
© Guido Kirchner
BVB-Abwehrspieler Zagadou im Exklusiv-Interview: Ich bleibe einfach cool
Borussia Dortmund
Eine Figur wie ein Kleiderschrank, auf dem Platz die Coolness in Person: In seinem ersten Interview mit einer deutschen Redaktion öffnet sich Dan-Axel Zagadou - und singt sogar auf Deutsch.
Vorweg: Wie geht es Ihrem verstauchten Fuß?
Es geht immer besser, ich kann wieder laufen und langsam ins Training einsteigen.
Wann können Sie wieder voll mitmischen?
Das ist schwer vorauszusagen. Ich hoffe, es dauert nicht mehr lange - und dass ich für den Rückrundenstart gegen Leipzig wieder bereit bin.
Sie waren auch im Frühjahr verletzt mit einem Muskelbündelriss. War das schwerer zu verkraften, weil es für Sie damals nicht so gut lief beim BVB, oder ist es jetzt schwieriger, weil Sie Stammspieler waren?
Die Verletzung an sich ist nicht so schlimm wie damals. Aber im Frühjahr war ich noch nicht so gut integriert, bei der Mannschaft lief es nicht rund, die Ergebnisse fehlten. Da war es insgesamt schwieriger zu verkraften. Jetzt bin ich komplett integriert und kann besser damit umgehen, dass ich nicht immer bei den Teamkollegen dabei sein kann.
Sie sind eineinhalb Jahre in Dortmund. Was fällt Ihnen zu dieser Zeit als Erstes ein?
Die Vorstellungen und Wünsche haben sich für mich ganz klar bewahrheitet und erfüllt. Der BVB ist ein Klub, der sehr intensiv junge Spieler fördert und ihnen viel Vertrauen schenkt. Wenn Sie nach einem Zwischenfazit fragen: Es ist alles sehr positiv gelaufen für mich.

War das auch im Sommer so? Da hatten Sie ein Jahr in einem fremden Land hinter sich, mussten als linker Verteidiger auf einer fremden Position aushelfen, dann die lange Verletzungspause und kaum Spielpraxis. Keine einfache Zeit, oder?
Das stimmt auch. Die vorige Saison lief insgesamt nicht gut, all die verschiedenen Umstände kamen zusammen. Aber dafür läuft es jetzt umso besser, für mich persönlich und für das Team. Wir sind eine andere Mannschaft geworden, wir sind sehr gut eingespielt und sehr gut aufeinander abgestimmt.
Welche Rolle hat Trainer Lucien Favre für Sie dabei gespielt?
An erster Stelle steht die Sprache. Wenn man auf dem Feld steht und nicht kommunizieren kann, oder nur mit Händen und Füßen, macht das die Sache schwieriger. Wir können uns bei Bedarf auf Französisch verständigen, das hilft ungemein. Ein anderes Thema ist, dass der Trainer sehr ins Detail geht mit allen seinen Erklärungen. Das hilft gerade mir als noch immer jungem Spieler.
Favre ist bekannt für seine Fähigkeit, an den kleinsten Details zu feilen. Was hat er Ihnen beigebracht?
Meine Größe zum Beispiel bringt manchmal Schwierigkeiten bei der Feinkoordination mit sich. Da gibt er mir Tipps. Er zeigt mir auch die richtigen Positionierungen auf dem Feld. Und weitere Details, wie zum Beispiel, darauf zu achten, wo der Ball herkommt und ob ich besser mit dem linken oder dem rechten Fuß weiterspiele. Es sind viele Dinge.
Ist Ihre Größe immer ein Vorteil oder auch manchmal ein Nachteil?
Ich finde, es ist ein klarer Vorteil, zum Beispiel beim Kopfball. Wenn ich kleiner wäre, hätte ich mehr Nachteile.
Ihr Trainer hat Ihnen wörtlich „eine fantastische Entwicklung“ bescheinigt. Wie erklären Sie selber diesen Leistungssprung?
An erster Stelle muss ich erwähnen, dass ich ab dem fünften Spieltag dieser Saison sehr viel und regelmäßig gespielt habe. Dazu gehört dann, dass man auch Fehler macht. Ich konnte aber schnell daraus lernen, und habe diese Fehler im nächsten Spiel nicht mehr gemacht. Und dann geht es immer weiter voran. So wird man besser.

