„Das NS-Regime zeigte sein wahres Gesicht“ Erinnerung an die Pogromnacht vor 84 Jahren

Das wahre Gesicht des NS-Regimes: Erinnerung an die Pogromnacht
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84 Jahre ist es her, dass auch in Ahaus die jüdische Synagoge gebrannt hat: Am Abend des 9. November 1938 zogen Nationalsozialisten durch die Straßen, die Verfolgung der Juden trat auch in Ahaus in ihre schlimmste Phase ein.

„Auch wenn für die Öffentlichkeit die Folgen des Holocaust‘ an diesem Abend vielleicht noch nicht absehbar waren, war es doch der Vorbote für die Vernichtung der Juden. Das NS-Regime hat an diesem Abend sein wahres Gesicht gezeigt“, machte Bürgermeisterin Karola Voß am Mittwochabend deutlich.

Zusammen mit Schülerinnen und Schülern der Anne-Frank-Realschule, dem Orchester der Schule, dem VHS-Arbeitskreis Ahauser Geschichte 1933 bis 1945, Stadtarchivar Max Pfeiffer und etwa 80 Teilnehmern erinnerte sie an die Opfer der Gräueltaten. Diese Erinnerung sei aktuell wichtiger denn je, da es immer weniger Zeitzeugen gebe.

„Man kennt die Geschichten und kann sie doch kaum glauben“, sagte Karola Voß. Umso mehr müsse man heute darauf achten, gegen Diskriminierung einzustehen. Es mache sie als Bürgermeisterin stolz, dass es in Ahaus viele Gruppen gebe, die gegen Diskriminierung und Vergessen arbeiten würden. Auch die Schulen, die sich gegen Rassismus einsetzten, spielten dabei eine große Rolle.

Beeindruckender Zeitzeugenbericht

Besonders eindrücklich wurden die Geschehnisse durch die Aufzeichnungen von Erich Gottschalk. Der Jude aus Ahaus hatte 1938 mit 23 Jahren die Pogrome als Augenzeuge miterlebt. In seinem Bericht, den die Mitglieder des VHS-Arbeitskreises abwechselnd vortrugen, schildert er, wie Mitglieder der SA in das Wohnhaus sein Eltern eindrangen, ihn verprügelten und fast totschlugen.

Über die Niederlande konnte er schließlich nach Palästina fliehen. Erst 1960 kehrte er nach Ahaus zurück. Als einer der ganz wenigen, die den Holocaust überlebt hatten. Er starb 1989 im Alter von 74 Jahren in Israel. Bis zu seinem Tod litt er an den Folgen der Verletzungen aus der Pogromnacht. Dennoch habe er immer gesagt, dass es ihm vergleichsweise gut ergangen sei.

Die Kerzen am ehemaligen Standort der Ahauser Synagoge brannten noch weiter, als die eigentliche Gedenkveranstaltung schon beendet war. Gut 80 Personen erinnerten mitten in der Fußgängerzone an die Opfer der Pogromnacht 1938.
Die Kerzen am ehemaligen Standort der Ahauser Synagoge brannten noch weiter, als die eigentliche Gedenkveranstaltung schon beendet war. Gut 80 Personen erinnerten mitten in der Fußgängerzone an die Opfer der Pogromnacht 1938. © Stephan Rape

Am Mittwoch wurden in Ahaus in der Innenstadt auch weitere Zitate von jüdischen Menschen aus Ahaus ausgelegt. Nach gut einer halben Stunde Erinnerung zerstreute sich die Menge wieder. Die aufgestellten Kerzen erinnerten an diesem Abend noch länger an den ehemaligen Standort der Ahauser Synagoge.

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