Zwei junge Fahranfänger aus Ahaus, eine Kolonne mehrerer Autos mit AH-Kennzeichen und am Ende landen zwei hochmotorisierte Pkw - ein Porsche Panamera und ein BMW M4 - auf einer laut Polizei als „Rennstrecke“ bekannten Landstraße im Acker: Ermittler und Staatsanwaltschaft witterten ein illegales Autorennen. Ein Fall, der die Justiz an Grenzen brachte.
Was sich wirklich zugetragen hat, wissen wohl nur die beiden jungen Fahranfänger aus Ahaus (24/23). Doch genau darüber schweigen sie sich aus. Aber man sieht den jungen Männern die Erleichterung an, als die fünfte Strafkammer des Landgerichts Münster die Berufung der Staatsanwaltschaft zurückweist. Sie ballen die Fäuste und pusten sichtbar kräftig durch.
„Komplizierter Fall“
Juristisch ist damit vom Tisch, dass sie sich womöglich mit 10 bis 15 weiteren Fahrern aus Ahaus ein illegales Autorennen geliefert haben. Was nach dem Berufungsverfahren bleibt, sind dennoch offene Fragen. Auch der Vorsitzende Richter sprach von einem „komplizierten Fall“ für die Justiz.
Doch warum? Was genau ist überhaupt geschehen? Und warum wurde die Berufung der Staatsanwaltschaft letztlich zurückgewiesen? Auf all diese Fragen lieferte die Verhandlung Antworten.
Zehn oder mehr Autos – so ganz klar ist das bis heute nicht – haben sich in den Mittagsstunden des 23. Oktobers 2022 an einer Tankstelle in Ahaus getroffen. Auch der Grund des Treffens ist bis heute nicht eindeutig geklärt.
Wie dem auch sei: Die Tour führte die Fahrer auch über die L559 zwischen Nordwalde und Steinfurt. In einer scharfen Linkskurve, in der 100 km/h erlaubt sind, verloren die beiden Ahauser die Kontrolle über ihre hochmotorisierten Fahrzeuge. Einen Porsche Panamera und einen BMW M4.
Hoher Sachschaden
Beide Männer kamen rechts von der Fahrbahn ab. Nach Angaben der Polizei überflog der Porsche dabei den Graben neben der Straße und rutschte rund 80 Meter weit in den angrenzenden Acker rein. Der BMW krachte in den Graben, wurde hochgeschleudert und soll sich dabei mindestens einmal überschlagen haben, um dann auf den Rädern im Acker zu landen.
Wie durch ein Wunder wurde keiner der Fahrer, auch nicht der Beifahrer im BMW, bei dem Unfall verletzt. Der Sachschaden wurde von der Polizei auf 65.000 Euro geschätzt. Die Gesamtumstände waren es, die die Polizei veranlassten, das Ganze an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten.
Führerscheine abgenommen
Junge Fahranfänger, eine als „Rennstrecke“ bekannte Route, hochmotorisierte Fahrzeuge und eine Kolonne von Autos mit AH-Kennzeichen – gemeldet durch diverse Zeugen – gaben dazu den Ausschlag, wie einer der Polizeibeamten vor Gericht schilderte. Stichwort illegales Autorennen.
Diese sind schließlich eine Straftat, die mit Geld- oder Freiheitsstrafe sanktioniert werden kann. Die Unfallfahrzeuge wurden beschlagnahmt und den beiden Ahausern die Führerscheine abgenommen. Erst nach der Verhandlung in erster Instanz vor dem Amtsgericht Steinfurt gab es diese zurück.
Denn das Gericht konnte – so die Urteilsbegründung – nicht mit voller Überzeugung feststellen, dass ein illegales Autorennen stattgefunden hatte und dieses somit auch Auslöser des Unfalles war. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Münster Berufung ein. Letztlich ohne Erfolg.
Zwar berichteten Zeugen, ihnen seien am besagten Tag – kurz vor und nach dem Unfall gegen 13.10 Uhr – auf der L559 die Kolonne Autos mit AH-Kennzeichen aufgefallen, doch das ist kein Beweis für ein gefahrenes Rennen. Eine Kolonnenfahrt ist schließlich nicht strafbar.
Wenig hilfreich war so auch die vorgenommene Funkzellenmast-Auswertung der Polizei. Diese belegt zwar, dass diverse Ahauser zu besagter Zeit kurzfristig in der Zelle vor Ort mit ihren Handys eingeloggt waren, mehr aber auch nicht. Und bis heute liegen keine Befunde darüber vor, wie schnell die Fahrer – samt der beiden Ahauser – tatsächlich unterwegs waren.
Ahauser schweigen
Zwar berichtete eine Zeugin, sie habe einem Teil der Kolonne kurz nach dem Unfall ausweichen müssen, da diese sie auf der engen Fahrbahn ohne Markierung geschnitten hätten, aber auch das ist kein Beweis eines Rennens. Höchstens ein Indiz. So wertete es schlussendlich auch die Strafkammer.
Zur Aufklärung hätten die beiden Ahauser natürlich beitragen können, doch die Männer schwiegen sich vor dem Landgericht – so wie schon vor dem Amtsgericht – auf Anraten ihrer Anwälte aus. Sie sagten während der gesamten Verhandlung praktisch kein Wort. Wirkten aber phasenweise aufgrund ihrer Haltung und Gestik sichtlich angespannt.
Die Staatsanwaltschaft forderte für den 24-jährigen Ahauser eine Geldstrafe über 2000 Euro und für den jüngeren der Männer 3200 Euro, da dieser verkehrsrechtlich schon mehrfach negativ aufgefallen ist. Weitere Forderung: für beide Männer ein Fahrverbot über sechs Monate.
Die Verteidiger der Ahauser plädierten naturgemäß darauf, die Berufung der Staatsanwaltschaft zu verwerfen. Ihre Mandanten seien als nicht ortskundige Fahrer zwar mit zu viel Tempo in die Kurve eingefahren und hätten dabei auch den Heckantrieb ihrer Fahrzeuge unterschätzt. Aber: Beweise für ein illegales Rennen lägen einfach nicht vor.
Dem folgte die Strafkammer. Wenn auch nicht mit voller Überzeugung, wie der Richter betonte. Es gebe „einige Indizien“, die für ein Rennen sprechen würden – also einen Wettbewerb mit möglichst hoher Geschwindigkeit und in diesem Fall mit Absprache – aber eben keine (eindeutigen) Beweise.
Es griff der Spruch: Im Zweifel für den/die Angeklagten. Nicht aber ohne eine eindringliche Ermahnung des Richters: „Ich rate Ihnen dringend, Ihre Fahrweise zu ändern. Sonst werden Sie wieder vor Gericht stehen.“
Ahauserin (43) kassiert für nie angekommenes Handy ab: Freiheitsstrafe nach Kleinanzeigen-Betrug
Provisorien sind längst Dauerlösung: Langfristige Unterkünfte müssen her
Stadt plant mindestens drei Flüchtlingsunterkünfte: Trotzdem bleibt Sporthalle Notunterkunft