Tobias Groten sprach unter anderem über das geplant „Aufhaus“, das noch im Mai eröffnet werden soll.

© Stephan Rape

Bei Bier und Currywurst: Tobias Grotens Pläne für Impfungen und Innenstadt

rnPushcon Focus

Tobias Groten hat am Mittwoch über seine Pläne für die Ahauser Innenstadt und die Impfstrategie gesprochen. Mit den Corona-Regeln nahmen es die Veranstalter allerdings nicht ganz so genau.

Ahaus

, 22.04.2021, 17:26 Uhr / Lesedauer: 4 min

Den ersten Anlauf der Pushcon Focus hatte die Ahauser Stadtverwaltung mit Verweis auf die Corona-Schutzverordnung noch gestoppt, eine Woche später klappte es dann doch mit der Live-Veranstaltung. Am Mittwochabend öffneten sich an der Parallelstraße bei den Tobit.Labs um 19 Uhr die Türen für rund 70 geladene Gäste: Einzelhändler, Gastronomen, Ärzte, Stadtmarketing aus einem Nachbarort, Gastronomen... Auch die Münsterland Zeitung war mit zwei Mitarbeitern vertreten.

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Im Eingangsbereich fragten die gut gelaunten Tobit-Mitarbeiter nach einem aktuellen, negativen Schnelltest. Wer keinen hatte, konnte sich vor Ort testen lassen. Was sich im Lounge-Bereich schon angedeutet hatte, setzte sich im Atrium – einer großen Veranstaltungshalle im Tobit-Gebäude – fort. Das Servicepersonal reichte wahlweise Currywurst und/oder Bier.

Auf der Bühne spielte eine Ahauser Band Live-Musik. Auch ich schnappte mir eine Flasche Heineken und genoss in lustiger Runde ein Stück alte Normalität. Dass dieses Verhalten vielleicht nicht in die derzeitige Situation passt, ließ sich zumindest nach außen hin niemand anmerken. MLZ-Reporter eingeschlossen.

Tobias Groten betritt die Bühne

Um 19.45 Uhr wurden die Gäste gebeten, langsam Platz zu nehmen. Ansage: „Bitte nicht zu dicht knubbeln.“ Christian Lindemann, Showmaster und Cirque-du-Soleil-Künstler, sorgte für die passende Stimmung im Saal.

Um Punkt 20 Uhr betrat dann Tobias Groten, CEO der Tobit.Labs, die Bühne; im Gepäck seine „Digital Bedtime Story“. 2000 Menschen vor den Bildschirmen, 70 weitere im Saal. „Es ist schon lange her, dass ich hier zuletzt stand“, begann Groten. „Aber es gibt einige Dinge, die ich einfach loswerden muss.“

Für Live-Musik war bei der Pushcon Focus ebenfalls gesorgt.

Für Live-Musik war bei der Pushcon Focus ebenfalls gesorgt. © Stephan Rape

Über Albert Einstein, Bill Gates und Steve Jobs kam er zur deutschen Pandemie-Bekämpfung. Ein Dorn im Auge ist Tobias Groten dabei vor allem die (fehlende) Digitalisierung.

Als Beispiel nannte er die Buchung eines Impftermin bei der Kassenärztlichen Vereinigung: „Da sitzen Mitarbeitern vor dem Rechner und tippen Daten ein, die ihnen Menschen am Telefon diktieren. Und das nennen sie dann Digitalisierung.“ Seine Faustregel: „Wenn ich einen Computer sehen kann, hat es nichts mit Digitalisierung zu tun.“

Vorschlag: Impfungen per App buchen

Grotens Gegenbeispiel: Die mittlerweile über 100 Schnellteststationen, die über die Tobit-Plattform Chayns betrieben werden. „Wir vergeben 20.000 Termine am Tag, keiner Sitzt am Telefon. In den Teststationen bräuchten wir nicht einmal Strom, weil alles über das Smartphone läuft.“

Er regt an, bei der Impfung genauso vorzugehen. Gerade mit Blick auf die großen Liefermengen, die in den nächsten Wochen und Monaten erwartet werden. Schon jetzt zeichne sich ab, dass die Hausärzte diese riesige Masse nicht bewältigen kann.

„Es ist ein Desaster. Die Ärzte haben gemerkt: Ich hatte vorher ja schon eine ganze Menge zu tun. Jetzt müssen sie den Leuten hinterhertelefonieren und müssen dann hören: ‚Ich bin schon geimpft.‘“

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Tobias Groten plädiert daher dafür, voll auf die Digitalisierung zu setzen und den Prozess deutlich zu verschlanken: „In 95 bis 98 Prozent ist die wichtigste Frage: Sind Sie Rechts- oder Linkshänder? Um zu wissen, in welchen Arm die Nadel gesetzt werden muss“, berichtete der Tobit-CEO.

In der Chayns-App ist der entsprechende Button „Impfen“ bereits angelegt. „Wir können bei der Digitalisierung nicht alle mitnehmen, für einen kleinen Teil braucht es sicherlich eine extra Spur. Aber wir dürfen nicht auf die Letzten warten.“ Grotens Appell: „Wir müssen schneller werden als das Virus.“

Restaurant ohne eigene Küche

Im zweiten Teil seiner digitalen Gute-Nacht-Geschichte sprach Tobias Groten über die Pläne für die Ahauser Innenstadt. Gleich zwei Projekte standen dabei im Fokus. Zum einen soll im ehemaligen Geschäft „Gina Laura“, Marktstraße 10, ein Restaurant ohne Küche entstehen.

