Die Fans im Signal Iduna Park rieben sich verwundert die Augen. Ist das gerade eben wirklich Karim Adeyemi gewesen, der erst 30 Meter im höchsten Tempo hinter dem als durchaus schnell geltenden Achraf Hakimi hinterhergesprintet war, den Marokkaner dann mit einem beherzten, aber fairen Körpereinsatz aus dem Tritt gebracht und so den Ball erobert hatte? Ja, es stimmte wirklich. Und es sollten noch mehrere Szenen dieser Art folgen.
Adeyemi als wichtiger BVB-Faktor
Der 22-Jährige rannte, kämpfte, biss. Dinge, die man in dieser extremen Ausprägung von ihm vielleicht noch nie gesehen hatte. In Dortmund verfestigte sich zuletzt immer mehr das Bild eines unmotivierten Schönspielers, der es zwar mag, mit Ball am Fuß zu glänzen, sich aber für die „Drecksarbeit“ zu schade ist. Das 1:4 in Leipzig war dafür das beste Beispiel. Lethargisch schlich er dort über den Platz, ließ das Spiel an sich vorbeilaufen. Eine absolute Nicht-Leistung. Folgerichtig seine Auswechslung nach 45 Minuten.
Vier Tage später folgte ein ganz anderer Auftritt. Der offensive Mittelfeldspieler fokussierte sich gegen Paris Saint-Germain weniger auf eigene Glanzstückche. Er stellte den Teamgedanken in den Vordergrund, arbeitete für seine Mitspieler. Selten zuvor hatte man ihn in so hoher Regelmäßigkeit an der eigenen Torauslinie so konsequent und körperbewusst verteidigen sehen. Für keinen Weg war er sich zu schade. Und alles in höchstem Tempo.
BVB-Trainer Terzic nimmt sich Adeyemi zur Brust
„Das ist genau das, was wir von ihm brauchen. Heute hat er sein Potenzial in richtige Qualität um gewandelt“, sagte Edin Terzic. Der BVB-Trainer wählte aber auch kritische Worte. „Ich glaube nicht, dass er das in den letzten Spielen unbedingt häufig gezeigt hat.“ Aber wieso jetzt auf einmal? Was hat Terzic mit seinem Offensivspieler gemacht? Eine deutliche Ansage. „Ich habe ihm nach dem Spiel in Leipzig gesagt, dass ich bei vielen RB-Spieler, beispielsweise bei einem Openda, acht Mal gesehen habe, dass er schnell ist. Bei Karim habe ich das am Samstag nicht gesehen.“
Ganz anders im Champions-League-Halbfinale gegen Paris Saint-Germain. „Heute haben wir dann gesehen, dass es kaum jemanden auf dem Planeten gibt, der schneller laufen kann als er. Es liegt häufig an ihm“, sagte Terzic. „Heute hat er es herausragend gut gemacht – daran werde ich ihn erinnern. So kann er ein unglaublich wichtiger Faktor für uns sein.“
Adeyemi wechselt auf die linke BVB-Seite
Neben der Ansage gibt es aber noch einen weiteren offensichtlichen Grund für den Leistungsschub. Terzic wandte einen taktischen Kniff an, versetzte Adeyemi – aufgrund der schnellen Hakimi und Ousmane Dembele – von der rechten auf die linke Seite, wo er sich offensichtlich deutlich wohler fühlte. Sowohl Abstimmung als auch Zusammenspiel mit Ian Maatsen funktionierte deutlich besser als zuletzt mit Julian Ryerson. Gerade in der Arbeit gegen den Ball. Im zweiten Durchgang, als sich Dortmund mehr Räume boten, aber auch offensiv.
Es gab allerdings auch Luft nach oben: Technische Unsauberkeiten verhinderten gute Kontermöglichkeiten, auch die Entscheidungsfindung im Eins-gegen-Eins schlug einige Male fehl. Doch solche Fehler verzeiht das Dortmunder Publikum, wenn der Einsatz stimmt. Und so gab es für Adeyemi auch ohne eigenen Treffer oder eine Vorlage Standing Ovations, als er nach 83 Minuten durch Marco Reus ersetzt wurde. Die verdiente Anerkennung nach einem überraschenden Wandel innerhalb weniger Tage.