. Minute und kurz vor dem Schlusspfiff (90.+3) nicht nur verdiente drei Punkte beim Tabellendritten RB Leipzig, sondern auch die zweite Vizemeisterschaft im zweiten Jahr unter Trainer Lucien Favre gesichert - und die 0:2-Niederlage gegen den FSV Mainz 05 ein wenig vergessen lassen.
BVB-Boss Watzke will noch kein Saisonfazit ziehen
Zu viel Lob wollte Watzke trotzdem nicht über der Mannschaft und ihrem Trainer ausschütten. Zum einen, weil ihn der uninspirierte BVB-Auftritt gegen Mainz immer noch ärgere, wie er erklärte, zum anderen, weil „die Vizemeisterschaft mit dieser Mannschaft unser Anspruch sein muss, mindestens“. Auch ein Saisonfazit kam dem Dortmunder Geschäftsführer, jetzt, da für den BVB alle Entscheidungen einer nicht nur wegen der Corona-Krise unruhigen Saison gefallen sind, noch nicht über die Lippen. Es stehe noch ein Spiel gegen Hoffenheim am kommenden Samstag auf dem Programm, sagte Watzke. „Und ich wünsche mir, dass wir diese Partie ernst nehmen.“ Erst danach werde die Saison analysiert und final bewertet.
In die Analyse der BVB-Entscheidungsträger, die in Wahrheit natürlich längst Fahrt aufgenommen hat, wird alles einfließen: die enttäuschende Hinrunde und die gute Rückrunde samt Tor-Vereinsrekord, aber freilich auch das frühe Scheitern in der Champions League und im DFB-Pokal, als jeweils im Achtelfinale Schluss war. (Watzke: „Ganz wichtig ist, dass wir uns und unseren Erfolg nicht nur über die Bundesliga definieren.“) Vor allem die leichtfertig verspielte Chance im Pokal, als der BVB zum zweiten Mal nacheinander in der Runde der letzten 16 Teams über Werder Bremen stolperte, wirkt bis heute in der Dortmunder Chefetage nach.
Watzke wäre mit dem BVB gerne zum DFB-Pokal-Finale gefahren
„Ich wäre schon sehr gerne am 4. Juli nach Berlin gefahren“, sagte Watzke, „dass wir zweimal so unnötig aus dem Pokal ausgeschieden sind, ärgert mich.“ Und BVB-Sportdirektor Michael Zorc ergänzte im Gespräch: „Unser letztes Finale ist jetzt drei Jahre her. Da müssen wir in der nächsten Saison ein besonderes Augenmerk drauf legen. Wenn wir in zwei Wochen noch ein Endspiel in Berlin vor der Brust hätten, wäre die Stimmung jetzt sicherlich eine ganz andere. Und nebenher kannst du im DFB-Pokal ja auch noch viel Geld verdienen.“
So richtig Friede, Freude, Eierkuchen - das wurde in den Gesprächen mit den BVB-Verantwortlichen am Samstag einmal mehr deutlich - herrscht nicht in Dortmund, obwohl die Mannschaft von Trainer Favre, der offiziell nicht zur Diskussion steht, aber bislang auch keine Jobgarantie über den Sommer hinaus ausgesprochen bekommen hat, in Leipzig einmal mehr gezeigt hatte, wie gut sie an guten Tagen Fußball spielen kann.
Dortmund zeigt gegen Leipzig sein Können
Vor der Halbzeit verpasste es der BVB früher und höher in Führung zu gehen. Ansehnliche und zielstrebige Kombinationen fanden in Haaland immer wieder ihren Zielspieler. Der Norweger hätte allein im ersten Durchgang dreifach treffen können. So wurde es nach der Pause spannender, als es hätte sein müssen. Erst in der Nachspielzeit setzte Haaland mit seinem zweiten Treffer den Deckel auf eine Partie, die keine Zweifel darüber hatte aufkommen lassen, dass Borussia Dortmund sich zu Recht als klare Nummer zwei in Fußball-Deutschland betrachten darf.
Mats Hummels, der am Samstag in der BVB-Defensive überragte, warf im Sky-Interview schon einmal einen Blick auf die kommende Saison. Er wolle „einen Platz nach oben rutschen und in den Pokalwettbewerben besser abschneiden, das war diese Saison nämlich leider nichts“, sagte der Dortmunder Abwehrchef. „Der Titel muss immer das Ziel sein, wenn man so eine Mannschaft hat.“
Borussia Dortmund braucht eine „Über-Saison“
Dafür bräuchte es dann wohl eine „Über-Saison“, wie Zorc es am Samstag nannte. „Das haben wir in dieser Spielzeit nicht geschafft.“ Und so ließ sich dann eben doch schon ganz gut ein Fazit ziehen: Von der Saison 2019/2020 werden es wohl nur der Torrekord und das Coronavirus in die Vereinschronik des BVB schaffen. Das war’s dann aber auch schon.
Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.
