
© Stephan Rape
Großes Unverständnis: Tattoos gibt es vorerst nur noch in Schwarz-Weiß
EU-Verordnung
Weil eine EU-Verordnung geändert wurde, sind die meisten herkömmlichen Tätowierfarben verboten. Thomas Tanriverdi von JT-Ink aus Ahaus kann das nicht verstehen. Eine Lösung gibt es noch nicht.
Das Farbregal von Thomas Tanriverdi, Inhaber des Tattoo-Studios „JT-Ink“ an der Fuistingstraße ist in diesen Tagen fast leer. Nur ein paar Fläschchen mit schwarzer und weißer Farbe stehen dort noch. Dabei werden einfarbige Tätowierungen immer seltener. Farbe liegt im Trend.
Doch seit dem 4. Januar gilt eine neue EU-Richtlinie. Fast alle bisherigen Farben sind seither verboten. Sie entsprechen nicht dem neuen Standard. Zum Jahreswechsel 2022/2023 sollen zwei weitere Farben verboten werden.
Der Grund: Sie enthalten bestimmte Konservierungs- und Bindemitteln, die nach der angepassten Chemikalienverordnung „Reach“ nicht mehr genehmigt sind. Weil sie im Verdacht stehen, allergische Reaktionen auszulösen.
Ahauser Tätowierer findet EU-Verordnung unnötig
Für Thomas Tanriverdi ist die neue Verordnung Quatsch: Die Farben gebe es seit Jahrzehnten. Nie habe es besondere Auffälligkeiten mit Allergien oder ausgelösten Erkrankungen im Zusammenhang mit Tätowierungen gegeben.

Thomas Tanriverdi (43) betreibt seit drei Jahren das Studio „JT-Ink“ an der Fuistingstraße, davor war er in Stadtlohn tätig. Tätowierer ist er seit über 15 Jahren. © Stephan Rape
Auch wenn das Verfahren für die neue Verordnung natürlich lange gedauert hat, hält er es für eine urplötzliche Entscheidung: Erst Mitte vergangenen Jahres waren die Vorbereitungen für die neue Richtlinie in die breite Öffentlichkeit gelangt.
Auch der Bundesverband Tattoo und die DOT (Deutsche Organisierte Tätowierer) waren gegen die EU-Richtlinie Sturm gelaufen. Sie starteten Petitionen, sammelten über 150.000 Unterschriften gegen das Verbot.
Selbst das Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin sieht laut einem Bericht der Tagesschau das Verbot der Pigmente kritisch: Es hatte angeregt, erst die Datenlage zu verbessern und sah bis dahin keinen Grund, die Farben zu verbieten.
Alte Farben müssen entsorgt werden
Umsonst: „Was es gebracht hat, sieht man ja“, sagt Thomas Tanriverdi und schnaubt. Er hält eine Plastiktüte mit Farbfläschchen hoch, die er jetzt entsorgen muss. „500 bis 1000 Euro Wert“, schätzt er.

Farbe kommt Thomas Tanriverdi vorerst nicht mehr in die Tätowiermaschine. Er hofft darauf, dass die neuen EU-konformen Farben schnell produziert und geliefert werden. Ein Datum kann er dafür aber noch nicht nennen. © Stephan Rape
Kein wirtschaftlicher Beinbruch, aber doch extrem ärgerlich: „Wer wirft schon gerne Geld weg“, sagt er. Rund 30 bis 40 Prozent seiner Kunden hätten sich bisher farbige Tattoos stechen lassen. Die würden nun natürlich erst einmal wegbleiben. Genug zu tun habe er dennoch.
Und ändern könne er ja doch nichts daran. Gegen die Richtlinie verstoßen kommt für ihn auch auf keinen Fall nicht infrage.
Auch nicht inoffiziell oder als Freundschaftsdienst. „Das würde sich in Windeseile herumsprechen und man würde mir den Laden zumachen“, sagt er. Und das wolle er natürlich nicht riskieren.
Thomas Tanriverdi hofft auf schnelle Lieferung konformer Farben
Er will auch noch nicht zu pessimistisch in die Zukunft schauen, sondern geht fest davon aus, dass neue Farben zügig auf den Markt kommen werden. „Natürlich weiß man noch nicht genau wann“, sagt er. Aber die Farben seien auf jeden Fall in Produktion. So lange werde er eben in Schwarz-Weiß und Grautönen weiter tätowieren.
Er geht davon aus, dass das vorläufig noch kein ernstes Problem gibt: Seine Kunden aus Ahaus und einem etwa 100 Kilometer großen Umkreis seien insgesamt etwas „ruhiger“ als beispielsweise Kunden von Tattoostudios im Ruhrgebiet.
Ausgefallene Körperstellen etwa der Kehlkopf würden im Münsterland kaum gefragt. Auch große Motive seien hier eher selten. „Vieles bewegt sich im Rahmen von kleinen Symbolen, Unendlichkeits-Schleifen, Namen oder Blumen“, sagt Thomas Tanriverdi.
Rene Brandt, genannt Bottel, betreibt seit 2001 sein Tattoo-Studio an der Lüderitzstraße. Zum Problem der Farben angesprochen, möchte er unserer Redaktion allerdings nicht antworten. Dafür sei er der falsche Ansprechpartner, erklärt er am Telefon lediglich.
Ursprünglich Münsteraner aber seit 2014 Wahl-Ahauser und hier zuhause. Ist gerne auch mal ungewöhnlich unterwegs und liebt den Blick hinter Kulissen oder normalerweise verschlossene Türen. Scheut keinen Konflikt, lässt sich aber mit guten Argumenten auch von einer anderen Meinung überzeugen.
