Liveticker: Landwirte aus dem Kreis Borken fahren in Kolonne zum Protest nach Bonn

© Stephan Teine

Liveticker: Landwirte aus dem Kreis Borken fahren in Kolonne zum Protest nach Bonn

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Landwirte aus Borken wollen sich am Dienstag an den Protesten in Bonn beteiligen: Mit Traktoren sind sie in der Nacht zu Dienstag losgefahren. Wir haben die Fahrt im Live-Ticker begleitet.

Ahaus, Heek, Legden, Stadtlohn, Südlohn

, 22.10.2019, 04:00 Uhr / Lesedauer: 6 min

Wir berichten live aus einem der Traktoren, die unterwegs nach Bonn sind.

12.50 Uhr: Bonn ist voll. Die Stadt ist abgeriegelt, auch die Trecker aus dem Kreis Borken parken auf einem abgeernteten Acker am Ortsschild. Wie über 200 andere Traktoren auch. Es kommen noch immer weitere Kolonnen nach. Die Kundgebung in der Stadt, die um 11 Uhr begonnen hatte, ist gelaufen. Jetzt lautet die Frage: Was tun?

12.22 Uhr: Der Konvoi aus dem Kreis Borken passiert das Ortsschild von Bonn.

Der Trecker-Konvoi, den unser Reporter Stephan Teine begleitet, hat Bonn erreicht.

Der Trecker-Konvoi, den unser Reporter Stephan Teine begleitet, hat Bonn erreicht. © Stephan Teine

11.55 Uhr: Auf Frank Kisfelds Handy gehen jetzt immer mehr Nachrichten ein, von Treckergruppen, die mit hunderten Traktoren in den Großstädten rund um Bonn eintreffen. In Würzburg wurde eine Veranstaltung der Landwirte bereits abgesagt, weil statt der erwarteten 50 gleich 1000 Schlepper in die Stadt gekommen waren. Zu viel, um die Sicherheit noch zu gewährleisten. Auch in Münster soll sich nichts mehr bewegen. Andere Nachrichten berichten von Menschen, die mit Steinen oder Eiern nach den Treckern werfen. Bei uns bleibt die Stimmung freundlich. Die meisten Passanten winken oder lächeln zumindest.

11.50 Uhr: Die Treckerdichte erhöht sich wieder: An jeder Kreuzung und an jedem Kreisverkehr treffen wir jetzt auf immer mehr Trecker-Konvois, die noch auf dem Weg nach Bonn sind. Derweil ist die Polizei anscheinend an anderen Orten gefragt: Unsere Eskorte ist auf ein Fahrzeug zusammengeschmolzen.

11.45 Uhr: Viele Leser haben sich auf unserer Facebook-Seite über das laute Hup-Konzert mitten in der Nacht beschwert. Zumindest dieser Konvoi hat damit aber nichts zu tun: Bis zum Morgen waren wir vor allem auf kleinen Landstraßen außerhalb von Ortschaften unterwegs.

11.00 Uhr: Eigentlich wollten die Landwirte aus dem Kreis Borken ja jetzt schon auf dem Münsterplatz in Bonn stehen. Pünktlich losgefahren sind sie dafür um kurz nach Zwei in der Nacht. Doch die beiden unfreiwilligen Stopps durch die Polizei in der Nacht haben ihnen einen Strich durch die Zeitplanung gemacht.

Frank Kisfeld sieht‘s gelassen. „Der Weg ist das Ziel“, sagt er, während wir gerade mal wieder eine große Kreuzung abriegeln. Es geht den Landwirten nicht darum, in Bonn auf dem Platz zu stehen. Sie wollen gesehen werden und sich den Menschen ins Bewusstsein fahren.

10.05 Uhr: Während er einer Frau aus dem fahrenden Traktor ein Netz Kartoffeln zuwirft (sie bedankt sich mit steil aufgestelltem Daumen) regt er sich über die Verbraucher im Allgemeinen auf: „Es ist doch ein Hohn manchmal: Haben für 20.000 Euro eine Küche im Haus stehen, aber die Lebensmittel dürfen nichts kosten“, schimpft er vor sich hin. Am Ende der Dumping-Preise stehen dann Landwirte und ihre Familien.

