Julian Brandt marschierte pfeifend durch die großzügige Mixed Zone in der Allianz Arena. Sein Blick aber war stur geradeaus gerichtet, und allein die Tatsache, dass einer der redegewandtesten Spieler im Dortmunder Kader nach einem respektablen 2:2 in München lieber nicht sprechen wollte, zeigte, dass Brandt gerade eigentlich nicht zum Pfeifen zumute sein dürfte. Die Partie in München reihte sich vielmehr ein in die Serie von unerklärlichen Auftritten des Blondschopfs. Es will partout nicht aufwärts gehen. Die persönliche Formkrise, in der der 28-Jährige seit etlichen Wochen steckt, nimmt immer dramatischere Ausmaße an.
BVB-Trainer Kovac setzt auf Brandt
In Barcelona der schlampige Rückpass vor dem 0:4, in München sein unwürdiges Verteidigen bei beiden Gegentoren sowie viele Pässe ins Nichts, zum Gegner oder mit dem falschen Timing: Momentan muss sich Julian Brandt jeden erfolgreichen Pass zum Mitspieler hart erarbeiten. Doch gelungene Aktionen wie die gute Vorarbeit für die in letzter Sekunde geblockte Schusschance von Maximilian Beier (58.) sind nur ein Strohfeuer, sie reichen auch bei weitem nicht aus, um sein stark angeknackstes Selbstvertrauen zu steigern.
Trainer Niko Kovac hat bislang unerschütterlich zu Brandt gestanden und damit versucht, die zentrale Figur in der Kreativabteilung zu stützen. Kovac hat in München drei personelle Veränderungen als Reaktion auf schwache Leistungen in Barcelona vorgenommen. Doch Brandt blieb selbstverständlich in der Mannschaft, obwohl auch er ein Kandidat für eine schöpferische Pause gewesen wäre.
Brandt beim BVB im Dauertief
Mittlerweile stellt sich jedoch die Frage, wie man ihm am sinnvollsten helfen kann in dieser Dauer-Krise. Brandt steht vor seinem 350. Einsatz in der Bundesliga, er hat 48 Länderspiele auf dem Buckel, er ist also erfahren genug und kennt schwächere persönliche Phasen aus jeder einzelnen Saison. Doch so nachhaltig weit fernab von seinen vorhandenen Möglichkeiten hat man ihn noch nie gesehen. Vielleicht sieht auch Kovac nun den Zeitpunkt für gekommen, um ihn aus der Schusslinie zu nehmen. Klar ist: Bei Brandt sind die persönlichen Auswirkungen auf die mindestens so eklatante Inkonstanz in den Leistungen der Mannschaft am größten. Erst seit einigen Wochen hat sich das Auftreten des BVB stabilisiert – nicht aber die Leistung des Mittelfeldspielers.
Vor Beginn der laufenden Saison hat der BVB ihn auch öffentlich in den Status eines Führungsspielers gehievt, er ist einer der Stellvertreter von Kapitän Emre Can. Brandt schien reif für diesen Schritt zu sein, er wollte dieses Vertrauen spüren, er sah sich selbst in dieser Rolle. Schon unter Edin Terzic gehörte er dem Mannschaftsrat an.
BVB-Führungsrolle belastet Brandt
Doch Brandt war immer dann stark, wenn er als Freigeist auf dem Rasen seine fußballerischen Qualitäten ausleben durfte. An öffentlich ausgerufenen Führungsspielern hängt auch die Aufgabe und der Druck, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, wenn es schlecht läuft. Ein Typ wie Leverkusens Granit Xhaka aber, quasi das Paradebeispiel für so eine Führungsfigur, ist Julian Brandt nie gewesen. Es scheint, als habe ihn diese Rolle eher belastet als beflügelt. Gerade in der Phase, als der BVB in eine sich immer schneller drehende Abwärtsspirale geriet.
Julian Brandt steht an einem Wendepunkt seiner Karriere – vielleicht spielt auch das in seine Formkrise hinein. Im Sommer muss Borussia Dortmund eine Entscheidung über seine Zukunft treffen, weil sein Vertrag dann nur noch eine weitere Saison lang läuft. Gespräche über eine Verlängerung gibt es nicht, sie wurden schon im Winter vertagt, weil Brandts Formabfall schon da immer offener zutage trat.
Erste BVB-Signale an Brandt
Dem Vernehmen nach soll es erste Signale in Richtung der Familie gegeben haben, dass der BVB ohne Julian Brandt planen möchte. In Dietmar Hamann hat ihm ein namhafter Ex-Profi in der vergangenen Woche in einem Interview mit der Funke Mediengruppe sogar ausdrücklich zu einer Neu-Orientierung geraten. „Ich könnte mir vorstellen, wenn er in Frankfurt oder irgendwo auftaucht, dass er wirklich noch zwei, drei richtig gute Jahre haben wird und besser spielen wird, als es in Dortmund zuletzt er Fall war. Es wäre das Beste für beide Parteien, sich im Sommer zu trennen.“
Brandt hat sich in der Vergangenheit mit sehr offenen und ehrlichen Analysen hervorgetan, aktuell aber möchte er nicht sprechen. „Es gibt so viele Warum-Fragen – ganz ehrlich: Ich kann sie gar nicht alle beantworten, ich bin seit sechs Jahren hier und habe so eine Phase noch nie erlebt“, hat er im Oktober 2024 nach der Pleite in Augsburg erklärt. Damals bezog sich die Antwort auf eine Frage nach der Niederlagen-Serie der Borussia auf fremden Plätzen. Sie würde heute auch als Antwort auf eine Frage nach seiner persönlichen Situation zutreffen.
Hinweis der Redaktion: Dieser Artikel erschien ursprünglich am 14. April 2025.
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