Ex-Vizekanzler in Ahaus Sigmar Gabriel fürchtet, die Stimmung auf der Pushcon zu verderben

Sigmar Gabriel fürchtet, die Stimmung auf der Pushcon zu verderben
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Er habe Bedenken, die gute Laune zu verderben, aber in der Welt gebe es eben im Moment auch nicht viel zu lachen. Tatsächlich dämpfte Sigmar Gabriel die fröhliche Stimmung bei der Pushcon auf dem Tobit.Campus am Freitagmittag erst einmal ordentlich.

Als eigener Aussage nach rundum analoger Typ wisse er gar nicht, ob er auf der Pushcon richtig sei, aber schließlich drehe sich auf der Welt gerade alles um einen Krieg, und analoger gehe es ja kaum. „Da versucht jemand, mit Ideen aus dem 19. und Mitteln aus dem 20. Jahrhundert im 21. Jahrhundert seinen Nachbarn zu erobern“, sagte er vor den fast komplett gefüllten Sitzreihen im Atrium.

Doch was kann Europa dagegen tun? Schließlich hatte er seinen knapp einstündigen Vortrag unter den Titel „Europa in einer unbequemen Welt“ gestellt. Problem: Nicht nur der russische Angriffskrieg stelle die gewohnte Weltordnung gerade auf den Kopf.

„Die Achsen verschieben sich. Das ist ganz normal“, machte der ehemalige Außenminister, Vizekanzler, Umwelt- und Energieminister, SPD-Politiker und Vorsitzende der Atlantikbrücke deutlich. Aktuell gewinne der indo-pazifische Raum immer mehr Einfluss. „Der Teil der Welt wächst, unserer schrumpft“, erklärte er. „Und wir Deutschen wissen noch nicht, wie wir damit umgehen sollen.“

Spielregeln für heute

Dass ein Land wie China plötzlich zwischen verfeindeten Staaten wie Saudi-Arabien und dem Iran vermittele, sei einfach ungewohnt. Die bevölkerungsreichsten Länder wie China und Indien oder Nigeria seien an der bisherigen Weltordnung nicht beteiligt gewesen. „Die bisherigen Spielregeln der Welt beruhen noch auf der Zeit nach 1945“, sagte er.

Zwar gebe es auch noch keine gemeinsame Idee von einer neuen globalen Ordnung, aber Staaten oder Gruppen würden daran arbeiten, die bisherige Vorherrschaft des Westens zu beenden. Europa müsse sich auf eine neue Weltordnung einstellen. Auch Deutschland müsse mehr auf die Welt schauen, weniger auf sich selbst. „Und zwar auf die Welt wie sie heute ist“, machte er deutlich.

Volles Haus im Atrium: Sigmar Gabriel bei seiner Session auf dem Tobit.Campus bei der 18. Pushcon
Volles Haus im Atrium: Sigmar Gabriel bei seiner Session auf dem Tobit.Campus bei der 18. Pushcon © Stephan Rape

Nur wenn Europa ökonomisch stark bleibe, werde es in der Welt weiter eine Rolle spielen. Gleichzeitig seien Europa und Deutschland noch viel mehr, aber unfassbar langsam geworden: „Um eine kaputte Brücke bei Leverkusen zu ersetzen, brauchen wir zehn Jahre.“ Zwischen Antrag und Bau einer Windkraftanlage vergingen sechs Jahre.

Trotzdem bleibe er zuversichtlich: Europa habe es in nicht einmal einer Generation von Auschwitz nach Straßburg und Brüssel geschafft. Nicht einmal ein Menschenleben hätten zwischen Völkermord, Hass und Krieg sowie Partnerschaft und Freundschaft gelegen.

Volles Programm an drei Tagen

Natürlich werde es nicht einfach. Und natürlich werde es nicht mehr so leicht wie in den vergangenen Jahrzehnten. Dennoch hätten Eltern und Großeltern Europa unter viel schwierigeren Bedingungen geschaffen. Es werde schwieriger, in der Welt zu navigieren, aber es bleibe möglich. Aber schließlich habe sich auch Putin getäuscht und nicht mit der Einigkeit der Europäischen Union gerechnet.

Tosender Applaus. Sigmar Gabriel war einer der ganz großen Namen, die für die 18. Pushcon nach Ahaus gekommen sind. Am Donnerstagabend hatte beispielsweise der Tagesthemen-Moderator Ingo Zamperoni das Publikum vor ausverkauftem Haus aufgerufen, auch trotz düsterer Nachrichten zuversichtlich zu bleiben.

Weitere Redner waren neben Tobit.Software-Gründer und -CEO Tobias Groten und Tina Müller aber auch zahlreiche lokale Akteure: Die aktuellen Betreiber des Karpaten-Festivals Bernd Ellerkamp und Frederik Niemeier, Unternehmer Ralf Sparwel aus Südlohn oder Jonas Schlattmann und Alfred Lübbering von Greving Landmaschinen. Insgesamt standen an drei Tagen pushcon über 60 Speaker in 55 Sessions und Talkrunden auf drei Bühnen.

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