9.091.909 BVB-Aktien: Bernd Geske über Geld, Vereinsliebe und Investoren

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9.091.909 BVB-Aktien: Bernd Geske über Geld, Vereinsliebe und Investoren

rnBorussia Dortmund

Bernd Geske hält 8,24 Prozent der BVB-Aktien - mehr als jeder andere. Ein Gespräch über Geld und Vereinsliebe, Pennystocks und Weltklasse-Verträge sowie den Einfluss von Investoren im Fußball.

Dortmund

, 01.11.2021, 13:00 Uhr / Lesedauer: 5 min

Bernd Geske, Jahrgang 1965, ist geschäftsführender Gesellschafter der Bernd Geske Lean Communication. Seit 2005 sitzt der Großaktionär neben den Vertretern der strategischen Partner des BVB im Aufsichtsrat der Borussia Dortmund GmbH & Co KGaA. Er gehörte zu den Aktionären der ersten Stunde am 31. Oktober 2000 - vor genau 21 Jahren. Im Interview mit den Ruhr Nachrichten spricht er über Geld und Vereinsliebe, Pennystocks und Weltklasse-Verträge sowie den Einfluss von Investoren im Fußball.



Herr Geske, wie oft schauen Sie auf den aktuellen Börsenkurs?
Permanent und über den ganzen Tag verteilt. Das geht am frühen Morgen los und bis nach Feierabend. Nur durch den dauerhaften Blick auf die Entwicklungen der BVB-Aktie und das Umfeld wie die Indizes oder vergleichbare Papiere kann ich den Überblick behalten und die nötige Expertise gewährleisten. Ich habe eine Stange Geld investiert, da sollte man doch schauen, was passiert. Das gilt erst recht, wo wir aktuell nicht mehr im S-Dax vertreten sind.


Sie haben beim Börsengang vor 21 Jahren 5000 Aktien gezeichnet zu je elf Euro …

… das war damals das Minimum …


… und runter bis zum „Pennystock“ und wieder rauf in Richtung zehn Euro alles mitgemacht. Haben Sie jemals daran gedacht, die Wertpapiere zu verkaufen?

Nein. Zu keinem Zeitpunkt.

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Warum nicht?

Ich habe mich mit Überzeugung für ein Investment bei Borussia Dortmund entschieden. Da bleibe ich dann auch bei meinem Entschluss. Ich bin kein Spekulant, sondern Kaufmann und Betriebswirt. Mit der Materie im Sport kenne ich mich exzellent aus, mit dem Börsengeschäft auch. Folglich gab es bisher keinen Grund, Aktienpakete zu verkaufen. Nicht einmal die Coronakrise hat mich dazu gebracht. Es müsste schon viel Schlimmeres passieren, was wir alle nicht hoffen. Also: Ich verkaufe auf keinen Fall.


Die teuersten Aktien haben elf Euro gekostet, das ist klar. Wie preiswert waren die günstigsten?

Der Tiefstkurs lag meines Wissens bei 81 Cent. Ich habe immer sukzessive Aktien gekauft. Die Höhe des Kurses war nie das entscheidende Kriterium. Wobei ich auch sagen muss, dass ich einen wesentlichen Anteil meines Portfolios bei sehr niedrigen Kursen gezeichnet habe.


Was haben Sie im Schnitt bezahlt?

Das müsste ich nach den jüngsten Transaktionen nochmal neu berechnen, aber das liegt im Bereich zwischen 1,85 und 2 Euro.


Aktuell wird die Aktie zwar nur mit knapp fünf Euro bewertet, aber selbst unter diesen Umständen haben Sie ein lukratives Investment getätigt.

Auf jeden Fall! Aber im Grundsatz will und werde ich meine Anteile halten. Deswegen ist der Kurs kein Kriterium. Wenn es passt von den Rahmenbedingungen, würde ich eher nachkaufen. Wobei mir das gerade schwerfallen würde.


Warum?