Eingerichtet ist die Lokation wie ein kleine, gemütliche Trattoria. Doch was auf der Speisekarte steht, muss nicht unbedingt an den letzten Toskana-Urlaub erinnern. „Wir haben jede Menge Betriebe in der Umgebung, die eine ordentliche Küche haben. Von dort sollen die Speisen gebracht werden. Der Gast wird davon aber nichts mitbekommen.“ Denn bestellt und bezahlt wird im „Ristorante da Silvano“ natürlich digital.

Rund 70 Gäste verteilten sich im Atrium. Weitere 2000 Zuschauer verfolgten Tobias Grotens „Digital Bedtime Story“ vor dem Bildschirm.

Rund 70 Gäste verteilten sich im Atrium. Weitere 2000 Zuschauer verfolgten Tobias Grotens „Digital Bedtime Story“ vor dem Bildschirm. © Stephan Rape

Im wörtlichen Sinne größere Pläne hat Tobias Groten für das ehemalige Modehaus Haverkamp, das seit Jahresanfang leer steht. Schon ab Christi Himmelfahrt, 13. Mai, soll Leben in die Immobilie zurückkehren.

Was Tobit dort plant, entspricht in gewisser Form einem stationären Online-Handel. Rund um die Uhr – egal ob Feiertag, Sonntag oder spät in der Nacht – soll das „Aufhaus“ geöffnet sein. Angeboten werden hier in Zukunft verschiedenste Waren. Egal ob Fahrräder, Unterhaltungselektronik oder Mode.

Auch Privatpersonen sollen hier die Möglichkeit erhalten, Ware anzubieten. „Vergleichbar mit einem Flohmarkt oder Ebay Kleinanzeigen“, so Tobias Groten.

(K)aufhaus mit Museumscharakter

Er sieht die Zeit für ein solches „Aufhaus“ mit Museumscharakter gekommen. „Aktuell hat der Einzelhandel Öffnungszeiten wie ein Versicherungsbüro. Alle haben sich daran gewöhnt, niemand hinterfragt das. Dabei müssten die Geschäfte genau dann öffnen, wenn die Menschen frei haben.“

Auch das Aufhaus soll quasi ohne Personal auskommen. Preise können per Smartphonekamera über die Chayns-App gescannt werden. Wer Beratung braucht, kann die Live-Chat-Funktion nutzen. Zum Kauf des Produkts muss nur ein Button gedrückt werden.

Dass nicht von Tag eins an alles reibungslos funktioniert, ist eingeplant. „Was passiert wenn einer klaut? Ehrlich Antwort: Wir wissen es nicht. Aber die Menschen sind keine Barbaren. Die Gesellschaft ist zivilisierter und erwachsener geworden“, glaubt Tobias Groten.

Verstoß gegen Corona-Schutzverordnung

Apropos „erwachsener geworden“. Dass der Tobit-Chef gerne Grenzen auslotet, ist bekannt. Hat er sie mit der Pushcon Focus überschritten? Genehmigt war die Veranstaltung, trotz vorheriger Tests, vom Kreis nicht. Die Stadt Ahaus sei zuständig, hieß es von Pressesprecher Karlheinz Gördes.

Von Seiten der Stadt heißt es, es habe auch keiner Genehmigung bedurft. Hans-Georg Althoff, erster Beigeordneter, sagt dazu: „Nur einem kleinen Kreis von Personen war eine persönliche Teilnahme an dem als innerbetrieblich zu charakterisierenden Treffen möglich. Der persönliche Austausch erfolgte (...) unter Einhaltung der Hygienevorschriften und Vorgaben zum Infektionsschutz.“

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Dass die Gäste während der Zeit des Vortrags auf ihr Testergebnis gewartet haben und das Atrium quasi als Wartezimmer fungierte – wie es mit einem Augenzwinkern von Tobit-Seite kommuniziert wurde – mag vielleicht sogar als Ausrede durchgehen.

Trotzdem bleiben die Frage: Muss das sein? Hätte in diesem Fall nicht allein der Stream genügt? Nicht jede Corona-Regel ist logisch, aber sie gelten nun einmal für uns alle.

Sollte man Kritik üben, wenn man selbst mitten drin war? Wahrscheinlich nicht. Sollte man als Journalist über eine Veranstaltung schreiben und die Rahmenbedingungen verschweigen? Ganz sicher nicht.

Klare Distanzierung von Corona-Leugnern

Tobias Groten distanzierte sich am Abend der Veranstaltung klar und glaubhaft von den Corona-Leugnern. Sein Einsatz für Tests und Impfungen unterstreichen das. Er hat einen Abend ermöglicht, wie ihn wahrscheinlich alle Anwesenden lange nicht mehr erlebt haben. Ein heller Fleck in dieser dunklen Zeit.

Doch ist ein geselliger Abend mit der Ahauser Beletage bei Bier und Currywurst fair gegenüber denen, die gerade schwer zu kämpfen haben? Schüler, Eltern, Lehrer, Pflegepersonal, Veranstalter? Die Frage muss jeder – auch der Verfasser dieser Zeilen – für sich selbst beantworten.

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