9.55 Uhr: Die Polizei führt uns mitten durch das kleine Örtchen Bedburdyck. Viel Platz ist auf den engen Dorfstraßen nicht. Aber die Passanten freuen sich trotzdem über die ungewohnten Besucher, lächeln und winken.

9.45 Uhr: Mal kurz ein paar Sätze, mit wem ich hier überhaupt auf dem Trecker sitze: Frank Kisefeld (40) kommt aus Vreden. Sein Betrieb ist auf Schweinemast und Biogas ausgerichtet. Einer seiner Motoren versorgt das Schulzentrum, ein anderer das Rathaus mit Strom und Wärme.

Warum er mitgefahren ist? „Weil ich einmal möchte, dass mein Sohn den Hof übernehmen und noch gut wirtschaften kann“, sagt er. Der zweijährige Fritz hat bis zu dieser Entscheidung zwar noch etwas Zeit, er ist aber so Trecker-verrückt, dass für Frank Kisfeld da eigentlich schon alles längst klar ist. Seine beiden Töchter haben da schon deutlich weniger für den Hof übrig.

Die Nachfolge und die Zukunft sind dabei aber gar nicht das aktuelle Kernproblem:

Frank Kisfeld (40), Landwirt aus Vreden, und Stephan Teine (34), MLZ-Redakteur aus Ahaus, sitzen gemeinsam auf dem Trecker und fahren nach Bonn. Aktuell noch mit 19 anderen Schleppern in einer Kolonne. Der Rest, der am Morgen in Borken losgefahren ist, verteilt sich auf zwei andere Konvois.

Frank Kisfeld (40), Landwirt aus Vreden, und Stephan Teine (34), MLZ-Redakteur aus Ahaus, sitzen gemeinsam auf dem Trecker und fahren nach Bonn. Aktuell noch mit 19 anderen Schleppern in einer Kolonne. Der Rest, der am Morgen in Borken losgefahren ist, verteilt sich auf zwei andere Konvois. © Stephan Teine

„Es geht erst einmal darum, bei den Menschen in den Kopf zu bekommen, dass wir nicht der Fußabtreter der Nation sind und dass man uns nicht für alles verantwortlich machen kann“, sagt er. Düngeverordnung, Umweltdebatten, Schadstoffausstoß... Immer seien die Landwirte Schuld. Immer werde ihnen der Schwarze Peter zugeschoben. Damit müsse Schluss sein. Deswegen habe er Anfang Oktober die Idee zu der Protestfahrt im Kreis Borken mit angeschoben.

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9.10 Uhr: Auch ohne auf die Autobahn zu dürfen, legen die Landwirte mit ihrem Korso teilweise den Verkehr auf der Autobahn lahm. Allerdings nicht freiwillig: Just vor einer Autobahnbrücke übergibt die eine Dienststelle der Polizei die Begleitung des Zugs an ihre Kollegen. Das kann dauern. Derweil laufen die Autobahnab- und -auffahrten voll. Das Verkehrschaos nutzen die Landwirte, um Kartoffeln an die wartenden Autofahrer zu verteilen. Die wiederum nehmen es gelassen und wünschen sogar noch „Viel Spaß bei der Demo“.

Ein Netz Kartoffeln gibt es unterwegs für die wartenden Autofahrer. Dass die Polizei ihre Übergabe ausgerechnet an einer Autobahnausfahrt macht, hatte sich von den Landwirten auch niemand so vorgestellt.

Ein Netz Kartoffeln gibt es unterwegs für die wartenden Autofahrer. Dass die Polizei ihre Übergabe ausgerechnet an einer Autobahnausfahrt macht, hatte sich von den Landwirten auch niemand so vorgestellt. © Stephan Teine

8.40 Uhr: Wenn es erstmal läuft, vergeht die Zeit auch ziemlich zügig. Relativ ungestört spulen wir die Kilometer quer durchs Rheinland ab. 100 sind es noch bis zum Münsterplatz in Bonn. Ob das pünktlich zur Kundgebung klappt, ist natürlich eine andere Frage. Könnte etwas knapp werden. Die Stimmung bessert sich gegenüber dem frühen Morgen auch: Mittlerweile klappen die Kreuzungen auch problemlos. Im ständigen Staffelwechsel routieren die Fahrzeuge durch und sperren die Straßen ab. Der Berufsverkehr ist etwas abgeebbt. Negative Reaktionen gibt es übrigens kaum. Viele Autofahrer recken den Daumen hoch. LKW-Fahrer hupen freundlich oder winken.