Ich habe eine wie ich finde großartige Zahl erreicht: Mir gehören 9.091.909 Stück Aktien. Besser geht’s als BVB-Fan ja gar nicht mehr. (lacht)


In den ersten Jahren der Börsennotierung gab es Glücksritter wie Florian Homm. Die Bank Morgan Stanley hat dem BVB aus der Finanzkrise geholfen und sich dann verabschiedet. Selbst Hauptsponsor Evonik hat seine Anteile von knapp 15 Prozent auf 8,19 Prozent reduziert. Aber Bernd Geske ist immer noch da. Was müsste geschehen, um Sie vom BVB zu trennen?

Ich bin seit 2003 Großaktionär, ich sitze seit 16 Jahren im Aufsichtsrat, seit 2012 gibt es eine Kooperation mit dem eingetragenen Verein Borussia Dortmund. Aktuell kann ich mir überhaupt nichts vorstellen, was mich vom BVB trennt.

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Welche Bezeichnung trifft denn am ehesten auf Sie zu: Investor, Aufsichtsrat oder Edelfan?

Spannende Frage. Erstmal würde ich mich als Person nicht als „edel“ bezeichnen, auch wenn mir der Begriff natürlich geläufig ist. Ich bin einfach ein Fan. Genauso wie ein Dauerkarteninhaber, der auf der Süd steht, oder ein Ur-Dortmunder, der nur selten ins Stadion geht. Um zu ihrer Frage zurückzukommen: Wer investiert, ist ein Investor. Und im Aufsichtsrat sitze ich sehr gerne.


Können Sie finanzielles Engagement und schwarzgelbes Herzblut überhaupt trennen?

Nein. Das geht nach der langen gemeinsamen Zeit auch gar nicht. Ich bin bei möglichst jedem Heim- und Auswärtsspiel vor Ort dabei, auch bei den meisten Trainingslagern. Seit zwei Jahrzehnten gehört der BVB für mich zum täglichen Leben dazu.

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Ist diese gewisse Nähe zu den Entscheidern und zu den Spielern auch eine Form von Dividende?

Das sind fachlich wie menschlich natürlich Bonbons, die ich genieße. Die persönlichen Begegnungen würde ich aber nie mit den wirtschaftlichen Prozessen aufwiegen.


Trotz der Berg- und Talfahrten an der Börse in all den Jahren hat Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke die Aktie als „Erfolgsgeschichte“ bezeichnet. Stimmen Sie ihm zu?

Absolut.


Warum? Wer mit elf Euro gestartet ist …

… das war eine andere Zeit mit dem sogenannten Neuen Markt. Das war eine Luftblase. Der Emissionskurs einer Fußballaktie mit elf Euro, das war nur damals denkbar, als alle dachten, Aktienkurse kennen nur die Richtung nach oben. Das waren Mondkurse, die heute ganz anders tariert würden.


Die Mehrzahl der Fußballaktien liegt im einstelligen Bereich. Nur wenige sind erfolgreich.

Ganz genau. Bedingung der Börsennotierung ist auch unsere Verpflichtung zur Transparenz, mit allen Vor- und Nachteilen. Wir veröffentlichen regelmäßig unsere Geschäftsberichte und müssen uns in die Karten schauen lassen. Das müssen viele Wettbewerber nicht.


Wünschen Sie sich als größter Anteilseigner, der so viel Vermögen investiert hat, mehr Einfluss ins operative Geschäft?

Das war nie mein Bestreben. Im Aufsichtsrat werde ich über wesentliche Vorgänge informiert. Und als Kind eines Familienunternehmens, zudem als seit 30 Jahren selbstständiger Medienunternehmer, wäre ich „not amused“, wenn mir jemand in mein Geschäft hineinreden will. Bei Borussia Dortmund leiten kompetente und langjährig aktive Führungsfiguren einen großen Klub mit langer Tradition. Da muss ich mich nicht einmischen. Wir sprechen miteinander, wir tauschen uns aus. Aber ich werde niemandem reinreden.

