Beleidigungen und wüste Verschwörungstheorien in einem Youtube-Video haben jetzt eine 66-jährige Vredenerin in der Realität eingeholt. Vor dem Ahauser Amtsgericht.
Rückblick: Im November 2021 lädt die Frau bei Youtube ein Video hoch. Darin bezeichnet sie den Geschäftsführer eines Softwareunternehmens aus Ahaus unter anderem als Handlanger des tiefen Staates. Er unterstütze illegale Machenschaften der deutschen Regierung. Mit seiner App befeuere er ihrer Meinung nach die Corona-Politik der Regierung. Die wiederum stellt sie völlig in Frage: Die Regierung habe das Coronavirus längst als „nicht-ansteckende Krankheit“ deklariert.
Eine endlose Stellungnahme
Schon gegen die Bezeichnung im Titel des Videos hatte der Betroffene damals Anzeige erstattet. Gegen die Frau erging ein Strafbefehl. Hätte sie die Strafe gezahlt, wäre die Sache damit erledigt gewesen. Doch sie legte Einspruch ein und findet sich so am Freitagmorgen vor der Amtsrichterin in Ahaus wieder.
Auch in der Verhandlung geht es tief in die Verschwörungstheorien hinab: Die Frau liest eine etliche Seiten lange Stellungnahme vor und zitiert darin unter anderem Dietrich Bonhoeffer: „Die Macht des Einen braucht die Dummheit der Anderen.“
„Deep State“ und Heuchelei
Und weiter in ihrem Monolog: „Wenn ich das Heucheln von Fürsorge unter dem Schleier der Absicht sich zu bereichern; Menschen zu versklaven und ihren Tod billigend in Kauf zu nehmen als etwas Dummes bezeichne, ist das für den Heuchler dann eine Beleidigung? Warum? Vielleicht weil es für ihn etwas intelligentes gewesen war oder jetzt noch ist?“
Zum Hintergrund: Unter dem „tiefen Staat“ oder auch „Deep State“ bezeichnen Verschwörungstheoretiker illegale Machtstrukturen innerhalb eines Staates oder die Unterwanderung der Demokratie durch Geheimdienste, politische Komplizen oder Organisationen, die im Untergrund agieren.
Die Richterin lässt gewähren
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft lässt die Ausführungen der 66-Jährigen bis zu einem gewissen Grad zu. Sie könne den Argumenten zum Teil sogar folgen, erklärt sie. Aber: „Es mag unterschiedliche Vorstellungen von Tatsachen geben“, sagt sie. Eine andere Frage sei aber, wie man damit umgehe. Andere Menschen öffentlich an einen Pranger zu stellen, sie sogar öffentlich als dumm zu bezeichnen, sei ein Angriff auf die Ehre dieser Person. Also klipp und klar das, was im Strafgesetzbuch unter der Überschrift Beleidigung geführt wird.
Die Angeklagte bestreitet den Tathergang und ihre Aussagen nicht. Sie zeigt aber auch an diesem Punkt der Verhandlung weder Einsicht noch Reue. Stattdessen setzt sie wieder zu ihren kruden Theorien an. Die Richterin lässt sie gewähren.
Kurz vor Ende der Beweisaufnahme noch ein Blick ins Bundeszentralregister: Vorstrafen hat die Frau nicht.
Kein Ende in Sicht
Schließlich das Urteil der Richterin: Die 66-jährige hat sich klar der Beleidigung schuldig gemacht. Die Strafe: 40 Tagessätze zu je 25 Euro. Also eine Geldstrafe von 1000 Euro für Aussagen in einem Youtube-Video. Auch die Kosten des Verfahrens muss die Rentnerin tragen.
Doch ein Ende scheint noch nicht in Sicht: Beim Verlassen des Saals informiert sie sich ausdrücklich noch über die Frist, um in Berufung zu gehen. Eine Woche hat sie dafür. Ende der Verhandlung, Richterin und die Vertreterin der Staatsanwaltschaft blicken einander an und atmen durch.
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