
Nach dem Raubüberfall auf die Goldschmiede Engels in Ahaus fordert die Staatsanwaltschaft 7 Jahre und 9 Monate Haft für einen der Angeklagten. © Stephan Rape
Nach Raubüberfall in Ahaus: Staatsanwaltschaft fordert 7 Jahre und 9 Monate Haft
4. Prozesstag
Im Prozess um den Raubüberfall auf die Goldschmiede Engels sollten die Plädoyers gehört werden, auch ein Urteil hätte schon fallen können. Doch der Prozesstag war schneller vorbei als geplant.
Der Plan für den vierten Prozesstag am Landgericht Münster rund um den Überfall auf die Goldschmiede Engels in Ahaus am 16. Februar stand eigentlich fest. Am Donnerstag sollten die Plädoyers gehört werden, auch eine Urteilsverkündung stand schon im Raum. Der 23-jährige Angeklagte hatte sogar statt auf die übliche legere Kleidung auf Anzug und Hemd gesetzt.
Rückblick: Ein 23-Jähriger und ein 18-Jähriger, beide aus Rotterdam, sollen sich den Zutritt zu dem Geschäft von Mathias Engels erzwungen, das Schaufenster leergeräumt und den Inhaber und Zeugen mit einer Schreckschusswaffe und einem Vorschlaghammer bedroht haben (wir berichteten).
Doch die erste Überraschung des Tages lieferte die Jugendgerichtshilfe, die sich mit dem jüngeren der beiden Angeklagten beschäftigt hatte. Bereits am Montag waren die Verantwortlichen am Landgericht und hatten ihre Sicht auf den heute 18-Jährigen geschildert.
Bewährungsstrafe für 18-Jährigen?
Sie empfahlen, den Angeklagten nach einem Urteil in der JVA Herford zu belassen, weil er sich möglicherweise schwertun würde, sollte er die Haftanstalt wechseln müssen.
Doch einen Tag später hatten die Verantwortlichen einen ergänzenden Bericht an die Richter geschickt. Der 18-Jährige leide sehr unter der Trennung von seinem gewohnten Umfeld, es sei von einer „schädlichen Auswirkung der Haft auszugehen“.
Die Untersuchungshaft sei eine ausreichende Grenzerfahrung gewesen, es bestehe eine gute Sozialprognose, die Mutter wolle sich weiter um seine Ausbildung kümmern. Deshalb könne eine mögliche Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden.
Lange Haftstrafe für 23-Jährigen gefordert
Nach diesem letzten Punkt, schloss der Richter die Beweisaufnahme, die Staatsanwältin hielt ihr Plädoyer. Aus ihrer Sicht haben sich die beiden Angeklagten des schweren Raubes schuldig gemacht. Nach den am letzten Verhandlungstag gezeigten Aufnahmen der Überwachungskameras sei zudem klar, dass die Zeugen Todesangst gehabt haben müssen.
Der Strafrahmen für den 23-Jährigen, der nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden müsse, betrage 5 bis 15 Jahre Freiheitsstrafe. Die Voraussetzungen für einen minderschweren Fall sah die Staatsanwältin hier nicht gegeben. Das Geständnis, die Entschuldigung des Angeklagten und die 7 Monate Untersuchungshaft wertete sie allerdings zu seinen Gunsten.
Auf der anderen Seite sei der Überfall seine Idee gewesen, ein erheblicher Schaden sei entstanden, und die Staatsanwältin verwies auf die äußerste Brutalität, mit der die Angeklagten gegen die Zeugen vorgegangen waren. Nach der Abwägung der strafmildernden und strafschärfenden Umstände lautete ihr Plädoyer: sieben Jahre und neun Monate Haft für den 23-Jährigen.
Das hatte diesen offenbar schwer getroffen. Danach sah man den jungen Mann nur noch mit der Hand vor dem Gesicht zwischen seinem Dolmetscher und seinem Anwalt sitzen.
Auch für den jüngeren Angeklagten hatte die Staatsanwälte nicht viele warme Worte übrig. Auf den Bildern der Überwachungskameras habe man gesehen, wie er den Vorschlaghammer auf Mathias Engels warf: „Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn er getroffen hätte.“ Auf der anderen Seite sei der Überfall nicht seine Idee gewesen und er habe bereits in Untersuchungshaft sein Verhalten geändert. Das Plädoyer hier: drei Jahre und neu Monate Haft nach Jugendstrafrecht (zum Tatzeitpunkt war der junge Niederländer 17 Jahre alt).
„Hat sich für den falschen Weg entschieden“
Der Anwalt des 23-Jährigen schloss sich der Auffassung der Staatsanwältin an, dass sich der Tatablauf im Verlauf der Verhandlung bestätigt habe. Allerdings sah er die Voraussetzungen für die Beurteilung als minderschweren Fall gegeben. Dadurch würde sich ein deutlich geringerer Strafrahmen ergeben.
Es seien viele entlastende Umstände gegeben. Neben dem Geständnis und den Entschuldigungen gehöre dazu auch das gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 1500 Euro. Auch wenn man nicht den ganzen Schaden ausgleichen könne, so müsse doch der symbolische Akt der Wiedergutmachung gesehen werden.
Der 23-Jährige stehe am Anfang seines Lebens. Wäre der Überfall nicht gewesen, hätte er mittlerweile seine Ausbildung zum Elektriker abgeschlossen. Doch der Druck in seiner Heimat Rotterdam sei zu groß geworden, so der Anwalt. Der Angeklagte hatte unter anderem berichtet, dass er Schulden bei „den Jungs auf der Straße“ hatte. Zu seinem Schutz hatte er sich auch die Schreckschusspistole angeschafft. „Unter dem Druck hat er sich für den falschen Weg entschieden“, so der Anwalt. Er plädierte letztendlich auf zwei Jahre Freiheitsstrafe.
Doch das konnte den 23-Jährigen offenbar nicht beruhigen. Nach einer kurzen Sitzungsunterbrechung kamen die Angeklagten nicht zurück in den Gerichtssaal. Der 23-Jährige war zusammengebrochen und musste ärztlich betreut werden. Der Prozess wurde unterbrochen und wird nun am 27. September um 9 Uhr fortgeführt.
Geboren und aufgewachsen an der Grenze zwischen Ruhrpott und Münsterland, hat Kommunikationswissenschaft studiert. Interessiert sich für Tiere, Kultur und vor allem für das, was die Menschen vor Ort bewegt.