
Landwirt Martin Kortbuß (l.) und sein niederländischer Kollege Benno Wijlens (r.) fürchten um die Zukunft der Landwirtschaft. © Anna-Lena Haget
Deutsche Landwirte solidarisieren sich mit niederländischen Kollegen
Bauernproteste
Die niederländische Regierung will den Stickstoffausstoß drastisch reduzieren. Die Folge könnte ein großes Höfesterben sein. Auch der Graeser Landwirt Martin Kortbuß sorgt sich um die Zukunft.
Martin Kortbuß macht sich Sorgen. Der Graeser Landwirt beobachtet die Proteste seiner niederländischen Kollegen schon seit einiger Zeit - er war am Montag sogar selbst bei einer Demonstration vor dem Rathaus in Enschede dabei. Für die niederländischen Landwirte geht es um ihre Existenz.
Kortbuß fürchtet, dass sich dieses Szenario auch nach Deutschland ausweiten könnte. „Man kann schon merken, dass was in der Luft liegt“, beschreibt er die angespannte Stimmung unter den Bauern diesseits der Grenze.
Dass die Landwirtschaft einer stetigen Veränderung unterworfen ist, ist Martin Kortbuß klar. „Wir gehen den Schritt ja mit, aber nur wenn wir eine Perspektive haben“, sagt er.
Das Naturschutzgebiet Amtsvenn liegt quasi vor seiner Haustür, ein Drittel davon auf niederländischem Gebiet, wo die Regierung einschneidende Pläne verfolgt. In Enschede war Martin Kortbuß‘ Traktor einer von rund 25 Schleppern, die gegen die Stickstoffpolitik des Kabinetts demonstriert haben.
Acht davon kamen aus Deutschland. Die Veranstaltung blieb friedlich, auch wenn er und seine Kollegen mit ihrem Aufmarsch in der Enscheder Innenstadt Eindruck gemacht haben.
Kortbuß weiß von einer Vredener Gruppe, die vor wenigen Tagen mit 30 Traktoren in Groenlo war, um gemeinsam mit den Niederländern zu protestieren. Im Altkreis Ahaus haben die Bauern am Wochenende zehn Autobahnbrücken besetzt, um die Öffentlichkeit aufzurütteln, berichtet Kortbuß. Damit zeigen sie ihre Solidarität mit den niederländischen Kollegen. Eine Geste, die Benno Wijlens zu schätzen weiß.
Gute Stimmung bei Protesten
„Im Großen und Ganzen ist die Stimmung bei solchen Demonstrationen immer recht gut“, weiß der 39-Jährige. Er gehört der sogenannten „Farmers Defence Force“ (FDF) im Gebiet Twente an, einer Organisation, die sich für die Belange der niederländischen Landwirte einsetzt. Die FDF war in jüngster Zeit in die Kritik geraten, da Bauernproteste in Teilen der Niederlande eskaliert sind.

Vor dem Enscheder Rathaus haben am vergangenen Montag niederländische und deutsche Landwirte demonstriert. © privat
Gemeinsam mit seinen Eltern betreibt Benno Wijlens in Haaksbergen einen Hof mit etwa 100 Tieren. Die Pläne der Regierung, den Stickstoffausstoß drastisch zu reduzieren, stoßen ihm sauer auf. Martin Kortbuß und er haben sich 2019 bei einer Demo kennengelernt und sind inzwischen gute Freunde geworden.
Was sie eint, ist die Tatsache, dass es beiden im Moment an Zukunftsperspektiven fehlt. Und sie sind nicht die einzigen, die um ihre Existenz fürchten.
50 Prozent weniger Stickstoffausstoß
Laut Regierungsbeschluss soll bis 2030 der Stickstoffausstoß der Niederlande um 50 Prozent zurückgehen. Das bedeutet für mehr als 53.000 landwirtschaftliche Betriebe, dass sie die Anzahl ihrer Tiere radikal reduzieren müssen. Der Todesstoß gerade für viele landwirtschaftliche Betriebe, so die Befürchtung der Landwirte.
„Höfe, die nahe an Naturschutzgebieten liegen, müssen ihren Ausstoß sogar um bis zu 95 Prozent reduzieren“, sagt Wijlens kopfschüttelnd. Wie das in der Praxis funktionieren soll, kann er sich nicht vorstellen.
Der Haaksbergener liebt seine Arbeit, der Umgang mit den Tieren ist für ihn eine Berufung. Vor zwanzig Jahren hat er seinen Betrieb konsequent auf Bio umgestellt, weil die Natur ihm am Herzen liegt.
Inzwischen ist er so weit, dass er manchmal am liebsten alles hinwerfen würde. „Ich habe langsam keine Lust mehr, auch wenn ich eigentlich immer recht positiv gestimmt war“, gibt er zu.
Enttäuscht von der Regierung
Von der Regierung in seinem Land ist er enttäuscht: „Der Ministerpräsident lacht alles weg. ‚Das wird schon‘, hat er gesagt“. Benno Wijlens hat für solche Aussprüche nur ein spöttisches Lächeln übrig. Er vermutet vielmehr versteckte Regierungspläne hinter alldem. „2019 habe ich schon gesagt, es geht gar nicht um den Stickstoff, sondern um die Flächen“, erklärt er.
„Wir betreiben in Deutschland und Holland die nachhaltigste Landwirtschaft. In anderen Ländern sieht das ganz anders aus“, sagt Martin Kortbuß. Er und sein Haaksbergener Kollege haben schlimme Befürchtungen für die Zukunft. „Dass eine Lebensmittelknappheit kommt, davor haben wir schon vor Jahren gewarnt“, ergänzt er.
Nahrungsmittelknappheit befürchtet
Und auch Wijlens sieht schwarz. „Vor zwei Jahren noch reichte der Essensvorrat der ganzen Welt etwa drei Monate. Aber von Russland und der Ukraine darf man im Moment nicht viel erwarten“, spielt er auf die Getreideausfälle seit Kriegsbeginn an.
Wenn nun durch die niederländischen Regierungspläne zahlreiche Landwirte gezwungen sind, ihre Betriebe aufzugeben, sehen beide eine Unterversorgung mit Nahrung als unausweichlich an. „Ich habe Angst vor dem, was noch kommt. Ich fürchte, dass es schon zu spät ist“, mahnt der Haaksbergener.
Wie es nun weitergeht, bleibt abzuwarten. Martin Kortbuß und Benno Wijlens wollen auf jeden Fall weiter protestieren. Etwas anderes bleibt ihnen nicht, wenn die Landwirtschaft überleben soll.