Nach Flucht aus Amtsgericht Unter Tränen – Käsedieb aus Ahaus bekommt lange Strafe

Nach Flucht aus Amtsgericht: Käsedieb bekommt lange Strafe
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Benedikt Vieth, Direktor des Ahauser Amtsgerichtes, war Anfang November 2022 perplex. „Ich bin seit zwölf Jahren Direktor des Amtsgerichts. So etwas hat es noch nicht gegeben“, sagte er gegenüber dieser Redaktion. Zuvor hatte sich eine spektakuläre Flucht ereignet, die gut als Material für einen Actionfilm taugen würde: Ein 29-jähriger Ahauser war während einer Toilettenpause aus dem ersten Stock des Gerichtsgebäudes gesprungen, um seiner Verhandlung zu entkommen. Am Freitag musste sich der Ahauser wieder für seine Taten verantworten.

Und zwar für vier Fälle, von denen sich einige innerhalb weniger Stunden ereignet hatten. Zunächst soll der Angeklagte Mitte Juni 2022 seine Tante besucht und ihr ein Tablet gestohlen haben. Nur wenige Stunden später habe ihn eine Polizeistreife aufgegriffen, die die bestohlene Tante gerufen hatte. Das Tablet nahmen die Beamten dem Angeklagten wieder ab.

Angeklagter lügt Polizei an

Er gab gegenüber der Polizei an, sich das Tablet von der Tante vor zwei Tagen geliehen zu haben. Am Freitag erzählte er hingegen eine andere Version: Nämlich, dass er sich das Tablet kurz zuvor bei dem Besuch ausgeliehen habe. Kurzum: Er wisse nicht, warum ihn seine Tante angezeigt habe.

Bei seinem Sprung aus dem ersten Stock des Ahauser Amtsgerichtes hatte sich der Angeklagte schwer verletzt.
Bei seinem Sprung aus dem ersten Stock des Ahauser Amtsgerichtes hatte sich der Angeklagte schwer verletzt. © Stephan Rape (A)

Richter und Schöffen nahmen dem Angeklagten dies jedoch nicht ab. Stattdessen stellte der Richter Fragen: „Warum soll die Tante Sie grundlos angezeigt haben? Warum haben Sie nach der Anzeige keinen Kontakt zu ihr aufgenommen, um zu fragen, wie die eventuell unbegründete Anzeige zustande gekommen ist? Und warum habe Sie die Polizei angelogen?“

Der Ahauser hatte jedoch nicht nur das Tablet bei sich, wie Fotos der Polizei belegen. Des Weiteren hatte er auf einem Rollbrett acht Großpakete Käse vor sich her geschoben haben. Jedes einzelne war schätzungsweise 15 Kilogramm schwer. Mehr als 800 Euro soll der Käse wert gewesen sein, meint der Mann der Inhaberin der betroffenen Pizzeria Istanbul.

Aus deren Kühlhaus im Keller soll der Angeklagte außerdem noch weitere Lebensmittel gestohlen haben. Dass er in die Kellerräume eingebrochen sei, bestritt der 29-Jährige allerdings vehement. „Die Türen standen offen“, sagte er.

Ahauser verkauft Käsemengen weiter

Für etwa 50 Euro soll er die unhandlichen Käsemengen in einem türkischen Café in Ahaus verkauft haben. Womöglich, um seinen Drogen- und Alkoholkonsum zu finanzieren. Denn bereits in der vergangenen Verhandlung Mitte November 2022 hatte der Vater eines kleinen Mädchens gestanden: „Ich bin einfach ein Junkie.“

Um Geld schien es auch bei einem weiteren Vergehen gegangen zu sein. Ereignet hatte sich dieser Vorfall nur wenige Stunden nach dem Käsediebstahl. Gemeinsam mit einem Bekannten habe der Angeklagte aus dem Kaufhaus Berken eine Spielzeugpistole gestohlen – eine sogenannte Nerf-Gun.

Mitarbeiterinnen hätten beobachtet, wie die zwei Männer angeheitert – also unter Alkoholeinfluss – mit einem Paket unter dem Arm in Richtung der Damenumkleiden unterwegs gewesen seien. Darauf angesprochen, dass das nicht gehe und sie den Laden verlassen sollen, hätten sich der Angeklagte und sein Bekannter aus dem Staub gemacht. Ohne die Spielzeugpistole zu bezahlen. Der Ahauser gab an, die Nerf-Gun für ungefähr 50 Euro weiterverkauft zu haben. Vollumfänglich gestand der Ahauser diese Tat.

Zeuge entlastet Angeklagten

Gegenstände von wesentlich höherem Wert waren in einem vierten Fall im Spiel, an dem der Angeklagte im August 2022 beteiligt gewesen sein soll. Ein Schrotthändler belastete den 29-Jährigen damit, ihm mehrere Kupfertöpfe aus einem fremden Keller zum Verkauf gegeben zu haben. Auch das stritt der Angeklagte ab. Er sei nur gebeten worden, beim Tragen zu helfen.

Als Entlohnung habe den „entfernten Bekannten“, wie er den Schrotthändler bezeichnete, nur um fünf Euro für Zigaretten gebeten. Diese Geschichte wiederum nahmen ihm Richter und Schöffen ab. Wohl auch, weil der Eigentümer des Kellers – der als Zeuge geladen war – den Inhaber des Schrotthandels als Initiator und Hauptverdächtigen identifiziert hatte.

Eine mehrjährige Haftstrafe hatte der Angeklagte in der Vergangenheit bereits hinter sich. Nun muss er noch einmal ein Jahr und einen Monat in Haft. Wegen Diebstahls in drei Fällen hatte ihn das Gericht verurteilt. Von einer Bewährungsstrafe sah der Richter ab. „Wo soll die herkommen?“, fragte er. Eine zurückliegende Bewährungsstrafe hatte der Angeklagte leichtfertig vertan, indem er keine der Auflagen erfüllt hatte und auch keine Termine mit dem Bewährungshelfer wahrgenommen hat.

Hinweise auf Schuldunfähigkeit sah der Gutachter nicht, obwohl er dem Angeklagten eine Abhängigkeit von Drogen und Alkohol zugeschrieben hatte. Das Tragische: Der Angeklagte wird nun erneut von seiner Familie und damit auch von seiner kleinen Tochter getrennt sein. Immer wieder war er deswegen in Tränen ausgebrochen.

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