BVB auf der Suche nach neuen Häuptlingen
Nach Kehls Karriere-Ende
Über Jahre hinweg war Sebastian Kehl der Fixpunkt im Team von Borussia Dortmund. Chef auf dem Platz, Ansprechpartner für die jungen Spieler, Ansprechpartner für die Medien. Als Kapitän ging Kehl immer vorweg. Sein Rücktritt hat für ein Vakuum an der Spitze der Hierarchie gesorgt. Ein neuer Anführer wird gesucht.

Mats Hummels
Die Szene spielte sich beinahe unbemerkt ab, in einem der Testspiele des BVB auf der Asientour. Mats Hummels knöpfte sich Henrikh Mkhitaryan vor, nachdem der sich bei einem unnötigen Dribbling in mehreren gegnerischen Abwehrbeinen festgelaufen hatte. Das kannte man aus der verkorksten letzten Saison, schon da gab es zwischen den beiden mal eine kurze Auseinandersetzung über das Thema, und Hummels wirkte genervt ob der Unbelehrbarkeit des Armeniers.
Logischer Kandidat
Den Laden zusammenzuhalten, das gehört mit zu Hummels’ Aufgaben auf dem Platz. Er ist der Kapitän. Auch deshalb schluckte Mkhitaryan die Zurechtweisung zähneknirschend. Mit seinen 26 Jahren und der Erfahrung von 191 Bundesliga-Spielen, etlichen Europapokal-Schlachten und Länderspielen ist Weltmeister Hummels der logische Kandidat für Kehls Nachfolge als Leitwolf des neuen BVB.
„Es ist eine neue Situation entstanden“, gibt Sportdirektor Michael Zorc zu. „Und natürlich erwarte ich, dass gerade unsere deutschen Nationalspieler jetzt vorneweg gehen.“
Reibungsloser Übergang
Hummels hat vor einem Jahr von Kehl die Binde übernommen. Das war eine große Geste des 35-jährigen Kehl, der damit einen reibungslosen Übergang gewährleisten und diesen in seinem letzten Jahr moderierend begleiten wollte. Das Jahr dann war geprägt von großen sportlichen Problemen der Mannschaft und persönlichen für Hummels in Form von vielen gesundheitlichen Rückschlägen.
Seinen fußballerischen Ansprüchen genügte der 26-Jährige nach eigener Aussage dabei höchst selten, die zusätzliche Belastung, die das Kapitänsamt bei einem strauchelnden Branchenriesen mitbrachte, erwies sich als zusätzliche Bürde. In den Momenten der größten sportlichen Sorgen stand daher Kehl wie selbstverständlich als erster Ansprechpartner vor den Kameras – und Hummels war dankbar über die Unterstützung, die ihm der erfahrenste Profi im Kader wie selbstverständlich gab.
Wortführer
Er klebe nicht an diesem Kapitänsamt, hat Hummels jetzt in einem Interview mit dem kicker Sportmagazin gesagt, er habe gemerkt, „dass bei mir als Kapitän von außen viel auf Unnötiges geachtet wird. Und das brauche ich nicht.“ Aber natürlich würde er in seiner neunten Saison im schwarzgelben Trikot auch ohne Binde ein Wortführer sein wollen. Einer, der die Mannschaft trägt, der sie leitet, der sie führt.
Auch Kehl gebührte nicht allein das Sagen in der Kabine. Kehl hatte immer starke Persönlichkeiten neben sich, Roman Weidenfeller zum Beispiel, dessen Wort dank seiner Erfahrung und Ausstrahlung teamintern großes Gewicht hatte. Doch auch Weidenfeller befindet sich im Zielkorridor der Karriere, er hat im letzten Jahr gleich zwei Mal seinen Stammplatz verloren. Und wer nicht spielt, hat deutlich weniger zu sagen. Der Zeitpunkt ist also da, wo andere in die Bresche springen müssen.
Boygroup ist erwachsen geworden
Vielleicht, meint auch Zorc, muss diese Verantwortung auf mehrere Schultern verteilt werden. Schmelzer und Sahin sind 27, Reus und Bender 26. Sie alle haben genügend Erfahrung gesammelt, um dieses BVB-Team jetzt auf die Erfolgsspur zurückzuführen. Die einstige Boygroup ist erwachsen geworden. Jetzt müssen sie zeigen, dass sie bereit sind, noch mehr Verantwortung zu übernehmen.