BVB-Trainer Lucien Favre (M.) im Gespräch mit Dan-Axel Zagadou. © imago/Team 2
Sie mussten lange auf diese dauerhafte Chance zur Profilierung warten. Waren Sie nicht ungeduldig?
Es war schwierig für mich, geduldig zu bleiben, absolut. Der Trainer hatte mir zwar gesagt, dass ich irgendwann spielen werde. Aber in der Mannschaft lief es gut, die Resultate passten, und er musste nichts verändern. Als dann meine Chance kam, konnte ich sie zum Glück nutzen.
Laut Statistik sind Sie der zweikampfstärkste Spieler der Bundesliga. In welchen Bereichen wollen Sie sich noch verbessern?
Ich denke, ich kann mein Passspiel noch verbessern. Ich bin zwar technisch nicht so schlecht, aber es geht bestimmt noch besser. Ich bin jemand, der gerne aktiv am Spiel teilnimmt, der den Spielaufbau mit bestimmt. Daran will ich weiter arbeiten.
Was alle erstaunt, ist, wie cool und abgeklärt Sie in Ihren jungen Jahren auf dem Platz agieren. Woher kommt das?
(lacht) Ich bin auch privat ein eher ruhiger Mensch, der sich keinen Kopf macht. Das heißt nicht, dass ich nicht viele Dinge reflektiere, aber ich bleibe einfach cool dabei. Das versuche ich auch auf dem Platz so handzuhaben. Wenn man sich im Leben aufregt oder auf dem Platz aufgeregt spielt, wird es selten besser.
Woher kommt diese Prägung?
Ich war schon immer so.
Liegt es an Ihrem privaten Hintergrund? Wir wissen wenig über Sie.
Ich bin in Creteil geboren und aufgewachsen, einem Vorort von Paris. Das ist ein Viertel, in dem sehr viele Menschen wohnen mit unterschiedlicher Herkunft, aus aller Welt. Dort habe ich vor unserem Block auf dem Bolzplatz tagtäglich Fußball gespielt und bin dann mit einigen Freunden in einen Verein eingetreten.
Zählte nur Fußball?
Ja. Fußball ist doch das einfachste Spiel. Man braucht nicht einmal einen Ball, kann mit einer Murmel spielen oder einer Kugel oder was immer man findet.
Ihrer Statur nach hätten Sie auch Rugby spielen können, oder Basketball.
(lacht) Ich wollte immer nur Fußball spielen. Das ist mein Ein und Alles. Das hat auch damit zu tun, dass auch mein Vater und meine Brüder immer nur Fußball gespielt haben. Von der Größe her hätte ich auch Basketball spielen können, ich schaue es gerne im Fernsehen, aber mit den Händen bin ich nicht so geschickt wie mit den Füßen.
Wie groß ist denn Ihre Familie?
Ich habe vier Brüder und eine Schwester. Ein Bruder ist jünger, die anderen sind alle älter.
Sind Sie dadurch „abgehärtet“ und deswegen ohne großen Respekt an die Aufgabe Profifußball herangegangen?
Das kann schon sein, dass es damit zusammenhängt. Es war immer so, dass mich meine älteren Geschwister sehr streng kontrolliert haben, dass ich keinen Blödsinn mache. Aber wir haben immer sehr eng zusammengehalten. Einer meiner Brüder lebt jetzt auch die meiste Zeit bei mir in Deutschland.
Wo waren Sie beide denn am 15. Juli 2018?
Keine Ahnung. Was war da?

Die BVB-Reporter Tobias Jöhren (r.) und Jürgen Koers (l.) im Interview mit Dan-Axel Zagadou. © Inderlied/Kirchner
Weltmeisterschaft. Finale …
Ahh, das war am 15. Juli? Ich war in Dortmund, alleine. Ich habe das Spiel natürlich gesehen, im Trikot der Equipe tricolore vor dem Fernseher. Ich habe mitgefiebert und mich riesig gefreut. Aber es gab keine große Party.
Was vermissen Sie am meisten an Ihrer Heimat?
Meine Freunde. Wenn ich nach dem Training nach Hause komme, würde ich mir manchmal wünschen, sie könnten häufiger bei mir sein.
Mit 18 Jahren in ein anderes Land zu ziehen, ist ein gewaltiger Schritt.
Ja, das stimmt. Aber ich bedauere ihn Nullkommanull.
Mit Ousmane Dembele und Pierre-Emerick Aubameyang sind auch noch zwei Freunde vom BVB weggegangen.
Ja, ich habe mich mit beiden sehr gut verstanden. Wir hatten viel gemein, nicht nur die Hautfarbe, sondern auch viele Interessen und Vorlieben. Aber es ist das Wesen des Fußballs und des Lebens, dass jeder seinen Weg gehen muss. Das ist dann auch so ein Punkt, wo ich mir nicht lange einen Kopf mache.
Ist mehr Disziplin eingekehrt auch für Sie, seitdem die beiden weg sind?
Naja. Axel Witsel passt jetzt auf mich auf. Er ist wie ein ,tonton‘ für mich, wie ein Onkel.
Ein Onkel?
Ja, sozusagen. Wir haben ein gutes Verhältnis, und weil er ein paar Jahre älter ist als ich, nenne ich ihn meinen Onkel.
Wenn man Sie für etwas anderes als Fußball begeistern könnte, was müsste das sein?
Ich mag sehr gerne Musik, französische und auch amerikanische Rap-Musik. Mode gefällt mir auch.
Musik ist ein gutes Stichwort, es gibt einen Fansong über Sie. Die Melodie kommt aber eher aus dem deutschen Schlager. Kennen Sie den?
Nein, den habe ich noch nie gehört.
Wollen wir singen?
(lacht) Wir, jetzt - hier? Na gut, probieren wir es mal…
Die Melodie stammt vom Lied „Ohne Dich“ der Band Münchner Freiheit. Das geht so: „Ohne dich geht jeder Angriff rein, ohne dich fahr’n wir null Punkte ein, ohne dich hat Bürki keine Ruh‘, Dan-Axel Zagadou“
Okay, ich versuch’s (singt!): „Ohne Dich geht jeder Angriff rein, ohne Dich fahr’n wir null Punkte ein, ohne Dich hat Bürki keine Ruh‘, Dan-Axel Zagadou“ (lacht und klatscht)
Aber privat lieber Rap?
Auf jeden Fall!
Schon als Kind wollte ich Sportreporter werden. Aus den Stadien dieser Welt zu berichten, ist ein Traumberuf. Und manchmal auch ein echt harter Job. Seit 2007 arbeite ich bei den Ruhr Nachrichten, seit 2012 berichte ich vor allem über den BVB. Studiert habe ich Sportwissenschaft. Mein größter sportlicher Erfolg: Ironman. Meine größte Schwäche: Chips.

Tobias Jöhren, Jahrgang 1986, hat an der Deutschen Sporthochschule in Köln studiert. Seit 2013 ist er Mitglied der Sportredaktion von Lensing Media – und findet trotz seines Berufes, dass Fußball nur die schönste Nebensache der Welt ist.