7.50 Uhr: Es gibt Nachrichten von den anderen Teilgruppen, die heute Nacht in Borken gestartet sind: Rund 170 Traktoren sind gerade durch Duisburg gefahren. Noch einmal etwa 50 sind an Essen vorbei. Unsere Teilgruppe ist weiter auf der B58 - im Moment zwischen Kerken und Geldern - unterwegs. Mittlerweile etwas flotter mit fast 40 km/h. Langsam wird es hell. Nachrichten gibt es auch aus Ahaus: Von dort sind gerade rund 100 Traktoren nach Münster gestartet. Sie wollen sich dort am Korso beteiligen.

7.30 Uhr: In unserer Gruppe sind es nun wieder 20 Schlepper, die mehr oder weniger im geschlossenen Verbund auf der B58 unterwegs sind. Vor und hinter der Kolonne fahren weiter Polizeifahrzeuge. Die Kreuzungen, die wir passieren, sperren die Landwirte nun abwechselnd mit ihren Schleppern ab. Laut Google-Maps sind es aktuell noch rund 130 Kilometer über Landstraße bis nach Bonn. Im Moment sind wir mit knapp über 30 km/h unterwegs.

6.50 Uhr: Von dem einen großen Korso ist nicht mehr viel übrig. Die Rede ist von mindestens drei Gruppen. Eine Gruppe ist auf der B224 unterwegs, eine Gruppe fährt bei Dinslaken, die Gruppe, mit der wir unterwegs sind, besteht aktuell noch aus 13 Schleppern und hat gerade den Rhein bei Wesel überquert. Auf der Gegenfahrbahn staut sich der Verkehr gerade weit zurück: Landwirte aus Wesel haben die Fahrbehn Richtung Osten blockiert.

Auf der Rheinbrücke in Wesel geht in Richtung Osten kurz vor 7 Uhr nichts mehr. Landwirte sperren dort die Brücke ab.

Auf der Rheinbrücke in Wesel geht in Richtung Osten kurz vor 7 Uhr nichts mehr. Landwirte sperren dort die Brücke ab. © Stephan Teine

6.20 Uhr: Hinter einem Bulli der Polizei geht es auf der B58 langsam in Richtung Wesel. An Ampeln zeiht sich der Korso im Moment weit auseinander. Der normale Verkehr, langsam setzt der Berufsverkehr ein, fädelt sich zwischen den Schleppern durch. Die Polizei sperrt die Kreuzungen nicht mehr ab. Ein Teil der Landwirte soll von der B58 abgebogen und in Richtung Schermbeck gefahren sein. Wieviele Schlepper aktuell noch zum Korso gehören, ist von hier - im dritten Schlepper der Kolonne - nicht zu sehen.


5.50 Uhr
: Es geht weiter. Nachdem die Landwirte zwischenzeitlich die komplette Kreuzung mit Traktoren zugestellt hatten, wird der Korso nun in Richtung Wesel umgeleitet. Kurzzeitig drohte die Stimmung zu kippen. Einige Landwirte hatten versucht, sich mit Gewalt einen Weg durch die Kreuzung zu bahnen. Erst durch sehr deutliche Ansprache durch Polizisten ließen sie von dem Plan ab. Der Verkehr wurde in der vergangenen Stunde weiträumig umgeleitet.

Für eine gute dreiviertel Stunde ging auf der Kreuzung der B224 mit der B58 nichts. Traktoren hatten die Kreuzung blockiert. Jetzt wird der Korso in Richtung Wesel geführt.

Für eine gute dreiviertel Stunde ging auf der Kreuzung der B224 mit der B58 nichts. Traktoren hatten die Kreuzung blockiert. Jetzt wird der Korso in Richtung Wesel geführt. © Stephan Teine

Ein massives Polizeiaufgebot ist mittlerweile rund um den Korso zusammengezogen. Am Straßenrand stehen auch gepanzerte Polizeifahrzeuge. Auch Kräfte einer Hundertschaft sind vor Ort. Die Wut bei den Landwirten kocht hoch. Sie sprechen von „Zeitspiel“, von absichtlicher Verzögerung. Bei der Polizei ist die Sicht eindeutig: Auch wenn alle Landwirte „einzeln nach Bonn fahren wollen“ ist der Koros aus 178 Schleppern in den Augen der Beamten ganz eindeutig eine Versammlung. Und die muss klaren Regeln folgen.

