Der am 16. Dezember 1894 geborene Ahauser Jude Josef Frankenhaus wohnte bis zu seiner Deportation im Jahre 1941 in Ahaus bei der Witwe König (Textilhaus Steingrube), wo seit 2006 ein Stolperstein liegt.
Josefs Mutter Berta war unverheiratet. Ihr unehelicher Sohn wuchs bei seiner Tante Netta Frankenhaus auf, die mit ihrem Mann Meyer Frankenhaus und ihren Kindern um 1875 von Neuenhaus (bei Bentheim) nach Ahaus gezogen war.
Als Nettas Mann 1883 und auch mehrere ihrer Kinder früh starben, nahm sie, die in ärmlichen Verhältnissen lebte, ab Mitte der 1890er Jahre ihren Neffen Josef als Pflegekind zu sich und kümmerte sich über 30 Jahre lang um den geistig behinderten Jungen. Anders als sein 16 Jahre älterer Cousin Karl, der 1917 als Soldat „für Kaiser, Volk und Vaterland“ sein Leben ließ, musste der 20-jährige Josef Frankenhaus nicht in den 1. Weltkrieg ziehen. Netta Frankenhaus und ihr Neffe Josef wohnten in der Kirchstraße 3 in einem schmalen Haus in der Nähe der Marienkirche.
Jüdische Familien kümmern sich
Josefs Tante Netta starb mit fast 85 Jahren am 7. Dezember 1930 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Ahaus bestattet. Nach dem Tod von Nettas Tochter Emma neun Monate später stand Josef Frankenhaus völlig allein da, wurde zunächst offenbar von Ahauser jüdischen Familien versorgt, zog dann aber im Februar 1932 ein paar Häuser weiter zur Witwe König.
Zum eigenen Lebensunterhalt trug Josef Frankenhaus bei, indem er Botendienste für den Gemüsehändler van de Maat ausführte und die Koffer der Gäste des Hotels Orthaus vom Bahnhof in die Innenstadt trug. Der von Zeitzeugen als „schmächtig und gutmütig“ geschilderte Josef, der immer einen Kittel und eine Schiffermütze trug, wurde oft von Kindern und Jugendlichen gehänselt und mit Steinen beworfen.
Eingewiesen, deportiert und ermordet
Unter dem NS-Regime begann für Josef Frankenhaus eine schwere Zeit: Er wurde nach dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ zwangssterilisiert, musste sein Zuhause bei der Witwe König im Juli 1941 verlassen und wurde für vier Monate in das Ghettohaus Hochstraße 3 zwangseingewiesen, bevor er Ende November 1941 in das sogenannte „Dauerheim für jüdische Schwachsinnige“ in Berlin-Weißensee kam, von wo der mittlerweile 47-Jährige zusammen mit 82 anderen Heiminsassen am 2. April 1942 ins Lager Trawniki (bei Lublin in Polen) deportiert und dort wohl auch ermordet wurde.
Bis heute ist leider kein Foto von Josef Frankenhaus aufgetaucht. Josefs 13 Jahre ältere Cousine Johanna Frankenhaus, die mit schwerer geistiger Behinderung in die „Heil- und Pflegeanstalt Süchteln-Johannistal“ bei Viersen eingewiesen worden war, wurde am 12. Februar 1941 in die „Euthanasie“-Tötungsanstalt Hadamar (bei Limburg) gebracht, wo sie höchstwahrscheinlich mit Hilfe von direkt ins Herz injizierten Luminalspritzen getötet wurde.
AN SCHICKSALE DER VERSCHLEPPTEN AHAUSER ERINNERN
In Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv und auf Initiative des VHS-Arbeitskreises Ahauser Geschichte 1933-1945 veröffentlichen wir in loser Folge die Geschichten und Schicksale der Ahauser, die während des Holocausts aus Ahaus verschleppt wurden.
Damit wollen wir einen kleinen Teil dazu beitragen, das Andenken an diese Menschen wachzuhalten.
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