Auch BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist ein klarer Verfechter der 50+1-Regel.

Auch BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ist ein klarer Verfechter der 50+1-Regel. © picture alliance/dpa/BVB


Die 50+1-Regel im deutschen Fußball findet in Ihnen also einen überzeugten Verfechter?

Ja. Ich bin überzeugt, dass Investoren nicht zu viel Mitspracherecht bekommen sollten. Da bin ich mit den Chefs beim BVB auf einer Linie. Aber ich sage auch: Es wird immer schwieriger, diese Regelungen auch durchzuhalten.


International kaufen Oligarchen oder staatliche Fonds Klubs auf und investieren massiv, aus welchen Gründen auch immer. Beunruhigt Sie das?

Als Fußballfan beunruhigt mich das manchmal. Aber als Betriebswirt kann man gegen diese ökonomischen Entwicklungen keine großen Einwände erheben: Das Kapital sucht sich seinen Weg. In der Premier League und der Championship in England gehören alle Klubs Investoren. Da müssen wir uns nicht mehr über 50+1 unterhalten. Ich heiße das nicht vollumfänglich gut, aber das sind realwirtschaftliche Entwicklungen, die man ganz allgemein akzeptieren muss. Solange wir die Einflussnahme von außen in der Bundesliga vermeiden oder eindämmen können, bin ich froh. Aber irgendwann wird der Europäische Gerichtshof entscheiden - und zwar womöglich so, dass diese Konstruktionen nicht mehr verhindert werden können.


Beim Blick auf die Fußballbranche: Stößt der Boom an seine Grenzen bei der Vermarktung, beim Zuschauerzuspruch?

Diese Analysen sind Bestandteil meiner beruflichen Agenturarbeit. Corona hat da seine Wirkung entfaltet - aber die Ansätze waren auch schon zuvor zu erkennen. Der Boom ist seit längerer Zeit vorbei und manche Zahlen sind rückläufig, an vielen Bundesliga-Standorten. Selbst bei Europapokalspielen waren bei verschiedenen Klubs die Stadien nicht mehr voll. Aber noch gilt: Das ist Jammern auf sehr hohem Niveau.


Borussia Dortmund hat zu einem günstigen Zeitpunkt, kurz vor der Krise, wichtige Verträge geschlossen mit einem zweiten Hauptsponsor, mit dem Ausrüster, und den teuren Vermarkter-Vertrag abgelöst. Geht der BVB mit einer besseren Marktposition aus der Krise?

Diese guten Verträge vor der Krise abgeschlossen zu haben, war eine Weltklasse-Leistung der Geschäftsführung. Und den Weg mit zwei Hauptsponsoren zu gehen, ist ausgesprochen innovativ.


Auch die Kapitalerhöhung lässt den Klub finanziell wieder gut dastehen. Als Aktionär muss es sie aber doch geärgert haben, dass der Wert Ihres Investments verwässert wird.

Die Kapitalerhöhung war genehmigt, fertig. Dadurch ist zwar mein Aktienpaket im Wert und anteilig gesunken. Und ich habe lange überlegt, ob ich bei der Kapitalerhöhung mitmache, wegen der vielen Unwägbarkeiten zu dem Zeitpunkt wie Corona oder der Bundestagswahl. Schließlich habe ich die Lage analysiert und am ersten Handelstag nach der Kapitalerhöhung mit 490.000 Stück zugeschlagen.


Wann steigt die BVB-Aktie wieder im Wert, welchen Kurs halten Sie für realistisch?

Als Fan, Großaktionär und Aufsichtsrat bin ich natürlich völlig überzeugt von Borussia Dortmund. Das Kerngeschäft macht die Musik, und sportlich läuft es für mein Empfinden sehr gut. Außerdem können die Leute wieder ins Stadion kommen. Der BVB weckt, um es im Börsenjargon zu sagen, wieder viele Fantasien.