5.20 Uhr: An der Kreuzung der B224 mit der B58 riegelt die Polizei die Straße ab. Wieder soll die ganze Kolonne anhalten. Ein Teil der Landwirte fährt geradeaus weiter. Noch zwei Polizeifahrzeuge riegeln dann die Kreuzung komplett ab. Einige Traktoren fahren weiter in Richtung eines Wirtschaftswegs, wollen so die Polizeisperre umfahren. Der Rest der Kolonne wird vor der Kreuzung aufgehalten. Auch auf dem Wirtschaftsweg ist aber nach wenigen Metern Schluss. Die Polizei ist am Telefon. Die Beamten wundern sich, dass plötzlich die vereinbarte Route verlassen wurde. Wildes Diskutieren auf dem Feldweg. Schließlich fahren die fünf ausgescherten Traktoren wieder zurück zum Hauptfeld. Mitten auf der Kreuzung ist dann wieder Schluss. Die komplette Kreuzung ist blockiert. Die Polizei versucht vor Ort, die Traktorkolonne wieder zusammenzuführen. Die komplette Kreuzung ist blockiert.

4.30 Uhr: Weit hat es die Gruppe von Landwirten noch nicht geschafft. Direkt am ersten Kreisverkehr hat die Polizei die 178 Schlepper und Lastwagen erst einmal gestoppt. Die Demonstration sei so nicht angemeldet gewesen. Der Zug könne auf keinen Fall in dieser Form bis nach Bonn fahren.

Streng genommen soll es sich nach Ansicht der Landwirte aber auch gar nicht um eine Demonstration handeln. „Das Organisationskommittee hat sich am Montagabend aufgelöst, als klar war, dass wir nicht über die Autobahnen fahren dürfen“, erklärt Frank Kisfeld, Landwirt aus Vreden, der die Ursprungsplanung angestoßen hatte.

Es dauert eine Weile, bis die Polizeibeamten darauf reagieren. Die ersten Landwirte sind da schon aus der langen Schlange ausgeschert und bahnen sich auf eigene Faust einen Weg an den Polizeifahrzeugen vorbei. Wenig später sehen die Beamten ein, dass sie gegen die Masse von Schleppern nichts tun können. Der Tross setzt sich wieder in Bewegung.

178 Landwirte versammeln sich mit ihren Schleppern

Es ist gerade 3.30 Uhr, als Frank Kisfeld seine Ansprache auf einem Hof kurz hinter Borken beendet. 400 Landwirte hören ihm zu, applaudieren, freuen sich auf die Tour: Bis nach Bonn wollen sie es an diesem Dienstagmorgen schaffen.

Eine schiere Masse von Traktoren hat sich in den letzten 30 Minuten rund um den Hof aufgestellt. Dazu kommen einige Lastwagen.

„Lasst das eine Geschichte werden, von der wir unseren Enkeln noch erzählen“, ruft Frank Kisfeld ihnen noch zu, bevor sie zu ihren Traktoren laufen.

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Begleitet von der Polizei soll es über Dorsten, Bottrop, Essen und dann die B224 weiter in Richtung Bonn gehen.

Keine zehn Minuten nach der Abfahrt wird der Tross erst einmal von der Polizei gestoppt. Was gerade auf dem Hof Kapell noch grünes Licht bekommen hat, wirft jetzt große Fragezeichen auf: Wie sollen die Traktoren nach Bonn fahren?

Keine zehn Minuten nach der Abfahrt wird der Tross erst einmal von der Polizei gestoppt. Was gerade auf dem Hof Kapell noch grünes Licht bekommen hat, wirft jetzt große Fragezeichen auf: Wie sollen die Traktoren nach Bonn fahren? © Stephan Teine

Keine zehn Minuten nach dem Start der erste Stopp am ersten Kreisverkehr. Die Polizei möchte noch einmal über die Strecke diskutieren.