Johannes Lügering sieht für einen Moment fast ein bisschen müde aus. „Ich habe noch nie so viele weinende Menschen hier in meinem Büro gehabt“, sagt er. Bei dem Fachbereichsleiter von Betreuungsverein und Allgemeiner Sozialberatung im Sozialdienst Katholischer Frauen sowie dem Leiter der Ahauser Tafel kommt natürlich einiges zusammen: Energiekrise und Inflation würden bei vielen Armutsbetroffenen eben auch in Ahaus voll durchschlagen.
Auch wenn das Westmünsterland ja allgemein wie eine Insel der Glücksseligen gesehen werde, gebe es eben auch hier Probleme: Große Probleme. „Den Menschen rinnt das Geld selbst für das Notwendigste einfach so durch die Finger“, erklärt er.
Sozialberatung an der Grenze
Die Allgemeine Sozialberatung in Ahaus sei längst an der Grenze angekommen. Und das gehe eben auch den Beratern inzwischen an die Substanz. „Natürlich könnte ich sagen, wir machen nur noch einen oder zwei Beratungstermine am Tag“, erklärt er. Aber auch das sei ja keine Alternative: In Ahaus und Umgebung werde niemand weggeschickt.
Mehr Druck bekommt auch die Tafel zu spüren. Zwischen 800 und 900 Kunden seien es dort aktuell. „Wenn wir unsere Spender nicht hätten, die Tafel käme längst nicht mehr über die Runden“, sagt er. Auch das sei aber eben ein Pfund, mit dem das Westmünsterland wuchern könne.
Beispiel: Ein Lehrer war mit mehreren Schulklassen zu einem Besuch in den Tafelräumen. „Als der gesehen hat, wie leer die Spendenregale an dem Tag waren, ist der ein paar Stunden später wiedergekommen und hat uns Obst und Gemüse für 150 Euro vorbeigebracht“, erzählt der Tafel-Leiter.
Das stellt die Tafel gerade vor immense Herausforderungen: Zur enorm gestiegenen Zahl der Kunden kommen wegbrechende Spenden: Die Lücke zwischen der Kühlhaus-Tür und der ersten Lebensmittel-Kiste werde größer. „Aktuell werden noch zwei Discounter-Filialen in Ahaus und Legden umgebaut. Die sollen Ende November wieder eröffnen. Zum Glück“, sagt Johannes Lügering. Denn auch die beiden geschlossenen Filialen bekommt die Tafel bei den Spendenmengen zu spüren.
Der ernste Ausdruck in Johannes Lügerings Gesicht weicht wieder der guten Laune: „Ohne unsere Ehrenamtlichen wäre sowieso alles verloren“, macht er deutlich. 90 Helfer würden jede Woche Lebensmittel sammeln, sortieren und ausgeben. „Die lassen sich durch nichts erschüttern“, freut er sich.
Riesige Spendenbereitschaft
Genauso groß sei die Spendenbereitschaft und das Engagement in Ahaus und den drei Gemeinden Heek, Legden und Schöppingen, für die die Tafel mit zuständig ist. Dabei betont Johannes Lügering, dass die Tafel in erster Linie nicht für die Versorgung Bedürftiger zuständig ist. „Wir retten Lebensmittel vor der Entsorgung“, betont er. Das sei der oberste Tafelgrundsatz.
Und so werde das an die Kunden verteilt, was da sei. Aktuell könne jeder Kunde alle 14 Tage Lebensmittel von der Tafel bekommen. „Vielleicht gibt es heute nur noch einen Apfel, obwohl es früher mal zwei gab“, sagt Johannes Lügering. Dennoch seien die Kunden unendlich dankbar.
Zusätzliche Spenden seien aber natürlich immer gerne gesehen. Gerade jetzt vor Weihnachten: „Wir wollen für jede Familie ein Weihnachtspäckchen vorbereiten“, sagt Johannes Lügering. Dazu rollt gerade wieder die Päckchenaktion an. Einer der Höhepunkte für die ehrenamtlichen Helfer. „Die freuen sich richtig auf den Tag, wenn die Spenden ausgegeben werden“, sagt er. Ein Päckchen liegt schon im Regal neben dem Kühlhaus. Bis zum Ausgabetag müssen sich die Regale noch füllen. Johannes Lügering hofft, dass das wieder klappt. Aber eigentlich ist er sich da sicher: Auf die Menschen im Westmünsterland sei eben Verlass.
- Päckchen nehmen die Tafelmitarbeiter vom 4. bis 9. Dezember an: Montag bis Samstag von 9 bis 12 Uhr sowie zusätzliche am Montag und Samstag je von 14 bis 17 Uhr.
- In den Päckchen können haltbare Lebensmittel wie Kaffee, Kakao, Gebäck, Süßigkeiten, Nudeln und Konserven, aber auch Drogerieartikel oder Spiel- und Malutensilien sein. Die Spenden sollen nach Möglichkeit in Päckchen und Kartons verpackt werden. Gerne kann ein weihnachtlicher Gruß (jedoch bitte ohne Absender) hinzugefügt werden.
- Wegen der kurzen Haltbarkeit sollen diese Lebensmittel nicht verpackt werden: Obst, Butter, Gemüse, Käse, Eier oder Frischfleisch. Auch bittet die Tafel darum, keine gebrauchten Plüschtiere zu verschenken. Auch sollen Alkohol, Zigaretten oder Medikamente nicht in die Päckchen gesteckt werden.
- Hilfreich sei ein Hinweis darauf, für wen der Inhalt so eines Päckchens am besten passe, etwa „Mutter mit zwei Kindern, Tochter 3, Sohn 5“ oder „Lebensmittel für eine ältere Dame“.
- Alle Pakete werden zunächst bei der Tafel gesammelt und sortiert und dann am 15. Dezember an die Kunden ausgegeben.
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