
BVB-Außenverteidiger: Ich bin jetzt richtig angekommen
Toljan im Exklusiv-Interview
Seit einem halben Jahr spielt Jeremy Toljan (23) für Borussia Dortmund. Der Start war schwierig, doch nun nimmt er langsam Fahrt auf. Im Interview spricht der U21-Europameister über seine Anfangszeit beim BVB, Vorschusslorbeeren von Steffen Freund und die Unterschiede zwischen Dortmund und Hoffenheim.
Herr Toljan, wir müssen über Sie reden. Das machen Sie eigentlich nicht so gerne, oder?
(lacht) Das kommt ganz auf die Fragen an!
Sie haben kürzlich gesagt: „Wenn man wechselt, ist halt vieles neu. Das Team, das Umfeld, die Trainer. Das ist ein Prozess, das dauert bei jedem, das ist doch nichts Ungewöhnliches.“ Wie weit ist dieser Prozess bei Ihnen fortgeschritten?
Ich bin angekommen. Ich glaube, es dauert einfach ein bisschen, wenn man in eine neue Gruppe reinkommt und alle kennenlernen muss. Es ist wirklich ein Prozess. Sowas braucht Zeit. Zumindest war es bei mir so. Aber wie gesagt, jetzt bin ich angekommen.
Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?
Gut. Ich habe viel gelernt, seitdem ich hier bin. Ich versuche, möglichst viel aufzusaugen und mitzunehmen.
Sie sind im Sommer kurz vor Transferschluss zum BVB gewechselt. Wie schwierig ist ein Wechsel zu so einem späten Zeitpunkt in der Wechselperiode?
Es war mein erster großer Wechsel, deswegen kann ich nicht beurteilen, wie es im Vergleich zu einem Wechsel ist, der früher stattfindet. So hatte ich eben keine Vorbereitung mit den neuen Teamkollegen, bin direkt in den laufenden Betrieb eingestiegen. Du musst direkt spielen, obwohl du die Jungs noch gar nicht wirklich kennst und nichts hast, an dem du dich irgendwie festhalten kannst. Deswegen war der Start nicht einfach.
Nun also Dortmund. Sie sind gebürtig aus Stuttgart, haben eigentlich Ihr ganzes Leben in Süddeutschland verbracht. Jetzt leben Sie im Ruhrgebiet. Wie groß ist der Unterschied zwischen Hoffenheim und Dortmund?
Ich glaube, der Unterschied von Hoffenheim zu allem ist ziemlich groß (lacht). Da war nicht viel los. Ich habe in Sinsheim gewohnt. Das ist auch keine wirkliche Stadt. Insofern ist der Unterschied schon deswegen groß, weil ich jetzt in einer Großstadt lebe. Aber ich fühle mich in beiden Regionen sehr wohl. Egal ob Stadt oder Dorf. Sowohl im Süden als auch hier im Ruhrgebiet.
Auch als Spieler sind Sie flexibel, links und rechts einsetzbar. Ist Ihre Flexibilität ein Fluch oder ein Segen?
Ich bin mir da auch nicht so ganz sicher. Aktuell ist es sicherlich eher ein Segen. Es bringt mir Spielzeit. Ich spiele beide Seiten gerne. Für den Trainer ist das gut. Mittlerweile habe ich beide Positionen so häufig gespielt, dass es keine riesige Umstellung mehr ist.
Wünscht man sich als Spieler denn nicht eine feste Stammposition?
Es fällt einem schon ein bisschen leichter, wenn man eine feste Position hat. Aktuell habe ich mehrere Spiele hinten links gemacht habe und merke, dass ich einen ganz guten Rhythmus finde.
Machen Sie sich Sorgen um Ihren Stammplatz, den Sie sich zuletzt erkämpft haben, wenn Marcel Schmelzer und Raphael Guerreiro zurückkommen?
Nein. Ich weiß, was ich kann. Und ich will spielen. Am Ende entscheiden darüber der Trainer und meine Leistungen auf dem Platz. Ich wünsche niemandem, dass er verletzt ist. Und dass beim BVB großer Konkurrenzkampf herrscht, das war mir ja von Anfang an klar. Unter dem Strich geht’s um meine Leistung, die Tag für Tag stimmen muss.
Ein ehemaliger Trainer von Ihnen, Steffen Freund, behauptet, Sie seien in zwei bis drei Jahren einer der besten Rechtsverteidiger der Liga.
(lacht) Ich habe das auch gelesen. Und es hat mich ein bisschen gewundert. Er war mein Trainer in der U17 beim DFB - und hat mich damals nicht spielen lassen (lacht). Aber natürlich ist es schön, sowas zu hören. Es zeigt, dass er eine gute Meinung von mir hat. Ich arbeite daran, dass es vielleicht wirklich mal so kommt. Aber bis dahin ist es wirklich noch ein weiter Weg.
Sie haben erst sechs Fouls begangen im BVB-Trikot! Sind Sie lieb oder zu lieb?
