Die lange Kette von Blaulichtern in Ammeln will gar nicht abreißen. Trotz der grell leuchtenden Straßenlaternen vor dem Zwischenlager tauchen sie die Nacht auf Mittwoch in grell zuckend, blaues Licht.
Auch wenn es nur der Testtransport eines Castorbehälters ist, hat die Polizei alle Register gezogen. Über 30 Fahrzeuge gehören zu dem Konvoi, der kurz nach 2 Uhr aus Jülich in Ahaus eintrifft. Weitere Fahrzeuge der Polizei sind am Straßenrand oder in Wirtschaftswegen abgestellt.
Die Kolonne mit dem leeren Castorbehälter nähert sich vom Schumacherring langsam ihrem Ziel. Polizeimotoräder, Polizeigeländewagen, Polizei-Lastwagen, ein Rettungswagen der Polizei, ein Hubwagen, mehrere Schwertransport-Begleitfahrzeuge schließlich sogar ein Anhänger mit fast einem Dutzend Baustellentoiletten.
Man will auf jedes erdenkliche Einsatzszenario vorbereitet sein: Etwa die Blockade durch Aktivisten. Dann würde aus einem mobilen Einsatz plötzlich eine stationäre Lage. Und dann bräuchten mehrere hundert Polzisten eben auch sanitäre Einrichtungen, erklärt ein Sprecher vor Ort. Ein wahnsinniger Aufwand.
Zügig biegt der erste Teil der Polizeifahrzeuge in Richtung Zwischenlager ab. Andere fahren weiter ein Stück Richtung Schöppingen, drehen und stellen sich am Fahrbahnrand auf. An Position 20 des Konvois nähert sich schließlich der rund 130 Tonnen schwere Spezialtransporter der Abbiegespur.
Er drosselt weiter und biegt ab. Vier Achsen Zugmaschine, neun Achsen Ladebrücke. Darauf mit schweren Ketten verzurrt steht ein fast schon unscheinbarer grauer Kasten, so groß wie ein Überseecontainer. Das ist aber nur die äußere Schutzhülle. Darin liegt der eigentliche Castorbehälter. In dieser Nacht ist er leer.
Vier Stunden für 170 Kilometer
Reifen knarzen, mahlen auf dem Asphalt. Der Fahrer verdeckt sein Gesicht mit der ausgestreckten Hand vor etlichen Fernsehkameras und Scheinwerfern, die die Ankunft des Transports verfolgen.
Etwas mehr als vier Stunden hat er in dieser Nacht für die 170 Kilometer zwischen Jülich und Ahaus gebraucht. Ohne besondere Vorkommnisse. Kaum ist der Schwertransport zum Zwischenlager abgebogen, geht der Einsatz für die Polizei zu Ende.
Ob das bei kommenden Transporten so bleibt, ist eine andere Frage. „Wir haben heute nur beobachtet“, sagt Felix Ruwe. Der Sprecher der Bürgerinitiative „Kein Atommüll in Ahaus“ beobachtet die Ankunft des Transports von der gegenüberliegenden Straßenseite. Auch dort viel Polizei, einige Kamerateams und drei Vertreter der Anti-Atomkraft-Bewegung.

Für sie geht es in dieser Nacht darum Informationen zu sammeln. „Unglaublich, was die hier für einen Zirkus veranstalten“, sagt Felix Ruwe mit Blick auf die lange Schlange von Polizeiautos. „Für einen leeren Transport“, fügt er schnaubend hinzu. Später erklärt er noch, dass dieser Transport nur dafür gedient habe, eine sichere Atommüllentsorgung vorzutäuschen.
Atommüll sei kein Polizeiproblem, die Entsorgung müsse langfristig und verantwortungsvoll gelöst werden. Für ihn die einzige Option: die weitere Lagerung in Jülich und der Bau eines neuen Zwischenlagers dort. Atommülltransporte würden die Probleme nur verschärfen. Das zeige sich jetzt schon.

Von Problemen redet Jan Schabacker, Pressesprecher der Polizei in Münster, nicht. In seiner Behörde laufen auch für mögliche Transporte in der Zukunft alle Fäden zusammen. Für die komplette Strecke. „Natürlich war das ein großes Aufgebot“, sagt er ohne genauer auf die Zahl der Beamten oder eingesetzten Verbände einzugehen. Schon aus einsatztaktischen Gründen werde er dazu auch zukünftig keine Angaben machen. Nur so viel: Es gebe keine Blaupause für einen entsprechenden Einsatz.
Das hänge immer mit der konkreten Lagebeurteilung zusammen. Natürlich gehe von einem Transport über die Autobahn eine Gefahr aus. Besonders falls der durch Aktivisten zum Stehen gebracht werde. Darauf müsse die Polizei vorbereitet sein. Ob jeder der möglichen 152 Castortransporte so geschützt werde, sei eine andere Frage.

Jörg Kriewel, Pressesprecher der Jülicher Entsorgungsgesellschaft für Nuklearanlagen (JEN), verbucht den Transport als Erfolg. Dabei hat er vor allem die Verladung des Castorbehälters in Jülich im Blick. Zum Vergleich: Der Transport selbst dauerte knapp vier Stunden. „Wir haben für die Verladung aber eineinhalb Tage gearbeitet“, sagt er. Insgesamt sei es aber ein reibungsloser Ablauf gewesen. „Wir warten jetzt mal ab, was in zwei Wochen passiert“, fügt er dann noch hinzu.
Vom 21. auf den 22. November ist der nächste Test-Transport geplant. Wieder mit einem leeren Castor-Behälter, wieder mit dem kompletten Polizeiapparat. Dann allerdings zusätzlich unter Aufsicht des Ministeriums: Die sogenannte „Kalthandhabung“ ist eine Bedingung für eine Transportgenehmigung. Auch er zeigt sich im Gespräch mit unserer Redaktion allerdings vom Ausmaß des Polizeieinsatzes überrascht. „Die Polizei war natürlich sehr vorsichtig“, sagt er.
Massiver Widerstand angekündigt
Felix Ruwe kündigt genau für diese Fahrt mehr Widerstand an. Beispielsweise sollen dann wieder Landwirte mit Traktoren auf der Straße unterwegs sein. „Wir sind gut vernetzt und ich glaube, der Widerstand wächst“, sagt er. Dann macht auch er sich wieder auf den Weg nach Hause.
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