Zwei Freistellungen innerhalb von 14 Tagen – viel mehr muss man über den inneren Zustand von Borussia Dortmund gar nicht schreiben. Derzeit ist der BVB ein Chaosklub und nur räumlich weit entfernt vom FC Hollywood aus München, über dessen irre 90er-Jahre derzeit eine sehenswerte Dokumentation im ZDF läuft.
BVB-Dissens zwischen Kehl und Mislintat
Wer glaubt, mit der Freistellung von Sven Mislintat als Borussias Bauernopfer wären alle schwarzgelben Probleme gelöst, der hegt auch noch Hoffnungen auf die Deutsche Meisterschaft am 17. Mai. Das Aus für den Kaderplaner hatte sich lange angekündigt und es war letztlich unvermeidbar. Der Wunsch von Klubchef Hans-Joachim Watzke, dass Mislintat und Sportdirektor Sebastian Kehl ihre Egos und Empfindlichkeiten im Sinne des BVB hinten anstellen würden, war naiv. Bestimmen kann immer nur einer. Den Wettbewerb der Ideen hat es nie gegeben. Was der eine vorschlug, fand der andere immer blöd. Wie im Kindergarten, und im Hintergrund klatscht BVB-Biene Emma.
Mislintat hat sicher seine Fehler gemacht, ihm werden Eigenmächtigkeiten und Indiskretionen vorgeworfen. Selbst wenn er der bessere Transfermanager sein sollte, hätte er seine Rolle kennen müssen. Und das bereits im Herbst 2023, als ihm der erste unterschriftsreife Vertrag zum Comeback in Dortmund vorgelegen haben soll. Der 52-Jährige passte mit seinem breiten Kreuz nicht durch die Tür, die der BVB geöffnet hatte. Er wollte kein Mann für die zweite Reihe sein, erst recht nicht hinter Kehl. Doch er kam zuletzt und muss jetzt zuerst gehen – die vielen Missstände, die schon vorher da waren, werden deshalb mit ihm nicht verschwinden.
BVB-Sportdirektor Kehl in der Kritik
Sportdirektor Kehl daher als Gewinner des bühnenreifen Stücks darzustellen, wäre zu kurz gedacht. Sicher, erst einmal darf Kehl aufatmen. Doch wer die Geschehnisse der vergangenen Wochen deutet, kann nur zu dem Schluss gelangen, dass auch der Stuhl des 44-jährigen Sportdirektors merklich wackelt. Seine Transferbilanzen der vergangenen Jahre sind in Summe enttäuschend. In der Konsequenz fällt der BVB sportlich kontinuierlich zurück. Er wird nicht nur von den alimentierten Klubs aus Leipzig und Leverkusen angegriffen, sondern auch von Traditionsklubs aus Frankfurt und Stuttgart überholt. Die Halbwertszeit der Trainer wird immer kürzer, der Fußball immer schlechter.
Bei der Suche nach einem Nachfolger für Nuri Sahin übernahm Lars Ricken das Kommando. Er führte das erste lange Gespräch mit Niko Kovac, er sondierte mit Watzke die Bereitschaft bei Ralf Rangnick, der nach einem Kurzzeit-Job als Feuerwehrmann sportlich auf höherer Ebene das Sagen hätte übernehmen können. Der Sportdirektor als zweitwichtigster Entscheider übernahm keine oder nur eine nachgeordnete Funktion. Das sind unmissverständliche Zeichen.
Der BVB verliert an Geschlossenheit
Immerhin: Ricken beweist endlich Entscheidungsfreude und Tatkraft. Er muss hoffen, dass die nächsten Schüsse sitzen. Sonst verliert der BVB viel mehr als die Geschlossenheit nach außen, die ihn so lange ausgezeichnet hatte.