Das weiß ich nicht. Ich höre das häufiger. Aber ich muss ja jetzt nicht ständig foulen, oder? Ich halte mich deswegen nicht für zu lieb. Und ich hatte auch nicht vor, am Wochenende wild durch die Gegend zu grätschen, um weniger lieb zu wirken (lacht).
Unter Peter Stöger ist der BVB in der Bundesliga noch ungeschlagen. Was hat der Trainer verändert, an welchen Stellschrauben hat er gedreht?
Zunächst einmal: Man kann nicht immer alles auf den Trainer schieben. Klar, es ist ein neuer Trainer da, weil es unter Peter Bosz am Ende sportlich nicht mehr gut lief. Aber vielleicht haben wir durch den Trainerwechsel als Mannschaft auch erst so richtig gemerkt, dass wir etwas ändern mussten. Alleine das ist schon ein wesentlicher Impuls gewesen und ein Grund, warum es jetzt wieder besser läuft. Aktuell ist es so, dass wir uns einfach wieder besser auf unsere Stärken besinnen. Auch als Mannschaft.
Welche Stärken sind das?
Wir sind geschlossener. Wir stehen defensiv besser. Wir gehen es jetzt so an, dass wir erstmal unser Tor verteidigen. Wenn uns das gut gelingt, schaffen wir es offensiv fast immer, gefährlich zu sein.

Nach anfänglichen Schwierigkeiten ist der 23-Jährige jetzt eine feste Größe im Dortmunder Defensivverbund. © Groeger
Peter Stöger genießt so ein bisschen den Ruf als Defensiv-Trainer.
Der Trainer spricht auch viel mit uns über die Offensive. Wir trainieren ja nicht nur noch das Verteidigen, sondern suchen immer nach Lösungen für die Offensive. Aber die Wahrscheinlichkeit, ein Spiel zu gewinnen, ist hoch, wenn man eine gute Defensive hat.
Ein Name, der für die Dortmunder Trainerbank immer wieder gehandelt wird, lautet Julian Nagelsmann. Sie haben in Hoffenheim unter ihm gespielt. Was ist Nagelsmann für ein Typ?
An den Spekulationen um ihn möchte ich mich nicht beteiligen. Aber was ich sagen kann, ist, dass er ein sehr guter Typ ist. Ich bin immer sehr gut mit ihm ausgekommen. Natürlich ist er noch jung, aber dadurch ist er im Umgang auch sehr locker und weiß, wie die Spieler ticken. Taktisch arbeitet er auf einem sehr hohen Niveau. In Sachen Taktik ist er der Trainer, der mich bis jetzt am meisten geprägt hat.
Wie haben Sie die vergangenen Wochen der Transferperiode erlebt, wie sehr hat das die Mannschaft aus der Konzentration gerissen?
Es war nicht einfach für die Mannschaft, dass so sehr immer wieder über eine Person gesprochen wurde. Ich finde, dass das Thema Aubameyang ein bisschen zu hoch geschaukelt wurde. Wir haben versucht, es nicht so an uns ranzulassen. Wir sind ja trotzdem noch ein Team und stellen niemanden alleine in eine Ecke. Aber natürlich bringt sowas Unruhe.
Und es stört das Sportliche?
Es kann stören. Jeder Spieler geht anders mit so etwas um. Aber hilfreich ist es auf keinen Fall.
Jetzt zählt nur noch Fußball bis zum Ende einer Saison, die früh etwas von Schadensbegrenzung hatte. Was trauen Sie dem BVB noch zu?
Viel. Wir sind seit sechs Spielen ungeschlagen, haben in Köln endlich wieder gewonnen. Ich glaube, dass wir in der Rückrunde besser und konstanter spielen werden und unsere Ziele erreichen. Am liebsten Platz zwei.
Im Sommer dann steht die WM in Russland an. Wann sind Sie bereit für ein Turnier mit der A-Mannschaft?
(lacht) Das Gute ist ja, dass ich das nicht beantworten kann und muss. Ich muss nur Fußball spielen. Der Wunsch, dass ich sowas irgendwann mal erleben darf, ist natürlich groß. Darauf arbeite ich hin. Es ist aber auch nicht so, dass ich jeden Tag hoffe, dass mich der Bundestrainer anruft.
Jérôme Boateng wird sicher dabei sein, aber nicht jeder Politiker in Deutschland will sein Nachbar sein. Auch sein Bruder Kevin-Prince engagiert sich sehr im Kampf gegen Rassismus. Wie ist das bei Ihnen? Wären Sie gerne Boatengs Nachbar?
Na klar (lacht). Jérôme Boateng ist bestimmt ein ziemlich cooler Nachbar. Rassismus sollte nicht mehr vorkommen heutzutage, ist aber leider immer noch viel zu oft ein Thema. Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir Sportler darauf aufmerksam machen und zeigen, wie gut der Sport Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Herkunftsländern verbinden kann.
Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.

Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.
